BGH Urteil v. - XII ZR 132/09

Gewerberaummiete: Mietminderung bei sich nur periodisch auswirkendem Mangel

Leitsatz

Wirkt sich in einem Gewerberaummietvertrag ein Mangel nur periodisch erheblich auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus, ist der Mietzins auch nur in diesem Zeitraum kraft Gesetzes herabgesetzt .

Gesetze: § 536 BGB

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 25 S 59/09 Urteilvorgehend AG Lampertheim Az: 3 C 987/08 (01) Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt von dem Beklagten rückständige Miete.

2Mit Vertrag vom vermieteten die Klägerin und ihr späterer Ehemann an den Beklagten für die Zeit vom bis zum Räume zum Betrieb einer Kinderarztpraxis. Nach § 6 des Mietvertrages ist "eine Aufrechnung und Zurückbehaltung des Mieters gegenüber Forderungen auf Mietzins und Nebenkosten nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig."

3Der Beklagte kürzte erstmals im September 2008 und danach auch im Oktober und November 2008 die Miete mit der Behauptung, die Räume seien im Sommer wegen zu hoher Temperaturen nur eingeschränkt nutzbar.

4Mit der Klage verlangt die Klägerin Zahlung der restlichen Miete für die Monate Oktober und November 2008 in Höhe von 695 € an sich und ihren Ehemann. Zur Zahlung der restlichen Septembermiete (170 €) ist der Beklagte bereits in einem gesondert geführten Rechtsstreit verurteilt worden.

5Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

6Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Mieträume aufgrund einer in den Sommermonaten erfolgenden Aufheizung mangelhaft seien. Denn dem Beklagten stehe für die Monate Oktober und November 2008 ein Minderungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil der Gebrauch der Mieträume in diesem Zeitraum unstreitig nicht durch Überhitzung beeinträchtigt und eine solche Beeinträchtigung auch nicht zu erwarten gewesen sei. Der unterstellte Mangel einer erheblichen Aufheizung der Mieträume bei hohen Außentemperaturen könne nur in den Sommermonaten, in denen erfahrungsgemäß mit einer Auswirkung des Mangels auf die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu rechnen sei, zur Minderung berechtigen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 536 BGB. Auch sei das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in dem Zeitraum, in dem der Mangel nur latent vorhanden sei, nicht gestört. Denn die Klägerin müsse die Mietsache so bereitstellen, dass der Beklagte in der Lage sei, sie vertragsgemäß zu gebrauchen. Zum vertragsgemäßen Gebrauch sei der Beklagte während der Jahreszeiten, in denen sich der unterstellte Mangel objektiv nicht auswirke, ohne Einschränkung in der Lage. Deshalb sei bei Mängeln, die nur zu bestimmten Jahreszeiten aufträten, die Miete nur dann gemindert, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten sei.

8Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob ein Mangel der Mietsache, der sich nur periodisch auswirke, zu einer ganzjährigen Minderung führe.

II.

9Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

10Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für die Monate Oktober und November 2008 an sich und ihren Ehemann.

111. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine Minderung der Miete in den Monaten Oktober und November 2008 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume in diesem Zeitraum unstreitig nicht durch Überhitzung beeinträchtigt war.

12a) Nach § 536 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels der Mietsache, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht nur unerheblich mindert, von der Entrichtung der Miete befreit bzw. zur Entrichtung einer angemessen herabgesetzten Miete verpflichtet. Die Minderung tritt kraft Gesetzes ein (Senatsurteil vom - XII ZR 47/90 - NJW-RR 1991, 779, 780 mwN). Sie ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips und hat daher die Aufgabe, die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen sicherzustellen (Senatsurteil BGHZ 176, 191 = NZM 2008, 609 - Rn. 20). Die Hauptleistungspflicht des Vermieters besteht darin, dem Mieter während der gesamten Mietzeit den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen (§ 535 Abs. 1 BGB). Als Gegenleistung schuldet der Mieter den vereinbarten Mietzins (§ 535 Abs. 2 BGB). Das Äquivalenzverhältnis der Leistungen ist deshalb gestört, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch wegen eines Mangels nicht nur unerheblich beeinträchtigt ist. Dabei ist ein Mangel der Mietsache jede nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands von dem vertraglich vereinbarten Zustand, der ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt (st. Rspr. - NJW 2000, 1714, 1715; vom - XII ZR 254/01 - NJW 2005, 2152 und vom - XII ZR 189/08 - NJW 2010, 3152 Rn. 13).

13Von einer nicht nur unerheblichen Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs ist auch dann auszugehen, wenn der Mangel sich auf die Gebrauchstauglichkeit noch nicht unmittelbar auswirkt, aber die konkrete Gefahr besteht, dass er sie jederzeit erheblich beeinträchtigt (vgl. zu öffentlich-rechtlichen Gebrauchsbeschränkungen: - ZMR 2008, 274 und vom - XII ZR 44/91 - NJW 1992, 3226; - WM 1983, 660; OLG Düsseldorf NZM 2003, 556). Wirkt sich demgegenüber ein Mangel nur periodisch in einem vorhersehbaren Zeitraum erheblich auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus, ist der Mietzins auch nur in diesem Zeitraum kraft Gesetzes herabgesetzt (MünchKommBGB/Häublein 5. Aufl. § 536 Rn. 30; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 536 BGB Rn. 34; OLGR Rostock 2001, 281, 282; LG Berlin ZMR 1992, 302; aA Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rn. 325). Während der Zeit, in der die Mietsache trotz Vorliegens eines Mangels uneingeschränkt vertragsgemäß nutzbar ist, scheidet eine Herabsetzung der Miete aus.

14b) Danach liegen die Voraussetzungen für eine Minderung der Miete hier nicht vor.

15Zwar ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass wegen erheblicher Überhitzung der Mieträume im Sommer und einer von der Klägerin geschuldeten Klimatisierung ein Mangel vorlag. Unstreitig hat sich dieser Mangel aber in den Monaten Oktober und November 2008 nicht mehr auf die Gebrauchstauglichkeit ausgewirkt. Vielmehr waren die Mieträume in diesem Zeitraum uneingeschränkt nutzbar. Auch war mit einer Beeinträchtigung durch Überhitzung der Räume in diesem Zeitraum nicht zu rechnen. Es fehlt deshalb an der für die Minderung erforderlichen erheblichen Einschränkung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch.

16c) Der Senat verkennt nicht, dass sich in Fällen der vorliegenden Art eine Minderung für eine erst im laufenden Monat eintretende Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit auch erst im Nachhinein – also nach Ablauf des Mietmonats und damit nach Leistung des vorauszuzahlenden (§ 556 b Abs. 1 BGB) Mietzinses – dem Grunde und der Höhe nach feststellen lässt. Behält der Mieter in derartigen Fällen den Mietzins von vornherein in einem Umfang ein, der – insbesondere nach den Erfahrungen aus vorangegangenen Mietzeiträumen – der vorhersehbaren Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit entspricht, schließt ein solcher vorläufiger Einbehalt ein verzugsbegründendes Verschulden des Mieters aus. Er hindert aber den Vermieter nicht daran, den vorläufig einbehaltenen Teil des Mietzinses nachzufordern, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung nicht eintritt und sich eine Minderung deshalb als unbegründet erweist.

172. Der Beklagte kann sich gegenüber der Forderung auf Mietzins auch nicht auf das von ihm hilfsweise geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht berufen.

18Zwar steht dem Mieter die Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 BGB zu, wenn der Vermieter einen Mangel der Mietsache nicht beseitigt. Die Geltendmachung der Einrede gibt dem Mieter die Möglichkeit durch Zurückbehaltung der fälligen Miete Druck auf den Vermieter auszuüben, um ihn zur Beseitigung des Mangels zu veranlassen.

19Hier haben die Parteien jedoch ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten in § 6 Nr. 1 des Mietvertrages wirksam ausgeschlossen.

20Bei dem Mietvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB). Da der Beklagte als selbstständig tätiger Arzt Unternehmer gemäß § 14 Abs. 1 BGB ist, ist die Wirksamkeit der Klausel gemäß § 310 Abs. 1 BGB am Maßstab des § 307 BGB zu prüfen.

21Die in § 6 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbarte Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts dahin, dass es nur wegen unstreitiger oder rechtskräftig festgestellter Forderungen geltend gemacht werden darf, verstößt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, nicht gegen § 307 BGB (Senatsurteil vom - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520; BGHZ 115, 324, 327 = NJW 1992, 575, 577; OLG Düsseldorf MDR 2005, 1045; Staudinger/Weitermeyer [Neubearb. 2006] § 556 b BGB Rn. 25; Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rn. 387).

Hahne                               Wagenitz                                    Vézina

                 Dose                                    Klinkhammer

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 514 Nr. 8
NJW 2011 S. 6 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2011 S. 1231
TAAAD-59730