BGH Beschluss v. - 3 StR 290/10

Beweisantragsablehnung im Strafverfahren wegen Bedeutungslosigkeit: Rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Antrages auf Beiziehung der Ermittlungsakte aus einem anderen Verfahren gegen den Hauptbelastungszeugen

Gesetze: § 244 Abs 2 S 3 StPO

Instanzenzug: Az: 70 KLs 24/08 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf zahlreiche Verfahrensbeanstandungen und mehrere Rügen der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Näherer Erörterung bedürfen nur die nachfolgenden Punkte:

2Die Beanstandung, der Beweisantrag vom auf Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hannover mit dem Aktenzeichen 1382 Js ... sei zu Unrecht abgelehnt worden, greift nicht durch. Zwar fehlt dem Beschluss, mit dem die in dem Antrag näher genannten Tatsachen als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos bezeichnet worden sind, die für diese Fälle notwendige, auf einer antizipierende Beweiswürdigung aufbauende Begründung (vgl. hierzu , NStZ 2008, 299; Beschluss vom - 3 StR 9/08, NStZ-RR 2008, 205; Beschluss vom - 3 StR 519/09, StV 2010, 588). Indes beruht das Urteil hierauf nicht, denn das Landgericht hat die notwendige Begründung in dem Beschluss gegeben, mit dem es im weiteren Verlauf desselben Verhandlungstags einen anderen, dieselben Tatsachen betreffenden Antrag auf Vernehmung des Zeugen D. ebenfalls wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt hat.

3Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung des Beschlusses, mit dem das Landgericht den Beweisantrag vom auf Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hannover zum Aktenzeichen 2132 Js ... teilweise abgelehnt hat. Soweit zum Beweis, dass Herr ... N. von dem früheren Mitangeklagten S. - auf dessen Bekundungen die Verurteilung des die Tat bestreitenden Angeklagten beruht - der Hehlerei beschuldigt und trotzdem vom Amtsgericht Wennigsen freigesprochen wurde, die Urteilsurkunde benannt worden ist, hat das Landgericht dem Beweisantrag stattgegeben und das freisprechende Urteil verlesen. Im Übrigen hat es den Beweisantrag mit folgender Erwägung abgelehnt: "Dem weiteren Akteninhalt kommt aus tatsächlichen Gründen keine verfahrensrelevante Behauptung zu, da die Kammer sich nicht in der Lage sieht, in einem anderen Verfahren getätigte Angaben inzident zu überprüfen und zu verifizieren." Damit ist die Ablehnung des Antrags zwar rechtsfehlerhaft begründet; denn sollte es für die Überzeugungsbildung des Landgerichts zu der Glaubhaftigkeit der Angaben des früheren Mitangeklagten S. darauf angekommen sein, ob dieser in einem anderen Verfahren einen Dritten wahrheitswidrig belastet hatte, so hätte dieses nicht nur naheliegend die tatsächliche Möglichkeit, sondern auch die Pflicht gehabt (§ 244 Abs. 2 StPO), den Wahrheitsgehalt dieser früheren Beschuldigung aufzuklären. Der Senat kann indes das Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler ausschließen. Als alleiniger weiterer Bestandteil der gesamten Ermittlungsakte, der hinreichend konkretisiert ist, um dem Beweisbegehren den Charakter eines Beweisantrags zu verleihen (vgl. hierzu LR-Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 106), ist das Protokoll der polizeilichen Vernehmung des früheren Mitangeklagten S. vom bezeichnet. Dessen Inhalt konnte aber von vornherein keinen Beweis für die innere Tatsache erbringen, dass S. Dritte verschiedener Straftaten "bezichtigt", erkennbar gemeint: wahrheitswidrig beschuldigt, habe, um sich selbst in seiner eigenen Strafsache Vorteile zu verschaffen. Eine weitergehende Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.

Becker                                          Pfister                                von Lienen

                    Sost-Scheible                               Hubert

Fundstelle(n):
FAAAD-58968