BAG Urteil v. - 10 AZR 178/09

Bemessung des Anspruchs auf eine Jahresleistung nach MTV Tageszeitung NW bei Wechsel in Altersteilzeitarbeit

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 3 Ca 3684/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 1 Sa 810/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über eine tarifliche Jahresleistung für das Jahr 2006.

2Der Kläger ist seit 1977 als Korrektor bei der Beklagten beschäftigt. Sein tarifliches Monatsgehalt im Jahr 2006 betrug 2.761,00 Euro. Seit dem wird das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit der Hälfte der jeweils geltenden tarifvertraglichen Vollarbeitszeit pro Woche fortgeführt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Angestellte in Verlagen von Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen(MTV) und der Tarifvertrag zur Altersteilzeit für Angestellte in Verlagen von Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen vom (TV ATZ) Anwendung.

§ 24 MTV regelt den Anspruch auf die Jahresleistung wie folgt:

Für die Jahresleistung in der Altersteilzeit bestimmt § 8 Nr. 2 TV ATZ:

5Nach einer Betriebsvereinbarung wird die Jahresleistung mit dem Novembergehalt gezahlt. Die Beklagte hat an den Kläger entsprechend dem Verhältnis der seit vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zur tariflichen Vollarbeitszeit 1.311,48 Euro ausgekehrt.

6Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe für zehn Kalendermonate anteilig die volle Jahresleistung und für die zwei Monate der Altersteilzeit anteilig die Hälfte der Jahresleistung zu.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Maßgeblich für die Bemessung der Jahresleistung sei die zum Fälligkeitszeitpunkt vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

10I. Die Revision ist begründet. Der Kläger hat aus § 24 Abs. 1 und 2 MTV, § 8 Nr. 2 TV ATZ einen Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung für das Jahr 2006 in der geltend gemachten Höhe. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts richtet sich die Bemessung des Anspruchs nicht insgesamt nach dem Verhältnis der vereinbarten wöchentlichen zur tariflichen Arbeitszeit zum Fälligkeitszeitpunkt. Für die Zeitspanne des Jahres 2006, in der ein Vollzeitarbeitsverhältnis bestanden hat, besteht ein anteiliger Anspruch auf die volle Jahresleistung und für die Monate der Altersteilzeit ein solcher auf die Hälfte der Jahresleistung.

111. Nach § 24 Abs. 7 MTV erhalten Teilzeitbeschäftigte eine anteilige Jahresleistung nach dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit. Der Wortlaut der Norm lässt mehrere Auslegungen zu. Er bestimmt nicht eindeutig, dass die Bemessung der Jahresleistung sich nach dem Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit zu einem bestimmten Stichtag oder zum Zeitpunkt der Fälligkeit richtet. Ein Stichtag wird überhaupt nicht erwähnt. In Betracht kommt deshalb auch die Annahme, die Jahresleistung werde nach dem Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit im Bezugszeitraum bemessen.

122. Dass es auf das Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit im Bezugszeitraum und nicht zu einem bestimmten Stichtag ankommt, ergibt sich deutlich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang.

13a) Nach § 24 Abs. 2 MTV hat derjenige Angestellte Anspruch auf die volle Jahresleistung, dessen Anstellungsverhältnis „für das ganze laufende Fälligkeitsjahr“ bestand. Nach § 24 Abs. 2 Satz 2 MTV erhält der Angestellte bei unterjährigem Ein- oder Austritt für jeden vollen Kalendermonat des Bestehens des Anstellungsverhältnisses ein Zwölftel der Jahresleistung. Der Anspruch auf die Jahresleistung nach § 24 MTV wird deshalb mit Ablauf eines jeden vollen Kalendermonats ratierlich erworben.

14b) Dies zeigt auch § 24 Abs. 5 MTV. Danach führen Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung zu einer Kürzung der Jahresleistung. Daraus ergibt sich, dass die erbrachte Arbeitsleistung mit der Jahresleistung zusätzlich vergütet werden soll und keine weiteren Zwecke verfolgt werden. Die Jahresleistung ist in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung eingebunden. Sie wird in den einzelnen Monaten anteilig verdient, jedoch aufgespart und am vereinbarten Fälligkeitstag, bei einem vorzeitigen Ausscheiden(§ 24 Abs. 4 MTV) schon bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses, ausgezahlt. Der Anspruch entsteht als zusätzliche Arbeitsvergütung pro rata temporis (vgl.  - zu II 2 c aa der Gründe, BAGE 92, 218). Diesem erkennbaren Zweck der Jahresleistung würde es widersprechen, wenn bereits erworbene Ansprüche bei einer stichtagsbezogenen Betrachtung nachträglich reduziert würden.

15c) Bei einem Wechsel in die Altersteilzeit ergibt sich zudem aus § 8 Nr. 2 TV ATZ, dass nur für die Dauer der Altersteilzeit ein anteilig reduzierter Anspruch besteht. Nach dieser Norm wird während der gesamten Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine Jahresleistung auf Grundlage der Hälfte der bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit gezahlt. Nur für die Zeitspanne der Altersteilzeit besteht somit ein reduzierter Anspruch. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass für die Zeitspanne vor dem Wechsel in die Altersteilzeit eine Jahresleistung entsprechend der zuvor vereinbarten Arbeitszeit zu leisten ist.

16d)§ 24 Abs. 3 MTV steht dieser Auslegung nicht entgegen. Daraus ergibt sich nicht, dass mit der Jahresleistung ein weiterer Zweck verfolgt wird und der Anspruch deshalb erst zum Fälligkeitszeitpunkt entstehen kann. Zwar besteht kein Anspruch, wenn das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund gekündigt wurde oder sich an die Probezeit kein Anstellungsverhältnis angeschlossen hat. Diese Regelung widerspricht aber nicht dem Entgeltcharakter der Jahresleistung. Der Anspruch ist nur in einem Sonderfall der „Verwirkung“ sowie im ersten Jahr eines Arbeitsverhältnisses bei Nichtbewährung in der Probezeit ausgeschlossen.

173. Ein anderes Verständnis würde dem Bedürfnis nach einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren tariflichen Regelung nicht gerecht. Die nachteilige Kürzung der Jahresleistung könnte bei einem Wechsel in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur bei einer Änderung des Arbeitsvertrags zum 1. Dezember nach Zahlung der vollen Jahresleistung für den verstrichenen Bezugszeitraum vermieden werden. Umgekehrt entspricht die Kürzung bei einem Wechsel von Teilzeit in Vollzeit dem im Tarifvertrag zum Ausdruck kommenden Vergütungscharakter.

184. Eine von den Tarifvertragsparteien beabsichtigte ausschließlich stichtagsbezogene Betrachtung des Verhältnisses von vereinbarter zu tariflicher Arbeitszeit hätte im Tarifvertrag deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Dies ist nicht geschehen.

195. Nach § 24 MTV ist deshalb für jeden vollen Kalendermonat festzustellen, in welchem Verhältnis die vereinbarte zur tariflichen Arbeitszeit gestanden hat. Teilzeitbeschäftigte erwerben nach § 24 Abs. 7 MTV eine anteilige Jahresleistung nach dem Verhältnis der im Bezugszeitraum vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit. Das tarifliche Monatsgehalt zum Fälligkeitszeitpunkt ist nach § 24 Abs. 1 MTV Grundlage für die Berechnung der Höhe des Anspruchs.

206. Dem Kläger steht danach für die Monate Januar bis Oktober 2006 anteilig die volle Jahresleistung zu, somit 10/12 von 2.622,95 Euro(95 % des zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen tariflichen Monatsgehalts von 2.761,00 Euro). Für November und Dezember 2006 besteht ein anteiliger Anspruch in Höhe der Hälfte der auf diese Monate entfallenden Jahresleistung bei einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis. Den Gesamtanspruch für das Jahr 2006 hat die Beklagte durch Zahlung von 1.311,48 Euro teilweise erfüllt. Den verbleibenden Restanspruch macht der Kläger zu Recht geltend.

217. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Fundstelle(n):
YAAAD-58496