BGH Urteil v. - IX ZR 240/09

Insolvenzanfechtung einer Kontoabbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung: Bestimmung der anfechtbaren Rechtshandlung; Erklärungsgegner einer Genehmigung und fiktive Genehmigung aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse

Gesetze: § 129 InsO, §§ 129ff InsO, § 130 Abs 1 S 1 Nr 2 InsO, § 143 InsO, § 182 Abs 1 BGB, Nr 7 Abs 4 SparkAGB

Instanzenzug: Az: 13 S 198/09 Urteilvorgehend AG Kerpen Az: 25 C 365/08

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese unterhielt bei der Stadtsparkasse K. (fortan: Sparkasse) ein Girokonto, für das die Schuldnerin und die Sparkasse einen vierteljährlichen Rechnungsabschluss vereinbart hatten. Der Geschäftsbeziehung zu der Schuldnerin lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen (fortan: AGB-SpK aF) zugrunde.

2Die Beklagte zog - wie regelmäßig quartalsweise und zuvor ohne Beanstandungen der Schuldnerin - am Grundbesitzabgaben in Höhe von 1.120,12 € aufgrund einer ihr erteilten Einzugsermächtigung vom Konto der Schuldnerin ein. Die Schuldnerin beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der Kläger wurde am zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Am folgenden Tag wurde die Bestellung im Internet veröffentlicht. Das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet.

3Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 1.120,12 € auf, wobei er erklärte, er genehmige die Lastschrift und fechte die Zahlung an. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Gründe

4Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in NZI 2010, 63 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der allein in Betracht kommende Anspruch aus §§ 143, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO scheitere daran, dass es an einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Rechtshandlung fehle. Maßgebliche Rechtshandlung bei einer Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren sei die Genehmigung der Belastungsbuchung. Eine Genehmigung liege erst in dem Schreiben des Klägers vom . Diese sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Die Schuldnerin selbst habe die Lastschrift nicht genehmigt, weil in der bloßen Kontofortführung keine konkludente Genehmigung zu sehen sei. Die in Nr. 7 Abs. 4 AGB-SpK aF enthaltene Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, weil vor Ablauf der Frist der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden sei, so dass die Schuldnerin allein die Lastschrift nicht mehr habe genehmigen können. Gegenüber dem Kläger habe die Fiktion keine Wirkung entfalten können. Durch das Schreiben vom sei die schwebend unwirksame Genehmigung der Schuldnerin nicht mit Rückwirkung (§ 184 BGB) auf den Zeitpunkt des Eintritts der Fiktion gegenüber der Schuldnerin im Februar 2005 wirksam geworden.

II.

6Das Berufungsurteil hat im Ergebnis Bestand.

71. Bei einer Abbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung liegt die anfechtbare Rechtshandlung (§ 129 InsO) in der Genehmigung des Schuldners, mit der er einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt (, BGHZ 161, 49, 56; v. - IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 15; v. - IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 Rn. 11; v. - IX ZR 171/07, WM 2009, 958 Rn. 6). Maßgeblich für die Anwendbarkeit von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist der Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens ( aaO). Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts spricht einiges dafür, dass bereits die Schuldnerin vor Insolvenzantragstellung die Belastungsbuchung genehmigt hat. Dann käme keine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO, sondern bei der hier vorliegenden kongruenten Deckung nur eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO in Betracht. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift fehlt es jedoch sowohl an Feststellungen als auch an Parteivortrag.

8Das Berufungsgericht hat eine konkludente Genehmigung der Lastschriftbuchung durch die Schuldnerin verneint, weil eine Fortführung des Kontos allein hierfür nicht ausreiche. Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kommt eine konkludente Genehmigung durch den Kontoinhaber auch dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften handelt, wozu insbesondere auch wiederkehrende Abgabenzahlungen gehören können (, WM 2010, 1546 Rn. 48, z.V.b. in BGHZ). Hat der Schuldner in der Vergangenheit solche Buchungen genehmigt und erhebt er in Kenntnis des Lastschrifteinzugs, der den bereits genehmigten betragsmäßig nicht wesentlich übersteigt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben (, aaO). Das Amtsgericht hat hierzu festgestellt, es habe sich um regelmäßig quartalsweise vom Konto eingezogene Grundbesitzabgaben gehandelt, denen die Schuldnerin in der Vergangenheit niemals widersprochen habe. Danach liegt nahe, dass mit der Würdigung des Amtsgerichts, das zutreffend die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (vgl. , aaO Rn. 47; v. - IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 Rn. 11, z.V.b. in BGHZ), die Schuldnerin bereits vor dem den Lastschrifteinzug genehmigt hatte.

92. Lehnt man eine konkludente Genehmigung der Lastschriftbuchung vor dem Eröffnungsantrag ab, weil bisher nicht festgestellt ist, dass die Schuldnerin vor diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Lastschrifteinzug erlangte, kann die Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden, es fehle an einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Rechtshandlung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Genehmigung spätestens während dieses Zeitraums erfolgt.

10a) Aus dem Schreiben des Klägers vom lässt sich eine solche Rechtswirkung allerdings nicht ableiten. Dieses Schreiben enthält keine wirksame Genehmigung, weil es nicht an den richtigen Adressaten gerichtet ist. Die Genehmigung hätte gegenüber der Sparkasse, nicht aber gegenüber der Beklagten erklärt werden müssen. Selbst wenn mit der vom Kläger vertretenen Auffassung anzunehmen sein sollte, dass sich dieser auch als endgültiger Insolvenzverwalter noch wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt darauf beschränken kann, nur eine Zustimmung zu der nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-SpK fingierten Genehmigung der Schuldnerin zu erklären, hätte eine solche Erklärung nach § 182 Abs. 1 BGB gegenüber der Zahlstelle oder der Schuldnerin erfolgen müssen (vgl. , z.V.b.; Kirchhof, WM 2009, 337, 338 f). Die von der Revision in den Mittelpunkt ihrer Begründung gestellte Frage, ob eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilte Genehmigung wegen der nach § 184 Abs. 1 BGB grundsätzlich eintretenden Rückwirkung als eine in dem Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlung angesehen werden kann, ist danach nicht entscheidungserheblich.

11b) Die Genehmigung ist aber durch den Eintritt der in Nr. 7 Abs. 4 AGB-SpK enthaltenen Fiktion erfolgt. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats (, BGHZ 174, 84 Rn. 21 ff) angenommen, dass diese Genehmigungsfiktion gegenüber einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt keine Wirkung entfalte. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, hält er an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest (, z.V.b.). Danach ist die Belastungsbuchung sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses vom , also während des Zeitraums der vorläufigen Insolvenzverwaltung, genehmigt worden. Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, können nach den Vorschriften der §§ 129 ff InsO angefochten werden (, BGHZ 161, 315, 318). Eine anfechtbare Rechtshandlung in dem von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO erfassten Zeitraum ist somit gegeben.

123. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Es fehlt an der für eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO erforderlichen Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder von dem Eröffnungsantrag zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung.

13a) Die Beklagte hat nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen lediglich eingeräumt, am erste Rücklastschriften erhalten zu haben; positive Kenntnis von der Insolvenz habe sie erst am erlangt. Kenntnis von Umständen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit oder einen Eröffnungsantrag hindeuten könnten (§ 130 Abs. 2 InsO), hatte sie danach erst nach dem Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung (Mitte Februar 2005).

14b) Nach Auffassung der Revision soll sich die Kenntnis vom Eröffnungsantrag aus der Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 InsO ergeben. Der Senat hat jedoch zwischenzeitlich mit Urteil vom (IX ZR 209/09, z.V.b.) entschieden, dass sich allein aus der öffentlichen Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht die Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem gegen den Schuldner gerichteten Eröffnungsantrag ergibt.

Ganter                               Kayser                              Gehrlein

                   Fischer                               Grupp

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Fundstelle(n):
QAAAD-56079