Bayerisches Landesamt für Steuern - S 2121.1.1-4/23 St 32

Einkommensteuerrechtliche Behandlung der Geldleistungen für Kinder in Vollzeitpflege; Übergangsregelung bei Leistungen des Jugendamtes über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe

Bezug:

Wie auf Bundesebene bekannt geworden ist, sind anlässlich der im Jahr 2007 geführten Diskussion über Steuerpflicht und Steuerfreiheit von Pflegegeldern in der Kindervollzeitpflege bei solchen Pflegeeltern Unsicherheiten entstanden, die das Pflegegeld nicht unmittelbar vom Jugendamt, sondern über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe (z. B. einen eingetragenen Verein) erhalten. Nach dem Ergebnis der Erörterungen der für die Einkommensteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder sind Leistungen des Jugendamtes für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, die über einen zwischengeschalteten freien Träger an die Pflegepersonen ausgezahlt werden, wie folgt zu behandeln:

Grundsätzlich handelt es sich bei den Leistungen des Jugendamtes oder des freien Trägers an die Pflegepersonen um steuerbare Leistungen im Sinne des § 2 EStG. Nach § 3 Nr. 11 EStG werden diese Zahlungen jedoch steuerfrei gestellt, wenn sie unmittelbar der Erziehung dienen und als Beihilfe aus öffentlichen Mitteln geleistet werden.

Bei Pflegegeldzahlungen, die unmittelbar vom Jugendamt geleistet werden, liegen nach dem ( BStBl 2007 I S. 824) unter Berücksichtigung der Änderungen durch ( BStBl 2009 I S. 15) stets öffentliche Mittel im Sinne von § 3 Nr. 11 EStG vor, die als steuerfreie Beihilfen zu behandeln sind, sofern nicht mehr als sechs Kinder in den Haushalt aufgenommen werden.

Bei Pflegegeldern, die seitens des Jugendamtes zunächst an einen freien Träger überwiesen und von diesem wiederum an die Pflegepersonen ausgezahlt werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen von Beihilfen aus öffentlichen Mitteln ausgegangen werden.

  • Hierzu muss der Pflegeperson das ihr zustehende Pflegegeld direkt vom örtlichen Jugendamt bewilligt worden sein, so dass das Geld bei dem zwischengeschaltetenfreien Träger nur einen so genannten durchlaufenden Posten darstellt. Zur Annahme eines durchlaufenden Postens müssen eindeutige und unmissverständliche vertragliche Regelungen zwischen dem Jugendamt, dem freien Träger und der Pflegeperson/Erziehungsstelle i. S. d. § 33 SGB VIII bestehen. So sollte vertraglich zwischen allen Parteien festgehalten sein, dass das vom Jugendamt zweckgebunden an den freien Träger ausgezahlte Pflegegeld unverändert an die Pflegeperson weitergeleitet wird und sich durch diese formale, organisatorische Abwicklung dem Grunde und der Höhe nach am Pflegegeldanspruch der Pflegeperson nichts ändert. Außerdem sollten die Pflegepersonen mittels einer Vollmacht erklären, dass sie damit einverstanden sind, dass das örtliche Jugendamt das Pflegegeld über den freien Träger an sie weiterleitet, d. h. der freie Träger das Pflegegeld lediglich treuhänderisch in Empfang nimmt und ihnen auszahlt. Unter diesen Voraussetzungen gilt die für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG erforderliche offene Verausgabung als nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften und unter gesetzlicher Kontrolle verwirklicht.

  • Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG für Pflegegelder ist dagegen nicht möglich, wenn freie Träger den örtlichen Jugendämtern Pflegepersonen zur Verfügung stellen, diese Pflegepersonen betreuen und vergüten und den örtlichen Jugendämtern dann die gezahlten Pflegegelder in Rechnung stellen. Die Zahlungen erfolgen aus Mitteln eines nicht öffentlichen Rechtsträgers (z. B. eines eingetragenen Vereins). Es handelt sich auch dann nicht um öffentliche Mittel, wenn sie aus öffentlichen, für Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG zweckbestimmten Zuwendungen gespeist werden. Insoweit ist nicht gewährleistet, dass über die Mittel nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und die Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt.

Werden bei Zwischenschaltung eines freien Trägers die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG nicht erfüllt, können die Verträge zwischen den örtlichen Jugendämtern und den Pflegepersonen/Erziehungsstellen i. S. d. § 33 SGB VIII dergestalt angepasst werden, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines „durchlaufenden Postens“ bei den Trägern der freien Jugendhilfe vorliegen. Erfolgt die Vertragsanpassung bis zum Ablauf des Jahres 2010, kann die Steuerbefreiung in Ansprach genommen werden. Unterbleibt dagegen die entsprechende Anpassung, sind die Pflegegelder bei den Pflegepersonen als steuerpflichtige Leistungen nach § 18 EStG zu erfassen.

Aus

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 2121.1.1-4/23 St 32

Fundstelle(n):
EStB 2010 S. 458 Nr. 12
MAAAD-55240