Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Arnsberg, I-6 T 56/10 vom LG Arnsberg, I-6 T 5510 vom AG Brilon, 8 C 185/07 vom
Gründe
I. Die Kläger haben vom Beklagten Schadensersatz wegen Lieferung einer mangelhaften Küche beansprucht; der Beklagte hat widerklagend die Zahlung des restlichen Kaufpreises für die von ihm gelieferte Küche beansprucht. Das Amtsgericht hat der Klage unter Abweisung der weitergehenden Klage und der Widerklage durch Urteil vom teilweise stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits und des zuvor durchgeführten selbstständigen Beweisverfahrens hat es dabei den Klägern zu 28 Prozent und dem Beklagten zu 72 Prozent auferlegt. Hierauf gestützt haben die Parteien Kostenausgleichung beantragt, wobei die Kläger die nach einem Streitwert von 7.280 € bemessene Verfahrensgebühr für das selbstständige Beweisverfahren ungekürzt mit dem 1,6-fachen Satz gemäß Nr. 3100, 1008 VV RVG, also mit 659,20 €, in Ansatz gebracht haben.
Das Amtsgericht hat die Kosten im Verhältnis des Beklagten zu den beiden Klägern jeweils gesondert ausgeglichen und die von dem Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf jeweils 590,05 € nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat es die durch ein vorprozessuales Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Kläger angefallene Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die zur Ausgleichung angemeldete Verfahrensgebühr für das selbstständige Beweisverfahren angerechnet und die Verfahrensgebühr - jeweils hälftig auf die Kläger verteilt - nur mit dem 0,85-fachen Satz in Ansatz gebracht. Deren mit dem Ziel, die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr zu beseitigen, eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Landgericht insoweit zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Berücksichtigung einer ungekürzten 1,6-fachen Verfahrensgebühr und demgemäß der Festsetzung eines Betrages von insgesamt jeweils 722,43 € weiter.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 575 ZPO) hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht ist mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass es nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu einer Kürzung der von der Beklagten angesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG kommen müsse, weil § 15a RVG nicht auf Altfälle anwendbar sei. Denn bei dieser Bestimmung handele es sich nicht lediglich um eine Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage, sondern um eine Gesetzesänderung, die die Frage der Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr neu geregelt habe. Dies falle nach dem klaren Gesetzeswortlaut unter die Übergangsvorschrift des § 60 RVG, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen sei, wenn - wie hier - der unbedingte Auftrag zur Klage vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden sei. Wenn der Gesetzgeber die Absicht gehabt hätte, den neu eingefügten § 15a RVG von der Geltung des § 60 RVG auszunehmen, hätte es nahe gelegen, dies klarzustellen.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Rechtsbeschwerde macht zutreffend geltend, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Parteien in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie nunmehr in § 15a RVG beschrieben ist, der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am in Kraft getreten ist.
a) Die Frage, ob sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vermindert, war bislang umstritten und ist auch nach Einfügung des § 15a RVG umstritten geblieben, soweit es den zeitlichen Geltungsbereich dieser Anrechnungsvorschrift betrifft. Dessen Absatz 1 bestimmt zur Anrechnung einer Gebühr, dass in Fällen, in denen das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern kann, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Absatz 2 sieht vor, dass ein Dritter sich auf die Anrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
b) Der Senat hat bis zum Erlass des § 15a RVG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr vermindert und dass es für die Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist oder nicht. Dieser im Senatsbeschluss vom (VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Rn. 6 ff.) näher ausgeführten Sichtweise, der insbesondere mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs gefolgt sind, hat sich der II. Zivilsenat des , NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.), nicht anzuschließen vermocht, seine Bedenken jedoch nicht näher ausgeführt, weil er den zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren angewandt wissen will. Dies hat er damit begründet, dass der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 15a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor dessen Einfügung bestehende Rechtslage klargestellt habe, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirke, sondern nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betreffe. Dieser Sichtweise, der sich mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs angeschlossen haben, ist auch der Senat durch Beschluss vom (VIII ZB 15/10, zur Veröffentlichung vorgesehen) zur Vermeidung eines der Sache nicht angemessenen Vorgehens nach § 132 GVG beigetreten.
Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist und eine obsiegende Prozesspartei mithin die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.
3. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für das selbstständige Beweisverfahren nicht mit dem 1,6-fachen Satz, sondern durch die Anrechnung von insgesamt 309 € um 154,50 € je Kläger gekürzt in Ansatz gebracht hat. Im Ergebnis kann jeder der Kläger deshalb die Festsetzung eines weiteren Betrages von 132,38 € beanspruchen (154,50 € netto = 183,86 € brutto x 72 %). Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden.
Fundstelle(n):
QAAAD-53487