Keine steuerfreie Heilbehandlung durch Subunternehmer ohne eigenständigen Befähigungsnachweis
Leitsatz
Aus einer nach dem SGB V einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistung (Aknebehandlung) geschuldeten Erstattung einer Krankenkasse ergibt sich nicht, dass der vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer (Kosmetiker) über die erforderliche berufliche Befähigung zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme i.S. von § 4 Nr. 14 UStG verfügt.
Gesetze: UStG 1999 § 4 Nr. 14Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Instanzenzug: (EFG 2010, 271) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
1Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Kosmetikerin selbständig tätig.
2Einmal wöchentlich nahm die Klägerin in der Praxis des Facharztes für Hautkrankheiten Dr. G, der nicht über eine Kassenzulassung verfügte, auf dessen Anordnung an Patienten eine „manuelle Akne-Therapie” vor. Die Klägerin verfügte über eine Zusatzausbildung in Dermatologie (Urkunde der Chemisch-Pharmazeutischen Fabrik X vom ). Dr. G bescheinigte mit Schreiben vom , dass die Klägerin nach seinen Vorgaben und unter seiner Aufsicht eine wissenschaftlich anerkannte und empfohlene Zusatztherapie ausführe. Die Therapiemaßnahmen rechnete Dr. G gegenüber den Privatpatienten nach den Ziffern 209, 523, 530, 743 und 758 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab; sie wurden von Beihilfestellen und privaten Krankenkassen erstattet. Die Klägerin erhielt von Dr. G für ihre Leistungen einen Pauschalbetrag von 30 € je Patient.
3Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) die Änderung der gemäß §§ 164, 168 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre 2000 bis 2004. Zwar habe sie ihre Umsätze aus der Behandlung von an Akne erkrankten Patienten des Arztes Dr. G versteuert; diese Leistungen seien jedoch umsatzsteuerfrei.
4Das FA folgte dem nicht und lehnte die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 bis 2004 mit Bescheid vom ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom zurückgewiesen wurde.
5Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt, da die Klägerin gegenüber Dr. G nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfreie Leistungen erbracht habe. Es handele sich um eine heilberufliche Tätigkeit. Zwar habe Dr. G nur Leistungen nach den Ziffern 209, 523, 530, 743 und 758 GOÄ in Rechnung gestellt, die den Privatpatienten von ihrer Krankenversicherung auch unstreitig erstattet worden seien. Entscheidend sei jedoch, dass die Kosten dieser Leistungen ihrer Art nach als ärztliche Leistungen auch von den gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich, wenn auch in anderem Berechnungszusammenhang, nach dem „einheitlichen Bewertungsmaßstab” (EBM), erstattungsfähig seien.
6Auch wenn die Klägerin keinen „Katalogberuf” ausübe und auch nicht über die hierfür erforderliche berufliche Befähigung verfüge, sei dennoch von einem Befähigungsnachweis der Klägerin für die Durchführung der Heilbehandlungen auszugehen, da ihre von Dr. G gegenüber den Patienten abgerechneten Leistungen im Ergebnis in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden. Ob der Arzt zur Delegation der Leistungen an die Klägerin berechtigt sei, spiele keine Rolle, da es auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten dem Grunde nach ankomme. Soweit die Klägerin gleichartige Umsätze wie ein Arzt erbringe, erfordere es der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer, dass auch die Leistungen der Klägerin, die diese gegenüber dem Arzt Dr. G an dessen Patienten erbringe, umsatzsteuerfrei belassen werden.
7Das Urteil des FG ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2010, 271 veröffentlicht.
8Hiergegen wendet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Zwar handele es sich um arztähnliche Leistungen, es fehle jedoch der berufliche Befähigungsnachweis. Die Klägerin habe nur eine Zusatzausbildung in Dermatologie absolviert, die sie mangels gesetzlicher Regelung nicht berechtige, als selbständige Unternehmerin für Hautärzte zu arbeiten. Die Klägerin verfüge weder über eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) noch seien die von selbständigen Kosmetikern erbrachten Leistungen in die Richtlinien nach § 92 SGB V aufgenommen. Die Auffassung des FG führe dazu, dass jeder Subunternehmer ohne Rücksicht auf den persönlichen Befähigungsnachweis für einen Arzt eine arztähnliche Leistung steuerfrei erbringen könne, wenn die Kosten letztlich von den gesetzlichen Krankenkassen getragen würden.
9Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11Sie sei in den Praxisräumen eines Arztes tätig geworden. Die Finanzierung der durch sie, die Klägerin, erbrachten Leistungen reiche als Befähigungsnachweis aus. Dr. G habe bestätigt, dass sie über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung verfüge.
II.
12Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Leistungen der Klägerin bei der Behandlung von Aknepatienten sind nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, da die Klägerin nicht über den hierfür erforderlichen Befähigungsnachweis verfügt.
131. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 der in den Streitjahren geltenden Fassung des UStG sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes” steuerfrei. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden”, steuerfrei sind. § 4 Nr. 14 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen (vgl. z.B. zuletzt , BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.1.).
142. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nur steuerfrei, wenn sie von Personen erbracht werden, die die [hierfür] erforderlichen „beruflichen Befähigungsnachweise” (, Kügler, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30 Rdnr. 27) und damit die erforderlichen „beruflichen Qualifikationen” besitzen, damit die Heilbehandlungen unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen ( und C-444/04, Solleveld u.a., Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnr. 37).
15Zwar ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die arztähnlichen Berufe zu bestimmen, wobei sich das ihnen dabei zustehende Ermessen nicht nur auf die Festlegung der für die Ausübung dieser Berufe erforderlichen Qualifikationen, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnrn. 29 f.). Bei der Ausübung dieses Ermessens muss aber ein Ausschluss einzelner Berufe durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, die sich auf die beruflichen Qualifikationen des Behandelnden und damit auf Erfordernisse der Qualität der erbrachten Leistungen beziehen (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnr. 37).
16Weiter ist zu beachten, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind dabei aber nur insoweit gleichartig, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen. Schließt das nationale Recht einen Beruf von der Steuerfreiheit aus, liegt daher ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz nur vor, wenn die Personen, die diesen Beruf ausüben, für die Durchführung der Heilbehandlung nachweislich über berufliche Qualifikationen verfügen, die gewährleisten, dass diese Behandlungen denjenigen qualitativ gleichwertig sind, die von Personen erbracht werden, die nach nationalem Recht steuerfrei sind (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnrn. 40 f.). Für die erforderliche Qualifikation kann schließlich die Tätigkeit in einem rechtlichen Rahmen, unter der Kontrolle eines Medizinischen Dienstes und gemäß spezifisch festgelegter Bedingungen sprechen, deren Einhaltung durch die Eintragung in ein hierfür vorgesehenes Register bescheinigt wird (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV 2006, 299 Rdnr. 46).
173. Auch für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG kommt es unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG darauf an, dass eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch einen Unternehmer erbracht wird, der über einen beruflichen Befähigungsnachweis und damit über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus berufsrechtlichen Regelungen oder aus einer Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger ergeben (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.1.b). Eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen ist aber nur dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.1.b).
184. Im Streitfall liegt der für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG erforderliche Befähigungsnachweis nicht vor. Das Urteil des FG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
19a) Der Steuerfreiheit der durch die Klägerin erbrachten Leistungen steht nicht bereits entgegen, dass sie ihre Leistungen gegenüber einem Arzt erbrachte. Auch Subunternehmer eines Arztes können diesem gegenüber eine steuerfreie Heilbehandlungsleistung erbringen (, L. u. P. GmbH, BFH/NV Beilage 2006, 442 Rdnrn. 37 f.; , BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, unter II.1.; vom V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203, unter II.1.a, und vom V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31, unter II.1.b). Dies beruht darauf, dass es für die Steuerfreiheit nicht auf die Person des Leistungsempfängers ankommt, sondern sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss (, BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106, unter 4.; vom V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669, unter II.1., und vom V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904, unter II.1.a).
20b) Die Klägerin verfügt aber nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis.
21aa) Die Klägerin gehört als Kosmetikerin keiner Berufsgruppe an, die zur Behandlung von Aknepatienten befähigt ist. Insoweit kann zwar nach den Umständen des Einzelfalles auch eine berufsbezogene Ausbildungs- und Prüfungsordnung ausreichen (, BFH/NV 2005, 1392, unter II.2.c), wobei im Streitfall zu berücksichtigen ist, dass für Kosmetiker mit der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin —KosmAusbV— (BGBl I 2002, 417) eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung besteht. Das Ausbildungsberufsbild nach § 4 KosmAusbV, zu dem insbesondere Beurteilen und Reinigen der Haut, Pflegende Kosmetik und Dekorative Kosmetik gehören, bezieht sich jedoch nicht spezifisch auf die Behandlung von Aknepatienten und eignet sich daher nicht als Befähigungsnachweis.
22Die von der Klägerin in einer Chemisch-Pharmazeutischen Fabrik absolvierte Zusatzausbildung in Dermatologie ist gleichfalls kein berufsrechtlicher Befähigungsnachweis für Aknebehandlungen. Schließlich kann die Bescheinigung des Arztes Dr. G das Erfordernis eines berufsbezogenen Qualifikationsnachweises nicht ersetzen.
23bb) Darüber hinaus ist auch die Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen im Streitfall entgegen dem FG-Urteil kein Indiz für den Befähigungsnachweis. Hieraus kann nicht auf die erforderliche Befähigung der Klägerin geschlossen werden. Denn aus nach dem SGB V einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistungen geschuldeten Zahlungen einer Krankenkasse ergibt sich nicht, dass der vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer —hier die Klägerin— über die erforderliche berufliche Befähigung zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme verfügt.
24Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, da Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nur insoweit gleichartig sind, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen. Dies trifft auf Leistungen eines Arztes und einer Kosmetikerin nicht zu.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 195
BB 2010 S. 3118 Nr. 51
BFH/NV 2011 S. 172 Nr. 1
BFH/PR 2011 S. 98 Nr. 3
BStBl II 2011 S. 195 Nr. 3
DB 2010 S. 2710 Nr. 49
DStR 2010 S. 2510 Nr. 49
DStRE 2011 S. 59 Nr. 1
DStZ 2011 S. 5 Nr. 1
GStB 2011 S. 6 Nr. 2
HFR 2011 S. 449 Nr. 4
KÖSDI 2011 S. 17272 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2010 S. 4060
StB 2011 S. 5 Nr. 1
StBW 2011 S. 14 Nr. 1
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2010 S. 957
UR 2011 S. 101 Nr. 3
DAAAD-57534