Rechte und Pflichten des Betreuers
1. Doppelzuständigkeit
Die Bestellung eines Betreuers führt, sofern der Betreute nicht geschäftsunfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig ist, auch im Aufgabenkreis des Betreuers (z. B. Vermögenssorge, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten) nicht zur Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB bzw. im Besteuerungsverfahren zur Handlungsunfähigkeit i. S. von § 79 AO des Betreuten. Innerhalb des Wirkungskreises ist der Betreuer gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) [1] mit der Folge des Zustandekommens einer Doppelzuständigkeit von Betreuer und Betreutem [2], die im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 AO i. V. m. § 53 ZPO zu lösen ist. [3]
§ 53 ZPO betrifft den Fall, dass der Betreuer im Besteuerungsverfahren für den Betreuten handelt. Ausnahmsweise verliert der Betreute seine Handlungsfähigkeit für das Besteuerungsverfahren, wenn der Betreuer tatsächlich handelt. Hierfür ist der Zeitpunkt maßgebend, von dem an der Betreuer handelt. [4] Soweit die Verfahrenshandlung des Betreuers im Widerspruch zu derjenigen des Betreuten steht, ist nur die Handlung des Betreuers wirksam. [5]
Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer innerhalb seines ihm übertragenen Wirkungskreises – der ggf. zu klären ist – die steuerlichen Pflichten des Betreuten wahrzunehmen (§ 34 Abs. 1 AO). [6] Dazu gehört die Abgabe einer Steuererklärung. Im Falle einer Doppelzuständigkeit im vorgenannten Sinne könnte das Finanzamt sowohl gegen den Betreuer als auch gegen die betreute Person Zwangsmaßnahmen ergreifen.
2. Ausnahme von der Doppelzuständigkeit
Eine (weitere) Ausnahme von der Doppelzuständigkeit kann sich aus einem Einwilligungsvorbehalt ergeben. § 79 Abs. 2 AO erkennt den Vorrang des Einwilligungsvorbehalts (§ 1903 BGB) an, um widersprechende Verfahrenshandlungen zu vermeiden. Der Betreute wird dadurch zum nur partiell Handlungsfähigen. Wird eine Verfahrenshandlung ohne Einwilligung vorgenommen, so bleibt sie bis zur Genehmigung durch den Betreuer unwirksam. [7]
Besteht nach dem Betreuerausweis beispielsweise ein Einwilligungsvorbehalt für die Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten, kann der Betreute wirksam keine Steuererklärung abgeben, von ihm also die Abgabe einer Steuererklärung auch nicht erzwungen werden.
3. Vertreter gem. § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO
Der nach § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO bestellte Vertreter ist kein Betreuer. Nur die Vorschriften über die Betreuung sind entsprechend anwendbar (§ 81 Abs. 4 AO). Ist eine Vermögenssorge angeordnet und wird der Betreuer deshalb auch im Besteuerungsverfahren tätig, sind in der Praxis kaum Fälle denkbar, in denen für einen unter Betreuung stehenden volljährigen Steuerpflichtigen ein Vertreter nach § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO bestellt werden müsste. [8]
4. Bekanntgabe von Verwaltungsakten
Zustellungen sind an den bestellten Betreuer vorzunehmen, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG). Gehört die Erfüllung steuerlicher Pflichten zum Aufgabenkreis des Betreuers, so ist dieser auch Zustellungsempfänger für Steuerbescheide. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG ist entsprechend auf einfache Bekanntgaben nach § 122 Abs. 1 AO anzuwenden. [9] Das Erfordernis der Bekanntgabe an den Betreuer gilt unabhängig davon, ob das Finanzamt bei Absendung des Bescheides von der Betreuung wusste oder nicht. [10]
OFD Niedersachsen v. - S
0151 - 7 - St
141
Fundstelle(n):
AO-Kartei
NI § 79
AO Karte 1 - 1709 -
AAAAD-59103
1, BFH/NV 2006 S. 1325; , BFH/NV 2005 S. 574
2Drüen in Tipke/Kruse, § 79 AO Rz 21; Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1902 Rz 18
3, BFH/NV 1996 S. 289; , BFH/NV 2007 S. 1630, m. w. N.; Drüen in Tipke/Kruse, a. a. O., § 79 AO Rz 21; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 79 AO Rz 68
4Drüen in Tipke/Kruse, a. a. O., Rz. 31 unter Hinweis auf den , a. a. O.
5, a. a. O.; , a. a. O.
6Drüen in Tipke/Kruse, a. a. O., § 79 AO Rz 21; Loose in Tipke/Kruse, a. a. O., § 34 AO Rz 5
7, BFH/NV 2007, S. 1911
8wegen weiterer Einzelheiten zum Vertreter nach § 81 AO vgl. AO-StB 5/2010 S. 150 ff.
9, BFH/NV 2007, S. 1630
10, EFG 2002, S. 1566