Gesamtvollstreckungsverfahren: Pflicht des abberufenen Verwalters zur Rechnungslegung gegenüber seinem Nachfolger
Gesetze: § 66 Abs 1 InsO, § 86 S 1 KO, § 15 GesO, § 18 GesO
Instanzenzug: LG Stendal Az: 22 S 77/09 Urteilvorgehend AG Stendal Az: 3 C 1043/08
Tatbestand
1Der Beklagte war Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der A. K. Mit Beschluss des Gesamtvollstreckungsgerichts vom wurde er aus seinem Amt entlassen und der Kläger zum neuen Verwalter bestellt. Der Beklagte übergab dem Kläger verschiedene Unterlagen. Der Aufforderung des Klägers, eine Schlussrechnung über seine Verwaltertätigkeit zu legen, kam er jedoch nicht nach.
2Die auf Vorlage einer Schlussrechnung über seine Verwaltertätigkeit, bestehend aus einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, einer Schlussbilanz und einem Schlussbericht, gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
3Die Revision hat keinen Erfolg.
41. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Gesamtvollstreckungsordnung sehe keine Pflicht des abberufenen Verwalters zur Erteilung einer Teilschlussrechnung gegenüber Dritten vor. Eine solche Pflicht ergebe sich auch nicht aus einem Rückgriff auf die Regelungen der Konkurs- oder Insolvenzordnung. Es sei zwar anerkannt, dass der entlassene Verwalter nach § 86 KO und § 66 Abs. 1 InsO verpflichtet sei, eine Schlussrechnung zu legen. Diese Verpflichtung bestehe aber nur gegenüber der Gläubigerversammlung und dem Gericht, nicht gegenüber dem neuen Verwalter. Jener könne nur Aufsichtsmaßnahmen des Gerichts anregen. Deshalb könne auch für das Gesamtvollstreckungsverfahren weder im Wege der Gesetzesanwendung noch im Wege der Analogie ein Klagerecht des neuen Verwalters gefolgert werden. Es sei weder eine planwidrige Regelungslücke ersichtlich, noch bestehe ein Bedürfnis für ein Klagerecht des neuen Verwalters. Ein solches könne auch nicht aus § 259 BGB, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder aus § 666 BGB hergeleitet werden.
52. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
6a) Die Gesamtvollstreckungsordnung enthält keine Regelung, die einen abberufenen Verwalter verpflichten würde, über seine Tätigkeit dem nachfolgenden Verwalter Rechnung zu legen. Sie beschränkt sich darauf, am Ende des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach der Verteilung die Anfertigung eines Abschlussberichts zu verlangen (§ 18 Abs. 4 GesO) und der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss das Recht einzuräumen, in weiterem Umfang Berichterstattungen und Rechnungslegung zu fordern (§ 15 Abs. 5 Satz 2 und § 15 Abs. 6 Satz 2 GesO). Daraus lässt sich der geltend gemachte Anspruch, wie auch die Revision einräumt, nicht ableiten.
7b) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich ein Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung durch den abberufenen Verwalter auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von Normen der Konkurs- oder der Insolvenzordnung, denn es liegen weder die Voraussetzungen einer gesetzesimmanenten noch diejenigen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung vor (vgl. dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. S. 191 ff und S. 232 ff). Fraglich ist bereits, ob die Gesamtvollstreckungsordnung, soweit sie einen Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung nicht regelt, überhaupt lückenhaft ist, sei es im Blick auf ihren eigenen Regelungsplan oder auf die Gesamtrechtsordnung, oder ob sie einen solchen Anspruch ausschließen wollte. Jedenfalls enthält weder die Konkurs- noch die Insolvenzordnung eine Regelung, die den Schluss rechtfertigte, der Gesetzgeber hätte im Falle einer gesetzlichen Regelung der Streitfrage in der Gesamtvollstreckungsordnung einen Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung festgeschrieben, oder die es als unvereinbar mit allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen und übergeordneten Rechtsprinzipien erscheinen ließe, einen solchen Anspruch des neuen Verwalters zu verneinen (vgl. zu den Kriterien , BGHZ 143, 332, 334 ff; vom - IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 Rn. 14 f und 19 f).
8aa) Nach § 66 Abs. 1 InsO hat der Verwalter bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung zu legen. Eine entsprechende Verpflichtung normierte § 86 Satz 1 KO. Die Pflicht gilt und galt anerkanntermaßen auch für den vorzeitig abberufenen Verwalter (zu § 66 InsO: , ZIP 2005, 865, 866; vom - IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93; Jaeger/Eckardt, InsO, § 66 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 66 Rn. 3; FK-InsO/Kind, 5. Aufl. § 66 Rn. 2; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 66 Rn. 24 f; HK-InsO/Eickmann, 5. Aufl. § 66 Rn. 16; zu § 86 KO: Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl. § 86 KO Anm. 1a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. § 86 Rn. 2; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. § 86 Rn. 1). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Insolvenz- bzw. Konkursgericht gegen den Verwalter ein Zwangsgeld festsetzen (§ 58 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 84 Abs. 1 Satz 1 KO; , aaO; Jaeger/Eckardt, aaO Rn. 21; Uhlenbruck, aaO Rn. 25; Eickmann, aaO; Weber, aaO). Die übrigen Beteiligten des Verfahrens, auch der neue Verwalter, können solche Aufsichtsmaßnahmen anregen. Einen eigenen einklagbaren Anspruch auf Rechnungslegung hat der neue Verwalter hingegen nicht.
9bb) Für den Regelungsbereich der Konkursordnung ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision aus § 86 Satz 3 KO nichts anderes. Nach dieser Norm hatte auch der nachfolgende Verwalter das Recht, Einwendungen gegen die Rechnungslegung des abberufenen Verwalters zu erheben. Dies stand aber im Zusammenhang mit der Regelung in § 86 Satz 4 KO, wonach die Rechnung als anerkannt galt, soweit im Termin der Gläubigerversammlung keine Einwendungen erhoben wurden. Durch die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, konnte der neue Verwalter somit eine Entlastung des bisherigen Verwalters verhindern und mögliche Schadensersatzansprüche erhalten. Ein einklagbarer Anspruch auf Rechnungslegung folgte daraus nicht. Hierfür bestand kein zwingendes Bedürfnis. Legte der alte Verwalter keine Rechnung, konnte er sich auch nicht entlasten.
10cc) Steht dem neuen Verwalter nach der Konkurs- und der Insolvenzordnung kein einklagbarer Anspruch auf Rechnungslegung gegen den abberufenen Verwalter zu, kann ein solcher auch nicht in den Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung übernommen werden. Allenfalls ist der abberufene Gesamtvollstreckungsverwalter wie ein abberufener Konkurs- oder Insolvenzverwalter den Gläubigern gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet. Ob eine solche Pflicht des abberufenen Verwalters mit Aufsichtsmaßnahmen des Gesamtvollstreckungsgerichts durchsetzbar wäre, kann dahinstehen (die Gesamtvollstreckungsordnung sieht Zwangsmittel nicht vor; der Senat hat offen gelassen, ob die Regelungen der Insolvenz- und Konkursordnung insoweit entsprechend anwendbar sind, vgl. , ZIP 1995, 932, 934). Eine mangelhafte Pflichterfüllung des abberufenen Verwalters kann jedenfalls bei der Festsetzung seiner Vergütung berücksichtigt werden und zu einem Schadensersatzanspruch führen. Das Informationsinteresse der Gläubiger kann vom neuen Verwalter befriedigt werden.
11c) Ein Anspruch des Klägers auf Rechnungslegung durch den Beklagten ergibt sich auch nicht aus Normen oder Grundsätzen des bürgerlichen Rechts. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision nicht. Sie sind auch aus der Sicht des Revisionsgerichts nicht zu beanstanden.
12d) Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Geltungsbereich der Insolvenzordnung dem neuen Verwalter ein Anspruch gegen den vormaligen Verwalter auf Auskunft zustehen, wenn er auf bestimmte, das bisherige Verfahren betreffende Informationen angewiesen ist (, ZIP 2003, 326, 328). Ein solcher Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden, auf Rechnungslegung gerichteten Klage. Der Kläger begehrt nicht die Erteilung einer konkreten, nur dem Beklagten als früherem Verwalter möglichen Auskunft, sondern eine umfassende und förmliche Zusammenstellung der Masse und der vom bisherigen Verwalter getätigten Einnahmen und Ausgaben und seiner sonstigen Maßnahmen. Dass eine solche Rechnungslegung besondere, aus den übergebenen Unterlagen nicht ersichtliche und nur dem Beklagten verfügbare Kenntnisse voraussetzte, wird vom Kläger nicht behauptet.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Fundstelle(n):
ZIP 2010 S. 2209 Nr. 45
MAAAD-54670