Betriebsübergang - fehlende Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung - Treuwidrigkeit des Widerspruchs
Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB
Instanzenzug: Az: 7 Ca 18543/06 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 8 Sa 1157/07 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses weiterhin ein Arbeitsverhältnis besteht und über Zahlungsansprüche des Klägers.
2Der Kläger war seit dem bei der Beklagten im Bereich des Personalwesens beschäftigt. Zum wurde er in das Geschäftsgebiet „Com MD (Mobile Devices)“ versetzt und war dort „Leiter Arbeitsrecht“. Sein zuletzt bei der Beklagten verdientes monatliches Grundgehalt betrug 6.493,00 Euro brutto.
3Der Kläger war Mitglied des sog. „Carve-Out-Projektteams Personal“, das im Zuge der Ausgliederung des Geschäftsbereiches Com MD gegründet worden war. Zu den Aufgaben dieses Teams gehörte ua. die Erstellung eines Informationsschreibens an die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Com MD über den geplanten Betriebsübergang. Im Teilprojekt Human Resources (HR) war der Kläger Mitglied verschiedener Teilprojekte und dabei deren Leitern unterstellt, die wiederum ihrerseits verschiedenen Vorgesetzten zu berichten hatten. Der Kläger hat sowohl an der Formulierung als auch an der inhaltlichen Gestaltung des von der Beklagten zum Betriebsübergang allgemein versandten Informationsschreibens mitgewirkt. Bei den Akten befindet sich ein von der Beklagten vorgelegter E-Mail-Schriftverkehr; danach gehörte es zu den Aufgaben des Klägers, das Informationsschreiben sprachlich zu überarbeiten und zu verbessern. Der Kläger war aber nicht derjenige, der das Informationsschreiben letztendlich freigab.
4Aufgrund eines Vertrages vom mit der BenQ Corporation (Sitz in Taiwan) übertrug die Beklagte mit Wirkung vom die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereiches in Deutschland im Wege der Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile OHG). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Gesellschafter waren die BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH. Am wurde die BenQ Mobile OHG in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen. Die beiden Gesellschafter der BenQ Mobile OHG verfügten über ein Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögensgegenstände von der Beklagten auf die BenQ Mobile OHG zahlte die Beklagte an die BenQ Corporation einen dreistelligen Millionenbetrag.
Die Beklagte informierte mit dem ua. durch die Mitarbeit des Klägers entstandenen Informationsschreiben vom die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches „Com MD“ über die „Übertragung der Aktivitäten“ dieses „Geschäftsgebietes“. Auch der Kläger wurde unter dem informiert, allerdings mit einem in den Einzelheiten leicht abgewandelten Unterrichtungsschreiben. Dieses lautet:
6Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile OHG zunächst nicht und arbeitete für diese ab dem weiter. Im Januar 2006 erhielt er Handlungsvollmacht. Im Rahmen seiner Tätigkeit in der Abteilung HR schloss er als Vertreter der Betriebserwerberin mehrere Betriebsvereinbarungen/Gesamtbetriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat und dem Gesamtbetriebsrat ab.
7Nach Antrag vom wurde zum das Insolvenzverfahren über das Vermögen der BenQ Mobile OHG eröffnet. Für Oktober 2006 bis Dezember 2006 erhielt der Kläger Insolvenzgeld iHv. 14.416,20 Euro netto. Er widersprach gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile OHG. Dabei stellte er der Beklagten ausdrücklich seine Arbeitskraft zur Verfügung und verlangte seine Weiterbeschäftigung.
8Der Kläger meint, er sei auch noch im November 2006 berechtigt gewesen, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB durch die Unterrichtung der Beklagten über den Betriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. Diese Unterrichtung habe nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen.
9Wegen des infolge seines Widerspruchs fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zur Beklagten hafte diese unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges - hilfsweise des Schadensersatzes - auch für die Vergütungsansprüche des Klägers in der Zeit vom bis . Unter Berücksichtigung des Grundgehalts, von Gehaltserhöhungen nach den Bedingungen des EFA-Gehaltssystems, der variablen Vergütung sowie des Bonus für das Geschäftsjahr 2005/2006 (durchschnittliche Zielerreichung 177,40 %) ergebe sich ein Gesamtvergütungsanspruch des Klägers iHv. 160.749,75 Euro brutto. Davon sei das von der BenQ Mobile OHG bezogene Gehalt iHv. 79.440,00 Euro brutto abzuziehen, sodass noch Restgehaltsansprüche iHv. 81.309,75 Euro brutto bestünden. Gegen diese sei das erhaltene Insolvenzgeld iHv. 14.416,20 Euro netto zu verrechnen.
Der Kläger hat beantragt,
11Zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung hat die Beklagte die Ansicht vertreten, den Kläger mit Schreiben vom ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den beabsichtigten Betriebsübergang unterrichtet zu haben. Daher sei sein Widerspruch wegen Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist verspätet. Außerdem sei das Recht des Klägers zum Widerspruch verwirkt. Darüber hinaus stelle sich gerade der vom Kläger erhobene Widerspruch als treuwidrig dar, da er an der Erarbeitung des fehlerhaften Informationsschreibens selbst beteiligt gewesen sei. Ansprüche aus Annahmeverzug bestünden schon dem Grunde nach nicht, da der Kläger seine Arbeitskraft nicht bei der Beklagten angeboten habe, jedenfalls nicht vor Zugang seines Widerspruchsschreibens. Die Gehaltsentwicklung des Klägers bei der BenQ Mobile OHG sei für etwaige Annahmeverzugsansprüche nicht maßgeblich. Eine Gehaltserhöhung zum habe dem Kläger bei der Beklagten nicht zugestanden. Ebenso habe er keinen Bonusanspruch für das Geschäftsjahr 2005/2006; ein solcher sei jedenfalls nicht auf der Grundlage einer „Zielerreichung“ iHv. 177,40 % zu berechnen.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben, die Zahlungsklage jedoch abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, Annahmeverzugslohn für die Zeit ab Zugang des Widerspruchsschreibens bis zu zahlen. Im Übrigen blieben die Berufungen beider Parteien ohne Erfolg. Mit seiner Revision will der Kläger auch die restlichen Zahlungsansprüche durchsetzen, wogegen die Revision der Beklagten auf die Abweisung der Klage insgesamt abzielt.
Gründe
13Die zulässigen Revisionen der Parteien sind zum Teil begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts ist zum Teil aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
14Die Revision der Beklagten ist im Übrigen unbegründet. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses besteht zwischen den Parteien auch ab dem ein Arbeitsverhältnis. Sein Recht zum Widerspruch hat der Kläger weder verwirkt noch stellt sich sein Widerspruch nach allgemeinen Grundsätzen als treuwidrig dar. Die Revision des Klägers ist daher begründet. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann sein Widerspruch auf Annahmeverzugslohn ab dem nicht mehr mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden. Die Höhe der Ansprüche des Klägers ist vom Berufungsgericht noch zu ermitteln.
15A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
16Das Informationsschreiben der Beklagten vom erfülle nicht die Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Es fehlten Informationen über den „negativen Kaufpreis“ und zur Abspaltung erheblichen Betriebsvermögens. Daher habe der Kläger auch noch im November 2006 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin widersprechen können. Der Kläger habe sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt, da es jedenfalls am Umstandsmoment fehle. Die bloße Weiterarbeit stelle keinen ausreichenden Umstand dar. Dass der Kläger von der Betriebserwerberin Handlungsvollmacht erhalten und Betriebsvereinbarungen abgeschlossen habe, gehöre zu den üblichen Bestandteilen der Funktion, die der Kläger auszufüllen habe. Ein unzulässiger kollektiver Massenwiderspruch liege nicht vor. Auch durch eine Mitwirkung des Klägers an der Erstellung des fehlerhaften Informationsschreibens ergebe sich nicht, dass der Kläger sich nur treuwidrig auf eben diese Fehler berufen könne. Der Kläger sei weder in verantwortlicher Position an der Erstellung und Freigabe des Informationsschreibens beteiligt gewesen noch habe er auch nur fahrlässige Unkenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Schreibens gehabt. Dies ergebe sich aus seiner Position innerhalb des Carve-Out-Teams. Zudem sei der Kläger erst zum zu Com MD gewechselt, die entscheidenden Verträge von Siemens mit BenQ seien aber schon am geschlossen worden. Der Kläger habe also weder den Informationsstand der Beklagten gehabt noch habe diese konkret vorgetragen, was er habe erfragen müssen.
17Ab dem Zugang seines Widerspruchsschreibens bei der Beklagten könne der Kläger Zahlungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gegen sie geltend machen. Denn im Widerspruchsschreiben habe er seine Arbeitskraft wörtlich angeboten, was ausreiche, da die Beklagte im Informationsschreiben die Leistung des Klägers ab bereits abgelehnt habe. Die Beklagte habe die geltend gemachten Gehaltsansprüche der Höhe nach nicht substanziiert bestritten. Da somit von der Geltung des EFA-Gehaltssystems sowohl bei der Beklagten als auch bei der Betriebserwerberin auszugehen sei, habe der Kläger die Höhe des Anspruchs für die Zeit vom bis zum nachvollziehbar dargestellt. In Ermangelung eines wörtlichen Angebotes stünden dem Kläger jedoch für die Zeit vor dem Zugang seines Widerspruchsschreibens Annahmeverzugslohnansprüche nicht zu.
18B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
19I. Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen nicht begründet.
201. Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seines Widerspruchs nicht zum auf die BenQ Mobile OHG übergegangen ist, sondern mit der Beklagten über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, ist begründet.
21a) In einer Reihe von gleichgelagerten Fällen hat der Senat entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom über den beabsichtigten Betriebsteilübergang auf BenQ Mobile OHG den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht genügt ( - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).
22b) Die unzulängliche Unterrichtung durch die Beklagte hatte die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) nicht in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 808/07 - mwN, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105).
23c) Der Kläger hat sein Recht zum Widerspruch im Zeitpunkt seiner Ausübung am nicht verwirkt.
24aa) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl. - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Das Berufungsurteil ist vom Revisionsgericht jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird ( - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).
25bb) Es kann dahinstehen, ob bei der Erklärung des Widerspruchs am das Zeitmoment bereits erfüllt war. Jedenfalls fehlt es am Umstandsmoment, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat.
26Könnte allein die widerspruchslose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber ein Umstandsmoment für die Verwirkung darstellen, so würde das Ziel, falsch unterrichteten Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht zu erhalten, unterlaufen (Senat - 8 AZR 755/07 - Rn. 43, AP BGB § 613a Nr. 349 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 94). Davon ist rechtsfehlerfrei auch das Landesarbeitsgericht im Falle des Klägers ausgegangen. Bei der Beklagten war der Kläger vor seinem Wechsel zu Com MD am Personalleiter im Bereich ICM und Com. Bei Com MD war er Leiter Arbeitsrecht. Dass er als solcher von der Betriebserwerberin Handlungsvollmacht bekam und am Abschluss von Betriebsvereinbarungen oder Gesamtbetriebsvereinbarungen beteiligt war, entspricht seiner Funktion, wie schon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat.
272. Dass das Landesarbeitsgericht den Widerspruch des Klägers nicht nach allgemeinen Grundsätzen als treuwidrig befunden hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
28a) Die Auffassung der Beklagten, der Kläger könne sich nicht ohne Verstoß gegen § 242 BGB auf die Fehler des Informationsschreibens berufen, an dessen Erstellung er „maßgeblich“ beteiligt gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Es ist bereits nach dem Vorbringen der Beklagten unklar, welchen Anteil der Kläger an der Erarbeitung des Informationsschreibens gehabt haben soll. Einerseits soll es zu seinen Aufgaben gehört haben, das Informationsschreiben „sprachlich“ zu überarbeiten und zu verbessern. Andererseits soll er sich in einer „beratenden Funktion“ befunden und dadurch auch „eine Verantwortung“ gehabt haben. „Ebenso wenig wie ein Rechtsanwalt gegenüber seinen Mandanten“ soll er sich nunmehr gegenüber der Beklagten nicht darauf berufen können, nicht über die nötigen Informationen verfügt zu haben. Diese hätte er erfragen müssen.
29b) Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler den Tatsachenstoff dahingehend gewürdigt, dass dem Kläger nur wenig Verantwortung für das Informationsschreiben vom zukommt.
30Zu Recht haben die Berufungsrichter auf das Organigramm zur Projektstruktur verwiesen, aus dem sich ergibt, dass „HR“ nur ein Teilprojekt der BenQ-Überleitung war, die wesentlichen wirtschaftlichen Absprachen schon vor dem Wechsel des Klägers nach Com MD getroffen worden waren und dass der Kläger innerhalb des Teilprojekts HR nur auf der vierten und damit letzten Ebene tätig war. Aus dem von der Beklagten vorgelegten E-Mail-Schriftverkehr ergibt sich zudem, dass der Kläger für den „unternehmerischen Hintergrund“ auf eine Pressemitteilung zurückgreifen musste und sich dafür ausgesprochen hat, „reinen Wein“ einzuschenken.
31Unstrittig ist der Kläger Arbeitnehmer und als solcher an die Weisungen der Beklagten gebunden. Für die Freigabe des Informationsschreibens war er nicht verantwortlich. Die Beklagte hat weder allgemein noch im Einzelnen substanziiert vorgetragen, dass der Kläger bei der Mitarbeit an den Informationsschreiben oder bei durch ihn erarbeiteten einzelnen Formulierungen gegen Weisungen der Beklagten oder seiner Vorgesetzten verstoßen hätte. Nur bei einer derartigen Schlechtleistung wäre aber eine Treuwidrigkeit des Widerspruchs des Klägers in Betracht zu ziehen, weil er sich dann auf Fehler beriefe, die er selbst zuvor gemacht hätte. Anhaltspunkte dafür sind jedoch dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat und wogegen die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat.
323. Der auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirkende Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den hinaus unverändert fortbesteht (st. Rspr. des Senats, vgl. - 8 AZR 305/05 - Rn. 41 mwN, BAGE 119, 91 = AP BGB § 613a Nr. 312 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 56). Ein unzulässiger Massenwiderspruch liegt ebenso wenig vor wie eine Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (Senat - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).
33II. Die Revision des Klägers ist begründet. Wegen Annahmeverzuges kann der Kläger ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs Zahlungsansprüche geltend machen (§ 615 Satz 1 BGB). Über deren Höhe wird das Landesarbeitsgericht zu befinden haben.
341. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerät der Arbeitgeber sowohl bei einer ordentlichen als auch bei einer außerordentlichen Kündigung mit Beginn des Tages in Annahmeverzug, an dem das Arbeitsverhältnis nach dem Inhalt der Kündigung enden soll, soweit der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungsbereit ist. Der Arbeitgeber kommt bei einer Verweigerung der Weiterbeschäftigung seiner Pflicht zur Zuweisung der Arbeit und zur Bereithaltung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes nicht nach. Dies ist aber eine gemäß § 296 BGB nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung, weil der Zeitpunkt durch den Ablauf der Kündigungsfrist bzw. den Zugang der Kündigung aus wichtigem Grund festgelegt ist ( - BAGE 46, 234 = AP BGB § 615 Nr. 34 = EzA BGB § 615 Nr. 43; - 2 AZR 201/84 - AP BGB § 615 Nr. 35 = EzA BGB § 615 Nr. 44).
35Diese Rechtsprechung ist auf den Streitfall übertragbar. Erklärt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wegen des Wegfalles seines Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben ist, so macht er damit deutlich, der ihm obliegenden Mitwirkungshandlung nicht nachkommen zu wollen. Er gerät damit in Annahmeverzug, ohne dass es noch eines Angebotes der Arbeitsleistung von Seiten des Arbeitnehmers bedürfte (Senat - 8 AZR 1021/06 -; - 8 AZR 1020/06 -). Vorliegend hatte die Beklagte bereits in ihrem Unterrichtungsschreiben an den Kläger vom erklärt, dass „die Com MD - Aktivitäten vollständig auf BenQ Mobile übertragen werden und damit eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Siemens AG entfallen ist“. Sie befand sich damit ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs in Annahmeverzug, eines Angebotes der Arbeitskraft durch den Kläger bedurfte es nicht.
36Die gesetzlichen Regelungen des Annahmeverzuges gehen davon aus, dass durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber nicht zwangsläufig ein Unvermögen des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung iSd. § 297 BGB eintritt, welches den Annahmeverzug ausschließt. So bestimmt § 615 Satz 2 BGB, dass sich der Dienstverpflichtete den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt. Diese Regelung führt auch dazu, Doppelansprüche des Arbeitnehmers gegen den Betriebsveräußerer und den Betriebserwerber, für welchen der Arbeitnehmer vorübergehend eine Arbeitsleistung erbracht hat, auszuschließen.
37Für die auf die Zeit ab Zugang des Widerspruchsschreibens vom bezogenen Zahlungsansprüche ergibt sich der Annahmeverzug der Beklagten aus § 295 Satz 1 BGB, da ihr der Kläger seine Arbeitsleistung in diesem Schreiben ausdrücklich angeboten hatte und die Beklagte der ihr gemäß § 295 Satz 1 2. Alt. BGB obliegenden Mitwirkungshandlung, dem Kläger nach Zugang seines Schreibens einen neuen Arbeitsplatz innerhalb der von ihr geleiteten Unternehmensorganisation zuzuweisen, nicht nachgekommen ist.
2. Die Revision der Beklagten ist allerdings insoweit erfolgreich, als das Landesarbeitsgericht mit der gegebenen Begründung nicht die Höhe des Annahmeverzugslohnes des Klägers für die Zeit vom bis auf 8.872,79 Euro brutto im Ausgangswert festsetzen durfte. Auch wenn die Beklagte die Anwendung des EFA-Gehaltssystems bei der Betriebserwerberin nicht bestritten hat, ergeben sich daraus nicht unstrittig die vom Kläger zugrunde gelegten Gehaltssteigerungen, die das Landesarbeitsgericht insoweit übernommen hat. Die Beklagte hat substanziiert auf das zuletzt bei ihr verdiente monatliche Grundgehalt von 6.493,00 Euro verwiesen. Ebenso hat sie mit Schriftsatz vom einen Bonusanspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Beides wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben, um die Höhe der Zahlungsansprüche, die dem Kläger vom bis zustehen, festzustellen. Daraus ist die Kostentragungspflicht einheitlich für den gesamten Rechtsstreit abzuleiten.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2628 Nr. 43
BB 2010 S. 3159 Nr. 51
DB 2010 S. 2288 Nr. 41
NJW 2010 S. 3743 Nr. 51
FAAAD-52967