Ermittlung des vom Grund und Boden abzuspaltenden Buchwerts des Milchlieferrechts im Wege der Schätzung
Leitsatz
1. Die in dem dargestellte Ermittlung des abzuspaltenden Buchwerts der Milchlieferrechte zum basiert auf einer vertretbaren sach- und wirklichkeitsgerechten Schätzung und kann deshalb vom FG im Rahmen der ihm eigenen Schätzungsbefugnis herangezogen werden.
2. Die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG ist bei der Entnahme bzw. der Veräußerung der Milchlieferrechte flurstücksbezogen anzuwenden.
Gesetze: EStG § 55 Abs. 1 und Abs. 6FGO § 96 Abs. 1, 2. HalbsatzAO § 162 Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 2008, 1798) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
1Streitig ist die Ermittlung des Buchwerts der Milchlieferrechte (= Milchreferenzmenge) im Zusammenhang mit deren Übernahme in das Privatvermögen sowie die Anwendung der Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
2Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger bewirtschaftete einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG.
3Mit Vertrag vom veräußerte er zum seine Hofstelle. Des Weiteren erklärte er am die Betriebsaufgabe und übernahm die verbliebenen Wirtschaftsgüter, u.a. auch die Milchlieferrechte, ins Privatvermögen. Die Milchlieferrechte entfielen teilweise auf Pachtflächen, überwiegend aber auf im Eigentum des Klägers stehende Grundstücke, die vor dem zum Anlagevermögen gehörten und deshalb mit fiktiven Anschaffungskosten gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 EStG erfasst waren.
4In seiner Einkommensteuererklärung für 1998 (Streitjahr) berücksichtigte der Kläger im Rahmen der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns die in sein Privatvermögen übernommenen Milchlieferrechte mit einem Entnahmewert in Höhe von 86.250 DM (= Verkehrwert). In gleicher Höhe berücksichtigte er gewinnmindernd einen Buchwert für die Milchlieferrechte.
5Den gewinnmindernden Abzug eines Buchwerts für die Milchlieferrechte lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zunächst mit Einkommensteuerbescheid 1998 vom vollständig ab.
6Auf den Einspruch der Kläger erließ das FA unter dem einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es einen Buchwert der Milchlieferrechte, soweit diese auf die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke entfielen, in Höhe von 70.253 DM berücksichtigte. Den Entnahmewert setzte es in Höhe von 75.633 DM an. Das FA ermittelte den Buchwert der Milchlieferrechte nach der vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Gesamtwertmethode bezogen auf die Wertverhältnisse des Grund und Bodens und der Milchlieferrechte zum , jedoch unter Heranziehung der Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom (BGBl I 1984, 720). Dabei bediente sich das FA der in Tz. 17 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV A 6 -S 2134- 52/02 (BStBl I 2003, 78) enthaltenen Formel und ermittelte so den vom Grund und Boden abgespaltenen Buchwert der Milchlieferrechte zum . Bei der Berechnung ist das FA von einem Verkehrswert (von den Beteiligten als Bruttoverkehrswert bezeichnet) der landwirtschaftlichen Grundstücke zum maßgeblichen Stichtag, dem (Zeitpunkt der Einführung der Milchlieferrechte), in Höhe von 19.100 DM/ha ausgegangen. Von diesem Verkehrswert hat es zur Ermittlung des Werts des „nackten” Grund und Bodens (ohne Milchlieferrecht) 10 % abgezogen. Den so berechneten Verkehrswert hat es ins Verhältnis gesetzt zu dem Wert der anteilig auf die Grundstücke entfallenden Milchlieferrechte, der zu diesem Bewertungsstichtag mit 0,80 DM/kg angesetzt worden ist. Unter Heranziehung der Verlustausschlussklausel gemäß § 55 Abs. 6 EStG wirkte sich der Buchwert indes nur in Höhe von 70.253 DM gewinnmindernd aus. Im Ergebnis erfasste das FA damit einen Aufgabegewinn aus der Übernahme der von den Eigentumsflächen abgespaltenen Milchlieferrechte in das Privatvermögen in Höhe von 5.380 DM.
7Während des Einspruchsverfahrens fand am eine Besprechung zwischen dem Landwirtschaftlichen Buchführungsverband (u.a. vertreten durch den Bevollmächtigten der Kläger im Einspruchsverfahren) und dem FA (vertreten u.a. durch den Vorsteher) zur Bewertung des vom Grund und Boden abzuspaltenden Milchlieferrechts statt. Auf das Protokoll vom sowie das anschließende Schreiben des FA vom und das der Besprechung vorausgegangene Schreiben der Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel vom wird Bezug genommen.
8Der Einspruch im Übrigen hatte keinen Erfolg.
9Dagegen hatten die Kläger Klage erhoben, mit der sie sich gegen den Ansatz eines Aufgabegewinns bei den Milchlieferrechten wendeten, die sich von den Eigentumsflächen abgespalten haben. Das FA habe zur Ermittlung des Werts des „nackten” Grund und Bodens zum zu Unrecht von dem zwischen den Beteiligten insoweit unstreitigen durchschnittlichen Bruttoverkehrswert des Grund und Bodens in Höhe von 19.100 DM/ha lediglich einen pauschalen Abschlag von 10 % vorgenommen. Diese Berechnung sei dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78 nicht zu entnehmen. Nach Tz. 8 des BMF-Schreibens sei von dem Bruttoverkehrswert der landwirtschaftlichen Grundstücke, der sich aus den Kaufpreissammlungen abgeleitet habe, zunächst ein Unsicherheitsabschlag von 10 % vorzunehmen. Zur Ermittlung des Nettoverkehrswerts sei danach noch die durchschnittliche regionale Milchquote von 4 400 kg/ha (x 0,80 DM/kg = 3.520 DM/ha) herauszurechnen. Die Kläger hätten jedenfalls einen aus dem Gleichbehandlungsgebot abzuleitenden Anspruch auf den Abzug in Höhe der durchschnittlichen Milchquote, da diese Wertermittlung nach der Weisungslage der (ehemaligen) OFD Kiel von anderen Finanzämtern bei anderen Steuerpflichtigen entsprechend praktiziert worden sei.
10Des Weiteren habe das FA die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG zu Unrecht flurstücksbezogen angewandt. Das Milchlieferrecht sei lediglich ein Wirtschaftsgut, welches keinen Bezug zu dem jeweiligen Grundstück habe. Dies habe zur Folge, dass bei einer Veräußerung oder Entnahme dem Veräußerungs- bzw. Entnahmewert der gesamte Buchwert gegenüberzustellen sei.
11Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die von dem FA im Wege der Schätzung ermittelten Werte des „nackten” Grund und Bodens seien nicht zu beanstanden. Es sei grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen wolle. Der Steuerpflichtige selbst habe keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode. Der Abschlag von 10 % von den ermittelten Durchschnittsverkaufspreisen sei eine sachgerechte Schätzung. Einen Anspruch auf die vom FA alternativ angewandte Schätzungsmethode, anstelle des 10 %igen Abschlags eine Kürzung um die durchschnittliche regionale Milchquote von 4 400 kg/ha (x 0,80 DM/kg = 3.520 DM/ha) vorzunehmen, hätten die Kläger nicht. Ein solcher Anspruch könne auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden. Ein solcher Vertrauenstatbestand sei nicht durch die Besprechung vom begründet worden. Diese Vereinbarung sei seitens des FA an die Bedingung geknüpft worden, dass die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren einvernehmlich beendet würden. Dies sei vorliegend indes nicht der Fall gewesen.
12Zutreffend habe das FA die Verlustausschlussklausel flurstücksbezogen angewandt. Da sich das Wirtschaftsgut als vorheriger Teil des Grund und Bodens von dem einzelnen Grundstück abgespalten habe, sei es konsequent, den Gewinn aus der Veräußerung des Grund und Bodens ebenso wie aus der Veräußerung der Milchlieferrechte flurstücksbezogen zu ermitteln.
13Die vollständigen Urteilsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1798 abgedruckt.
14Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
15Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1998 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin abzuändern, dass der Aufgabegewinn um 5.380 DM niedriger angesetzt wird.
16Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
17Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
18Der von dem FG im Wege der Schätzung ermittelte Buchwert für die vom Grund und Boden abgespaltenen Milchlieferrechte hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand (dazu unter 1.). Die Feststellungen des FG lassen jedoch keine Entscheidung darüber zu, ob die Kläger nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf eine andere Wertfestsetzung des abgespaltenen Buchwerts haben (dazu unter 2.). Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Verlustausschlussklausel gemäß § 55 Abs. 6 EStG auch hinsichtlich der Berücksichtigung des vom Grund und Boden abgespaltenen Buchwerts der Milchlieferrechte flurstücksbezogen anzuwenden ist (dazu unter 3.).
191. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis zur Berechnung des vom Grund und Boden abgespaltenen Buchwerts der Milchlieferrechte den Wert des „nackten” Grund und Bodens mit 17.190 DM/ha angenommen hat.
20a) Nach nunmehr gefestigter Senatsrechtsprechung handelt es sich bei der mit der MGV mit Wirkung zum eingeführten Milchreferenzmenge (= Milchlieferrechte) um ein vom Grund und Boden abgespaltenes immaterielles Wirtschaftsgut. Der Buchwert der Milchlieferrechte ist deshalb nach Maßgabe der Gesamtwertmethode von dem nach § 55 Abs. 1 EStG zum festgestellten Wert des Grund und Bodens abzuspalten. Die Aufteilung des Buchwerts ist mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der MGV zum , aber grundsätzlich bezogen auf das Wertverhältnis zum Stichtag vorzunehmen. Der zu diesem Stichtag festgestellte Wert des Grund und Bodens ist danach im selben Verhältnis aufzuteilen, in dem sich die Marktpreise für die Milchlieferrechte einerseits und für den „nackten” Grund und Boden andererseits nach Entstehung des Wirtschaftsguts Milchlieferrecht gegenüberstehen. Da die Ermittlung der Marktpreise mit erheblichen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten verbunden ist, sind die Marktpreise ggf. zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Markt —in Form von Kauf- oder Pachtpreisen— erst allmählich bilden konnte, weil die Milchlieferrechte erst sehr viel später als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut wirtschaftlich in Erscheinung traten und als solches anerkannt wurden. Zudem war dieser Markt wenig transparent (vgl. Senatsurteil vom IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64, m.w.N.).
21b) Da eine exakte Ermittlung des Werts des Grund und Bodens und der Milchlieferrechte zum Zeitpunkt der Einführung der Milchreferenzmenge faktisch nicht möglich war, hat das FA von der ihm gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eingeräumten Schätzungsbefugnis Gebrauch gemacht. Dabei hat es sich an dem umfangreichen BMF-Schreiben zur Bewertung der im Zusammenhang mit dem land- und forstwirtschaftlichen Grund und Boden stehenden Milchlieferrechte in BStBl I 2003, 78 orientiert. Nach Tz. 8 des BMF-Schreibens kann zur Ermittlung des Teilwerts des „nackten” Grund und Bodens z.B. auf Bodenrichtwerte nach § 196 des Baugesetzbuchs oder Werte aus Kaufpreissammlungen oder –statistiken zum letzten vor der Einführung der MGV liegenden Stichtag zurückgegriffen werden. Von diesen Werten kann zur Berücksichtigung von Unsicherheiten ein Abschlag von 10 % gemacht werden. Der Wert des Milchlieferrechts soll zu dem Stichtag gemäß Tz. 12 mit 0,80 DM/kg angenommen werden. Dieser Wert ist aus der ersten Milchaufgabevergütung nach dem Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt (MAVG) vom (BGBl I 1984, 942) abgeleitet worden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 MAVG war die Zahlung einer Vergütung von 1.000 DM je 1 000 kg Milch in zehn gleichen Jahresraten möglich, was einem gerundeten abgezinsten Betrag von 0,80 DM/kg entsprach. Diese Werte sind sodann gemäß Tz. 17 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 78 in eine Formel einzustellen, die eine flurstücksbezogene Berechnung der Buchwertabspaltung nach der Gesamtwertmethode ermöglicht. Alternativ zu der flurstücksbezogenen Berechnung sieht das BMF-Schreiben in Tz. 18 eine vereinfachte betriebsbezogene Berechnung vor.
22Das FA hat seiner Schätzung die zuvor dargelegte flurstücksbezogene Berechnung zu Grunde gelegt. Dabei hat es den Wert des „nackten” Grund und Bodens in Höhe von 19.100 DM/ha anhand der örtlichen Kaufpreisstatistik aus Durchschnittspreisen des Jahres 1984 ermittelt, welche auf Verkäufen in der Region des klägerischen Hofes beruhen. Anschließend hat es den Verkaufspreis um 10 % gemindert und den Wert des „nackten” Grund und Bodens in Höhe von 17.190 DM/ha in die Berechnungsformel eingestellt.
23c) Diese flurstücksbezogene Schätzung des Buchwerts der Milchlieferrechte, insbesondere die im Wege der Schätzung erfolgte Ermittlung des Werts des „nackten” Grund und Bodens zum hat sich das FG zu Eigen gemacht. Im finanzgerichtlichen Verfahren gibt § 96 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis. Bei der Schätzung selbst und insbesondere auch bei der Frage, welche Schätzungsmethode dem Ziel am besten gerecht wird, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen, handelt es sich grundsätzlich um Tatsachenfeststellungen des FG. Das Revisionsgericht ist daran nach Maßgabe des § 118 Abs. 2 FGO gebunden, d.h., es prüft lediglich auf Rechtsverstoß, insbesondere auf Verstoß gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze, sofern nicht in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des FG zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (vgl. Senatsurteil vom IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416, m.w.N.).
24Davon ausgehend hält die Schätzung des FG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das FG ist, ohne dies näher auszuführen, ersichtlich davon ausgegangen, dass der in die Formel (Tz. 17 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 78) einzustellende Wertansatz der Milchlieferrechte zum in Höhe von 0,80 DM/kg Milch (Tz. 12) zu einer sachgerechten Schätzung des Buchwerts der Milchlieferrechte zum führt. Dieser Wertansatz steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Auch der Senat geht davon aus, dass diese im Einzelnen in Tz. 12 des BMF-Schreibens erläuterte Schätzung des Werts der Milchlieferrechte zum auf zutreffenden Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruht und von daher nicht zu beanstanden ist. Bei der Ermittlung des Werts des „nackten” Grund und Bodens zum ist Ausgangspunkt der Überprüfung zunächst, dass eine wirklichkeitsgerechte Schätzung bereits auf Grund des Zeitablaufs mit hohen Unwägbarkeiten verbunden ist. Eine Ermittlung des konkreten Verkehrswerts jedes einzelnen Grundstücks ist, was die Kläger selber einräumen, praktisch und auch verwaltungstechnisch nicht umsetzbar gewesen. Hinzu kommt, dass sich ein Markt für die Milchlieferrechte nach deren Einführung erst allmählich hat bilden können und sie daher auch erst sehr viel später als eigenständige immaterielle Wirtschaftsgüter in Erscheinung getreten sind. Zudem gilt bzw. galt der Markt als wenig transparent (vgl. dazu Senatsurteil vom IV R 64/98, BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61). Angesichts dieser erheblichen praktischen Schwierigkeiten hat der Senat bereits in dem Urteil vom IV R 37/02 (BFH/NV 2003, 1403) ausgeführt, dass mit dem umfangreichen BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78 die Grundsätze zur Buchwertabspaltung praktisch umgesetzt worden sind. Dem Senat ist bewusst, dass die dort niedergelegten Berechnungsmodalitäten in ihrer Pauschalität nicht jedes einzelne Grundstück einer zutreffenden Bewertung zuführen. Die nicht zielgenaue Einzelfallbeurteilung ist jedoch jeder Pauschalierung immanent. Sie ist jedenfalls dann hinzunehmen, wenn sie nicht im Einzelfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.
25Vor diesem Hintergrund hält der Senat die vom FG vorgenommene Schätzung des Werts des „nackten” Grund und Bodens für sachgerecht. Das FG hat dem FA folgend unter Heranziehung der regional durchgeführten Grundstücksverkäufe im Jahr 1984 einen Bodenverkehrswert der streitigen Grundstücke in Höhe von 19.100 DM/ha angenommen. Soweit das FG ebenfalls dem FA folgend von diesen so ermittelten Grundstückswerten zur Ermittlung des Werts des „nackten” Grund und Bodens lediglich 10 % abgezogen hat, bewegt es sich ebenfalls noch im vertretbaren Schätzungsrahmen. Dabei geht das FG, ebenso wie die Kläger, davon aus, dass die Kaufpreissammlungen 1984 nicht den exakten Wert des „nackten” Grund und Bodens widerspiegeln. Denn zu diesem Zeitpunkt haben die Kaufvertragsparteien bei Vertragsabschluss nicht daran gedacht, dass die Milchlieferrechte möglicherweise einen eigenen Wert repräsentieren könnten. Dies lässt es erforderlich erscheinen, einen Abschlag bei den aus den Kaufpreissammlungen 1984 abgeleiteten Verkehrswerten zu machen. Für die Ermittlung der Höhe der Abschläge ist es indes nicht zwingend, anders als die Kläger meinen, an den geschätzten Wert der in 1984 ermittelten, regional durchschnittlichen Milchquoten (im Streitfall von 4 400 kg/ha) anzuknüpfen. Letzterer Schätzung liegt die Annahme zu Grunde, dass der Grundstückswert nach der Einführung der Milchlieferrechte um den diesen beizumessenden Wert zum Zeitpunkt ihrer Einführung gesunken sei. Diese Annahme begegnet aber schon deshalb Zweifeln, weil der Wert der landwirtschaftlichen Flächen auch maßgeblich davon abhängt, ob sie mit oder ohne Milchproduktion noch rentabel bewirtschaftet werden können. Ein möglicher Wertverlust beim Wirtschaftsgut „nackter” Grund und Boden muss daher nicht stets dem tatsächlichen Wertzuwachs beim Wirtschaftsgut Milchliefermenge entsprechen (Senatsurteile in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61, und in BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64). Dass die von den Klägern gewünschte Wertermittlung eine größere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat, lässt sich weder dem Vorbringen der Kläger noch sonstigen vom FG festgestellten Umständen entnehmen.
26Der Senat teilt im Übrigen auch nicht die Auffassung der Kläger, das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78 sei dahin zu verstehen, dass die Werte laut Kaufpreissammlungen zunächst um einen Unsicherheitsabschlag in Höhe von 10 % zu bereinigen seien und erst danach ein Abschlag für die in den Kaufpreissammlungen enthaltenen Werte für die mitbezahlten Milchlieferrechte vorzunehmen sei. Der Wortlaut in Tz. 8 des BMF-Schreibens sowie die weiteren Ausführungen in Tz. 17 zur flurstücksbezogenen Berechnung der Buchwertabspaltung lassen eine derartige Auslegung nicht zu. Darauf kommt es im Übrigen auch schon deshalb nicht an, weil dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis zusteht. Mangels Rechtsnormqualität ist das FG an die in einem Verwaltungserlass niedergelegte Schätzungsmethode nicht gebunden. Letztere Ausführungen gelten gleichermaßen für die Anweisung der .
272. Der Senat kann auf Grund der Feststellungen des FG aber nicht beurteilen, ob die Kläger nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf die von ihnen gewünschte Wertermittlungsmethode haben.
28a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, dass allgemeine Verwaltungsanweisungen, die Schätzungen zum Inhalt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Den Finanzbehörden ist es danach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe abzulehnen (, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752, m.w.N.). Der Steuerpflichtige hat einen auch vor den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden, es sei denn, dass die Anwendung der allgemeinen Schätzungsrichtlinie im Einzelfall offensichtlich zu unzutreffenden Ergebnissen führt (Senatsurteil vom IV R 56/82, BFH/NV 1986, 664, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der BFH hat allerdings in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass die Steuergerichte nur an Gesetz und Recht gebunden sind und deshalb allgemeine Verwaltungsanweisungen nicht in gleicher Weise wie Gesetze handhaben, insbesondere nach den dafür maßgeblichen Kriterien auslegen dürfen. Vielmehr können die Steuergerichte nur unterbinden, dass die Finanzverwaltung in Einzelfällen, „die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden”, willkürlich, d.h. ohne zwingende Sachgründe, die Anwendung der Verwaltungsanweisung ablehnt.
29b) Davon ausgehend ist im Streitfall nicht ausgeschlossen, dass die Kläger auf Grund einer bestehenden Weisungslage im Bezirk der OFD Kiel einen Anspruch auf die von ihnen gewünschte Wertermittlung haben. Ausweislich des vom FG in Bezug genommenen Schreibens vom an den Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren hat die OFD Kiel nach Rücksprache mit dem Finanzministerium die Finanzämter mit Verfügung vom selben Tag u.a. wie folgt angewiesen bzw. informiert: „Anstelle des im BMF-Schreiben vorgegebenen Abschlags von 10 v.H. können im Wege einer sachgerechten Schätzung auch regionale Besonderheiten, bspw. die regionale Quotenintensität, berücksichtigt werden. Danach kann der Wert des 'nackten' Grund und Bodens in der Weise ermittelt werden, dass von den regional zu ermittelnden durchschnittlichen Flächenwerten eine ebenfalls regional zu ermittelnde durchschnittliche Milchquote abgezogen wird.…Insoweit sind die Amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen gefragt, ...”
30Den vom FG in Bezug genommenen Berechnungsunterlagen des FA ist zu entnehmen, dass der Amtliche landwirtschaftliche Sachverständige (AlS) für die in Streit stehenden Grundstücke, ausgehend von einer Milchquote von 4 400 kg/ha, einen Wert des „nackten” Grund und Bodens in Höhe von 15.580 DM/ha ermittelt hat (19.100 DM/ha ./. 4 400 kg/ha x 0,80 DM/kg = 15.580 DM/ha).
31Sollte eine dem entsprechende Weisungslage bestanden haben und sollte diese Anweisung in den Finanzämtern im Bezirk der OFD Kiel in Zusammenarbeit mit den AlS auch entsprechend umgesetzt worden sein, worauf die im Revisionsverfahren eingereichten umfänglichen Unterlagen hindeuten, könnte den Klägern die von ihnen gewünschte Wertermittlung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verwehrt werden. Dem stünde in diesem Fall auch nicht entgegen, dass das FA, wie es ausweislich des Protokolls über die Besprechung am gegenüber dem damaligen Steuerberater der Kläger ausgeführt hat, die vereinfachte Verfahrensweise zur Wertermittlung des „nackten” Grund und Bodens nur dann hat anwenden wollen, wenn gegen diese Wertermittlung kein Rechtsbehelfsverfahren geführt wird. Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass sie sich mit ihren Einwendungen nicht gegen die Wertermittlung, sondern gegen die davon gesondert zu beurteilende Rechtsfrage des Anwendungsbereichs des § 55 Abs. 6 EStG gewandt haben. Der Vorbehalt des FA käme daher im Streitfall nicht zum Tragen.
32Im Übrigen hätte der Senat erhebliche Bedenken, ob die Abweichung von der Anweisung auf einem zwingenden sachlichen Grund beruht hätte. Das FA hat nämlich die vereinfachte Verfahrensweise nicht in Gänze abgelehnt, sondern durch die Anwendung des 10 %-Abschlags die für die Kläger im Streitfall ungünstigere vereinfachte Wertermittlung vorgenommen. Will das FA aber auf Grund des avisierten Rechtsbehelfsverfahrens die vereinfachte Wertermittlung ablehnen, muss es im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht zunächst versuchen, die tatsächlichen individuellen Grundstückswerte zu ermitteln.
333. Zutreffend hat das FG indes ausgeführt, dass die Verlustausschlussklausel gemäß § 55 Abs. 6 EStG flurstücksbezogen anzuwenden ist. D.h., der dem einzelnen Grundstück flächenanteilig zuzuordnende Erlös aus der Veräußerung bzw. Entnahme der Milchlieferrechte ist dem von diesem Grundstück abgespaltenen Buchwert für das Milchlieferrecht gegenüberzustellen.
34Nach § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG dürfen Verluste, die bei der Veräußerung von Grund und Boden i.S. von § 55 Abs. 1 EStG entstehen, bei der Ermittlung des Gewinns in Höhe des Betrags nicht berücksichtigt werden, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten unter dem Zweifachen des Ausgangsbetrags liegt. Bei der Einführung des in § 55 Abs. 6 EStG vorgesehenen Verlustabzugsverbots ist der Gesetzgeber notwendig noch davon ausgegangen, dass sich die Möglichkeit der Milcherzeugung wie im Ausgangswert, so auch im Kaufpreis für den Grund und Boden niederschlägt. Da dies nach Einführung der Milchlieferrechte nicht mehr gewährleistet ist, enthält § 55 Abs. 6 EStG nunmehr eine (verdeckte) Regelungslücke, die im Sinne des Gesetzgebers entsprechend dem Zweck des § 55 Abs. 6 EStG geschlossen werden muss. Danach kann, wer Grund und Boden samt der zugehörigen Milchreferenzmenge veräußert, steuerlich nicht schlechter gestellt sein als vor Einführung der Milchreferenzmenge. Dies gebietet, die auf den Grund und Boden und die Referenzmenge entfallenden Kaufpreisanteile zusammenzuzählen und den gewonnenen Betrag dem doppelten Ausgangswert des § 55 Abs. 1 EStG gegenüberzustellen. Ergibt sich dabei ein Verlust, muss er nach § 55 Abs. 6 EStG bei der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns außer Betracht bleiben (, BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54, und IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56).
35Die den Senatsurteilen in BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54 und in BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56 zu Grunde liegende sog. Einheitsbetrachtung hat der Senat dahin fortentwickelt, dass sich, wie oben unter II.1. dargelegt, dem Surrogationsgedanken folgend die auf den ursprünglich angeschafften Grund und Boden entfallenden Anschaffungskosten teilweise in dem abgespalteten Vermögensgegenstand Milchlieferrechte fortsetzen (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61). Der auf das abgespaltene Milchlieferrecht entfallende Buchwert ist, wie ebenfalls oben unter II.1.a dargelegt, nach der Gesamtwertmethode zu ermitteln. Da jedes einzelne Grundstück ein eigenes Wirtschaftsgut ist, muss die Abspaltung grundsätzlich flurstücksbezogen erfolgen. Dem hat das BMF mit der flurstücksbezogenen Berechnung in Tz. 18 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 78 auch zutreffend Rechnung getragen. Lediglich rechnerisch können Grundstücke mit gleichem Ausgangswert in § 55 Abs. 1 EStG und gleichem Teilwert am zusammengefasst werden. Nur in diesem Sinne sind auch die Ausführungen in dem Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64 zu verstehen, soweit dort zur Verdeutlichung der Gesamtwertmethode von dem Pauschalwert des Wirtschaftsguts Grund und Boden die Rede ist, welcher zu dem Wert der Milchlieferrechte ins Verhältnis gesetzt werden muss. Wie der Senat bereits in dem Urteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61 ausgeführt hat, ist die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG lediglich eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG. Die Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG erfolgt aber ebenso wie die Abspaltung des Werts für die Milchlieferrechte stets flurstücksbezogen. Diese flurstücksbezogene Wertermittlung muss deshalb konsequenterweise auch bei der Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG beachtet werden. Dem steht nicht entgegen, dass sich sämtliche Abspaltungsbeträge quasi in einem Wirtschaftsgut vereinen, da die Milchlieferrechte anders als der Grund und Boden nur ein Wirtschaftsgut darstellen. Die von den Klägern begehrte Einheitsbetrachtung würde die enge Verknüpfung von § 55 Abs. 1 und Abs. 6 EStG negieren. Auch könnte sie, worauf das FA zutreffend hinweist, im Einzelfall dazu führen, dass der Steuerpflichtige hinsichtlich der Verlustausgleichsbeschränkung besser gestellt wäre als vor der Einführung der Milchlieferechte. Ein solches Ergebnis wäre mit der vom Senat angenommenen lückenfüllenden Auslegung des § 55 Abs. 6 EStG nicht vereinbar.
36Der flurstücksbezogenen Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG steht auch nicht entgegen, dass die Beteiligten wegen der Vielzahl der zu bewertenden Grundstücke ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung der „Bruttoverkehrswerte” gewählt haben. Insoweit übersehen die Kläger, dass die Grundstücksbewertung ebenso wie die Bewertung des davon abzuspaltenden Buchwerts für das Milchlieferrecht ungeachtet etwaiger schätzungsbedingter Ungenauigkeiten flurstücksbezogen erfolgt ist.
37Abschließend weist der Senat darauf hin, dass er auch den Ausführungen in Tz. 29 und 32 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 78 keine andere Rechtsauffassung entnehmen kann; abgesehen davon, dass das Gericht, was die Kläger selber einräumen, an eine andere Rechtsauffassung der Verwaltung nicht gebunden wäre.
384. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird noch Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Kläger nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf die von ihnen begehrte Ermittlung des Buchwerts der Milchquote haben (dazu oben unter II.2.). Sollte dies der Fall sein, würden sich unter Heranziehung der Berechnungsformel ein höherer Buchwert der Milchlieferrechte und damit ein um den Erhöhungsbetrag niedrigerer Aufgabegewinn ergeben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 210
BB 2010 S. 2752 Nr. 45
BFH/NV 2010 S. 2329 Nr. 12
BFH/PR 2011 S. 18 Nr. 1
BStBl II 2011 S. 210 Nr. 4
DB 2010 S. 2311 Nr. 42
DStRE 2010 S. 1446 Nr. 23
EStB 2010 S. 403 Nr. 11
HFR 2010 S. 1314 Nr. 12
KÖSDI 2010 S. 17179 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2010 S. 3434
StB 2010 S. 419 Nr. 12
StBW 2010 S. 961 Nr. 21
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2010 S. 833
SAAAD-53900