Instanzenzug: Az: 7 Ca 153/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 7 Sa 1482/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Arbeitszeit des Klägers und über Ansprüche auf Freizeitausgleich.
2Der Kläger ist Oberfeuerwehrmann bei der Werkfeuerwehr der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der chemischen Industrie Niedersachsens Anwendung. Die Mitarbeiter der Werkfeuerwehr werden im 24-Stunden-Dienst eingesetzt. Ein 24-Stunden-Dienst enthält jeweils acht Stunden Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe. Die Einzelheiten des Schichtsystems ergeben sich aus § 5 Abschn. II des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie West(MTV), aus einer Betriebsvereinbarung zur „Umstellung auf den 24-Stunden-Schichtbetrieb für die Mitarbeiter/innen der Werkfeuerwehr und des Werkschutzes in den hannoverschen Standorten“ und aus einer mit dem Betriebsrat hierzu getroffenen Ergänzungsvereinbarung vom .
3Nach den auf dieser Grundlage erstellten Schichtplänen werden die Mitarbeiter der Werkfeuerwehr an jedem zweiten Kalendertag für einen 24-Stunden-Dienst eingeteilt. Nach jedem fünften 24-Stunden-Dienst erhalten sie eine zusätzliche Freischicht.Die Anzahl der zu erbringenden 24-Stunden-Dienste ist durch die Ergänzungsvereinbarung vom auf 139 im Kalenderjahr begrenzt. Davon sind 17 Schichten Tarifurlaub. Der Kläger hat in den Jahren 2006 und 2007 jeweils 122 Schichten geleistet.
4Seit dem findet der 24-Stunden-Dienst mit dem ausdrücklich erklärten Einverständnis der Mitarbeiter statt. Der Kläger hat sein Einverständnis zur Fortführung des 24-Stunden-Dienstes durch die Unterschrift auf einem Formular der Beklagten gegeben. In diesem heißt es, dem Kläger müsse bei Fehlen der Einwilligung ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden.
Der MTV enthält ua. folgende Regelungen zur Arbeitszeit:
6Der Kläger hat geltend gemacht, dass für die im 24-Stunden-Dienst eingesetzten Mitarbeiter der Werkfeuerwehr gem. § 5 Abschn. I MTV eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 46,5 Stunden gelte. § 5 Abschn. II MTV enthalte lediglich Regelungen über die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit. Es ergebe sich eine Verpflichtung zur Erbringung von 101,02 24-Stunden-Diensten pro Jahr. Eine über 48 Stunden hinausgehende durchschnittliche Wochenarbeitszeit verstoße jedenfalls gegen das ArbZG und die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vom . Der MTV müsse daher gesetzes- und richtlinienkonform ausgelegt werden, was eine Verpflichtung zur Erbringung von höchstens 104,28 24-Stunden-Diensten pro Jahr bedeute. Die zusätzlich erbrachten 24-Stunden-Dienste ergäben Ansprüche auf einen entsprechenden um 25 % erhöhten Freizeitausgleich.
Der Kläger hat beantragt
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und ausgeführt, § 5 Abschn. II MTV stelle eine eigenständige Regelung zum Umfang der Arbeitszeit dar. Das Schichtsystem verstoße nicht gegen Arbeitsschutzvorschriften. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Bereitschaftsruhe überhaupt als Arbeitszeit bewertet werden könne. Unabhängig davon ergebe sich die Zulässigkeit der tarifvertraglichen Arbeitszeitregelung aus § 7 Abs. 2a ArbZG.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
10Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger geschuldete Arbeitszeit weder auf 101,02 noch auf 104,28 24-Stunden-Dienste im Jahr beschränkt ist.
11I. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger muss gem. § 5 Abschn. II MTV iVm. der Ergänzungsvereinbarung vom 139 24-Stunden-Dienste abzüglich 17 Schichten Tarifurlaub im Jahr leisten. Er hat deshalb auch keinen Anspruch auf einen Freizeitausgleich.
121. Die Anträge sind insgesamt hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Feststellungsanträge sind gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Kläger begehrt die Feststellung des zeitlichen Umfangs seiner Arbeitspflicht im Arbeitsverhältnis nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen. Dabei soll sich die Feststellung auf ein Jahr, ggf. unter Berücksichtigung des Ausgleichszeitraums von zwölf Kalendermonaten (vgl. § 7 Abs. 8 ArbZG) beziehen. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde (vgl. - Rn. 23 ff., NZA 2010, 452; - 5 AZR 385/02 - Rn. 22 f., EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177).
132. Der Kläger muss nicht nur 46,5 Stunden wöchentlich gem. § 5 Abschn. I Ziff. 1 MTV arbeiten. Vielmehr enthält § 5 Abschn. II MTV für die im 24-Stunden-Dienst eingesetzten Mitarbeiter der Werkfeuerwehr eine eigenständige Arbeitszeitregelung. Durch die Festlegung von Mindestfreizeiten und zusätzlichen Freischichten wird nicht nur die Verteilung der jeweiligen Schichten, sondern auch der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit geregelt(ebenso - Rn. 22, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 10).
14a) § 5 Abschn. II MTV trifft für besondere Bereiche eine gegenüber § 5 Abschn. I MTV spezielle abschließende Regelung über die Dauer der Arbeitszeit. Die Norm stellt gegenüber den sonstigen Arbeitszeitregelungen des Tarifvertrags auf einen anderen Bezugszeitraum ab. Sie sieht für die im 24-Stunden-Dienst eingesetzten Mitarbeiter keine durchschnittliche Wochenarbeitszeit, sondern eine „regelmäßige tägliche Arbeitszeit“, eine „regelmäßige tägliche Arbeitsbereitschaft“ und eine „regelmäßige tägliche Bereitschaftsruhezeit“ vor. Der Umfang der über einen längeren Zeitraum geschuldeten Arbeitszeit ergibt sich daraus, dass auf die 24-stündige Anwesenheit im Betrieb regelmäßig jeweils eine Freizeit gleicher Länge folgen muss. Über einen Zeitraum von 48 Stunden sind die Arbeitnehmer mithin zur Erbringung eines 24-Stunden-Dienstes verpflichtet, der sich zu gleichen Teilen aus Arbeits-, Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten zusammensetzt. Darüber hinaus müssen den Arbeitnehmern jährlich möglichst gleichmäßig verteilt 35 weitere 24-stündige Freizeiten gewährt werden(§ 5 Abschn. II Ziff. 1 Abs. 2 MTV).
15b) Der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht ebenfalls für die Annahme einer eigenständigen Regelung der Dauer der Arbeitszeit. Reguläre Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe führen nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien jeweils zu einer unterschiedlich starken Belastung der Arbeitnehmer(§ 5 Abschn. II Ziff. 2 und 3 MTV). Es ist daher nahe liegend, dass der Tarifvertrag nicht nur für die Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft, sondern auch für die Arbeitnehmer mit Bereitschaftsruhe eine hieran angepasste Arbeitszeitregelung trifft. Durch die Beschränkungen des Einsatzes bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe soll gewährleistet werden, dass sich die tatsächlich erbrachte Vollarbeit trotz der langen Anwesenheitszeit innerhalb der tarifvertraglichen Normalarbeitszeit bewegt. Dementsprechend weist § 5 Abschn. II Ziff. 5 MTV ausdrücklich darauf hin, die „Arbeitszeitgestaltung des 24-Stunden-Dienstes“ genüge den Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Sinne von § 7 Abs. 2a ArbZG. Durch den mit Wirkung zum eingefügten § 7 Abs. 2a ArbZG wurde für die Tarifvertragsparteien gerade die Möglichkeit geschaffen, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 48 Stunden wöchentlich hinaus zu verlängern.
16c) § 5 Abschn. II MTV kann nicht dahin ausgelegt werden, dass über einen Bezugszeitraum von zwölf Monaten eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten werden darf. Eine derartige Auslegung des Tarifvertrags in Anlehnung an § 7 Abs. 8 ArbZG ließe sich nicht mit dem Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung und dem danach klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien in Einklang bringen. Vielmehr soll für die Mitarbeiter der Werkfeuerwehr eindeutig eine über 48 Stunden pro Woche hinausgehende Arbeitszeit gelten.
173. Die tarifvertragliche Arbeitszeitregelung für die im 24-Stunden-Dienst eingesetzten Mitarbeiter der Werkfeuerwehr verstößt nicht gegen das ArbZG.
18a) Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Bereitschaftsdienst ist arbeitszeitrechtlich Arbeitszeit. Er muss bei der Berechnung des zulässigen Umfangs der Arbeitszeit in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden( - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 60; vgl. zur früheren Rechtslage: - zu B IV 3 der Gründe, BAGE 105, 32).
19b) Für die Tarifvertragsparteien besteht die Möglichkeit, eine von § 3 ArbZG abweichende Regelung zu treffen. Die Möglichkeit einer tarifvertraglichen Arbeitzeitverlängerung ergibt sich insbesondere aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG. Hiernach kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abweichend von § 3 ArbZG zugelassen werden, die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt. Nach § 7 Abs. 8 ArbZG darf jedoch die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten(vgl. ErfK/Wank 10. Aufl. § 7 ArbZG Rn. 5; Baeck/Deutsch ArbZG 2. Aufl. § 7 Rn. 58; Buschmann/Ulber ArbZG 6. Aufl. § 7 Rn. 10a). Eine darüber hinausgehende tarifvertragliche Arbeitszeitverlängerung ist nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2a ArbZG zulässig.
20c) Die Zulässigkeit der Arbeitszeitregelung für die im 24-Stunden-Dienst eingesetzten Mitarbeiter der Werkfeuerwehr folgt nicht bereits aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 8 ArbZG. Vielmehr ergibt sich aus § 5 Abschn. II MTV eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von über 48 Stunden, da auch die Bereitschaftsruhe als Bereitschaftsdienst iSv. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG und damit als Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG zu bewerten ist.
21aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer in Form persönlicher Anwesenheit im Betrieb des Arbeitgebers leistet, in vollem Umfang als Arbeitszeit iSv. Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen. Das gilt ohne Rücksicht darauf, welche Arbeitsleistung der Betroffene während dieses Bereitschaftsdienstes tatsächlich erbringt( - [Dellas] Rn. 46, Slg. 2005, I-10253; - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 93, Slg. 2004, I-8835; - C-151/02 - [Jaeger] Rn. 75, Slg. 2003, I-8389; - C-303/98 - [Simap] Rn. 52, Slg. 2000, I-7963). Eine andere Bewertung ergibt sich nur dann, wenn der Dienst in der Weise geleistet wird, dass der Arbeitnehmer ständig erreichbar ist, ohne jedoch zur Anwesenheit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort verpflichtet zu sein (Rufbereitschaft). Für die arbeitsschutzrechtliche Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit ist ohne Bedeutung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Ruheraum zur Verfügung stellt, in dem sie sich aufhalten können ( - [Jaeger] Rn. 64, aaO). Darüber hinaus hat der Gerichtshof ausgeführt, für die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Ruhezeit komme es nicht auf Anzahl und Umfang der tatsächlichen Arbeitseinsätze während des Bereitschaftsdienstes an (vgl. - [Jaeger] Rn. 55, aaO).
22bb) Danach ist für die Abgrenzung von Arbeits- und Ruhezeit im Sinne des ArbZG darauf abzustellen, ob sich die Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten müssen, um gegebenenfalls sofort ihre Leistung erbringen zu können. Die gem. § 5 Abschn. II MTV geschuldete Bereitschaftsruhe stellt im arbeitsschutzrechtlichen Sinne Arbeitszeit dar, obwohl sie nach den tarifvertraglichen Vorgaben grundsätzlich der Erholung dient. Die Arbeitnehmer müssen im Betrieb anwesend sein(§ 5 Abschn. II Ziff. 1 Abs. 2 MTV). Es kommt nicht darauf an, dass sie nur zu unvorhergesehen erforderlich werdenden Arbeiten herangezogen werden dürfen (§ 5 Abschn. II Ziff. 3 Abs. 2 MTV).
23d) Die Zulässigkeit der durchschnittlich 48 Wochenstunden überschreitenden tariflichen Arbeitszeitregelung ergibt sich aus § 7 Abs. 2a ArbZG. Danach kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.
24aa) Das von der Beklagten angewandte 24-Stunden-Schichtsystem beruht auf § 5 Abschn. II MTV und somit auf einem Tarifvertrag. Die Arbeitszeit enthält regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst iSv. § 7 Abs. 2a ArbZG. Selbst wenn der Kläger während der Arbeitsbereitschaftszeit regelmäßig in dem noch als zulässig bestimmten Umfang von drei Stunden(§ 5 Abschn. II Ziff. 2 MTV) zur Arbeit herangezogen werden sollte und diese Zeit von der Arbeitsbereitschaft bzw. dem Bereitschaftsdienst abgezogen werden müsste, bestünde ein 24-Stunden-Dienst zu über 50 % aus Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst. Ein solcher Anteil genügt den gesetzlichen Anforderungen ( - Rn. 24, BAGE 117, 27; - 1 ABR 2/02 - zu B IV 3 c der Gründe, BAGE 105, 32; ErfK/Wank § 7 ArbZG Rn. 6; Neumann/Biebl ArbZG 15. Aufl. § 7 Rn. 18; Kittner/Zwanziger/Schoof Arbeitsrecht 5. Aufl. § 26 Rn. 259a).
25bb) Durch die besonderen Regelungen des Tarifvertrags wird sichergestellt, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.
26(1) § 7 Abs. 2a ArbZG enthält keine Vorgaben dazu, auf welche Art und Weise eine Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer ausgeschlossen werden soll. Vielmehr hat der Gesetzgeber die in Betracht kommenden Regelungsmöglichkeiten offengelassen, da die Erfordernisse für die Arbeitszeitverlängerung und die Belastungssituation für die Beschäftigten bei den verschiedenen Fallgestaltungen sehr voneinander abweichen können (BT-Drucks. 15/1587 S. 30 f.). In der Gesetzesbegründung wird beispielhaft auf die Beschränkung der Arbeitszeitverlängerung auf einen bestimmten Personenkreis, bestimmte Zeiträume und Höchstgrenzen, sowie auf verlängerte Ruhezeiten und eine besondere arbeitsmedizinische Betreuung der Arbeitnehmer hingewiesen (BT-Drucks. 15/1587 aaO).
27(2) § 7 Abs. 2a ArbZG verlangt zur Sicherstellung der Gesundheit der Arbeitnehmer „besondere Regelungen“. Allgemeine Vorgaben des Arbeitsschutzrechts wie etwa die Erstellung einer Gefährdungsanalyse gem. § 5 ArbSchG reichen deshalb nicht aus. Erforderlich sind zusätzliche, über das Gesetz hinausgehende Regelungen(vgl. Kohte in Das reformierte Arbeitsrecht Kap. 12 Abschn. 2 Rn. 39). Der Tarifvertrag muss beispielsweise zusätzliche Pausenvorschriften, besondere Ruhezeitregelungen oder spezielle arbeitsmedizinische Maßnahmen enthalten (vgl. Kohte in Das reformierte Arbeitsrecht aaO; Reim DB 2004, 186, 188).
28(3) Der Gesetzgeber hat mit § 7 Abs. 2a ArbZG von der gem. Art. 22 der Arbeitszeitrichtlinie bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht. Art. 22 lässt ein Abweichen von der Höchstarbeitszeit des Art. 6 ohne Ausgleichszeitraum nur dann zu, wenn die „allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer“ eingehalten werden. Eine Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 7 Abs. 2a ArbZG ist dementsprechend nur unter Beachtung dieser Grundsätze möglich. „Sicherheit und Gesundheit“ betreffen nach dem Verständnis des EuGH unmittelbar oder mittelbar sämtliche körperlichen und sonstigen Faktoren der Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsumfeld. Dabei nimmt der Gerichtshof an, dass nach dem durch die Arbeitszeitrichtlinie verfolgten Zweck jedem Arbeitnehmer angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen müssen. Die Ruhepausen müssen nicht nur effektiv sein, indem sie erlauben, sich von der durch die Arbeit hervorgerufenen Ermüdung zu erholen, sondern auch vorbeugenden Charakter haben, indem sie die Gefahr, die in der Kumulierung von Arbeitsphasen liegt, soweit wie möglich verringern( - [Jaeger] Rn. 92, 93, Slg. 2003, I-8389). Während der Ausgleichsruhezeiten iSv. Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG darf der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber keiner Verpflichtung unterliegen, die ihn daran hindert, frei und ohne Unterbrechung seinen eigenen Interessen nachzugehen, um die Auswirkungen der Arbeit auf seine Sicherheit und Gesundheit zu neutralisieren. Die Ruhezeiten müssen sich unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen und eine bestimmte Anzahl von zusammenhängenden Stunden betragen, um eine Ermüdung oder Überlastung des Arbeitnehmers durch die Kumulierung aufeinanderfolgender Arbeitsperioden zu verhindern. Erforderlich ist die Möglichkeit, sich zur Erholung aus seiner Arbeitsumgebung zurückziehen zu können ( - Rn. 94, 95, aaO).
29(4) Die Arbeitszeitregelung des § 5 Abschn. II MTV wird diesen Anforderungen gerecht. § 5 Abschn. II Ziff. 1 Abs. 2 MTV sieht ausdrücklich vor, dass in unmittelbarem Anschluss an die 24-stündige Anwesenheitszeit im Betrieb eine Freizeit gleicher Länge folgen muss. Damit wird eine Kumulierung von mehreren hintereinander geschalteten Arbeitsphasen ausgeschlossen. Außerdem erhalten die Arbeitnehmer jährlich 35 weitere 24-stündige Freizeiten in möglichst gleichmäßiger Verteilung. Aufgrund des damit vorgegebenen und von der Beklagten so praktizierten „Fünfer-Rhythmus“ wird gewährleistet, dass die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen eine dem Wochenende vergleichbare mehrtägige Freizeit haben. Durch § 5 Abschn. II Ziff. 2 und Ziff. 3 MTV wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer während der Arbeitsbereitschaftszeit für höchstens drei Stunden und während der Bereitschaftsruhe nur zu solchen Arbeiten eingesetzt werden, die unvorhergesehen erforderlich werden. Die achtstündige Arbeitszeit beinhaltet zudem eine dreiviertelstündige bezahlte Pause(Ziff. 1 der Ergänzungsvereinbarung vom ). § 5 Abschn. II Ziff. 3 MTV bestimmt, dass die Bereitschaftsruhe in der Regel im Anschluss an Arbeits- und Arbeitsbereitschaftszeiten zu gewähren ist, grundsätzlich der Erholung dient und ausreichende Ruhemöglichkeiten voraussetzt. Sie darf gem. Ziff. 1 Abs. 3 der Ergänzungsvereinbarung nicht am Anfang der Schicht liegen. Damit ist gewährleistet, dass die Arbeitnehmer zumindest im tariflichen Normalfall trotz der 24-stündigen Anwesenheit im Betrieb ausgeruht in die sich unmittelbar anschließende 24-stündige Freizeit gehen können. Insgesamt bestehen wesentliche Unterschiede zu den vom Gerichtshof beanstandeten Arbeitszeitregelungen für Krankenhausärzte. Schließlich ist die Anzahl der 24-Stunden-Dienste durch die Ergänzungsvereinbarung vom auf 139 im Kalenderjahr begrenzt, wovon noch 17 Schichten Tarifurlaub und für Mitarbeiter ab dem 55. Lebensjahr zusätzlich 13 Altersfreischichten abzuziehen sind.
30(5) Der Senat kann selbst entscheiden, dass die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer entsprechend der Arbeitszeitrichtlinie eingehalten werden. Die Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV(vormals Art. 234 Abs. 3 EG) bezieht sich nur auf die Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts. Der Gerichtshof entscheidet in Verfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht darüber, wie die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf den Ausgangsfall anzuwenden sind. Er präzisiert nur in Form abstrakter Rechtssätze den Inhalt der unionsrechtlichen Vorschriften. Die Subsumtion des konkreten Sachverhalts ist Sache des nationalen Gerichts ( - zu B IV 3 b cc (4) der Gründe mwN, BAGE 105, 33). Im Streitfall geht es nicht um die Auslegung, sondern um die Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie. Der Gerichtshof hat sich mit Urteil vom (- C-151/02 - [Jaeger] Slg. 2003, I-8389) bereits ausführlich zu den Grundsätzen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes und zu den Anforderungen an eine nach der Richtlinie zwingend erforderliche angemessene Ruhephase geäußert.
31e) Aus § 7 Abs. 7 ArbZG ergibt sich nicht die Unzulässigkeit der Arbeitszeitverlängerung. Danach ist für die Verlängerung eine schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich(vgl. - [Simap] Rn. 73, Slg. 2000, I-7963; - zu B IV 4 a der Gründe, BAGE 105, 32). Der Kläger hat wirksam eingewilligt. Dem steht nicht entgegen, dass er sich - erstmals in der Berufungsinstanz - darauf berufen hat, er habe lediglich in die Fortführung der 24-Stunden-Dienste, nicht jedoch in eine Überschreitung der tariflich und gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit eingewilligt. Aufgrund der Kenntnis des bestehenden Schichtsystems war dem Kläger die tatsächliche Auswirkung der Regelung bewusst. Unerheblich ist, dass die Beklagte die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes als Alternative in Aussicht gestellt hat. Der Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern sich dieser Umstand auf sein Einverständnis ausgewirkt habe. Jedenfalls hat er es nach wie vor nicht widerrufen.
324. Der Kläger kann auch dann keine Beschränkung seiner Arbeitszeit auf 48 Stunden im Wochendurchschnitt verlangen, wenn die den Tarifvertragsparteien durch § 7 Abs. 2a ArbZG eingeräumte Möglichkeit der Arbeitszeitverlängerung gegen die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie verstößt.
33a) Gem. Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG ist es einem Mitgliedstaat freigestellt, Art. 6(Höchstarbeitszeit) nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und wenn er mit den erforderlichen Maßnahmen für die Einhaltung der weiteren dort gemachten Vorgaben sorgt. Der Gesetzgeber hat hiervon durch die Einfügung von Abs. 2a in § 7 ArbZG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom (BGBl. I S. 3002) Gebrauch gemacht. Hiergegen wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zum Teil eingewendet, dass die dem Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung zur Einhaltung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer nicht ohne nähere Vorgaben auf die Tarifvertragsparteien oder sogar auf die Betriebsparteien übertragen werden dürfe (vgl. Kittner/Zwanziger/Schoof § 26 Rn. 260a; Buschmann/Ulber § 7 Rn. 24c; Hk-ArbZG/Linnenkohl 2. Aufl. § 7 Rn. 65; Ulber ZTR 2005, 70, 74; Buschmann AuR 2004, 1, 4f.; offen ErfK/Wank § 7 ArbZG Rn. 18; Schliemann ArbZG § 7 Rn. 76 f.; aA Baeck/Deutsch § 7 Rn. 107 ff.; Neumann/Biebl § 7 Rn. 19a). Ähnliche Bedenken werden in den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak vom in der Rechtssache Rosenbladt (- C-45/09 - Rn. 56, 98 ff.) erhoben.
34b) Die Unvereinbarkeit einer nationalen Rechtsnorm mit unionsrechtlichen Richtlinien führt aber grundsätzlich nicht zur Unbeachtlichkeit der Vorschrift. Im Unterschied zu Normen des Primärrechts und Regelungen in EU-Verordnungen kommt einer Richtlinie keine unmittelbare Wirkung zu. Sie wendet sich nach Art. 288 AEUV(vormals Art. 249 Abs. 3 EG) an die Mitgliedstaaten und verpflichtet diese, die betreffenden Vorgaben im nationalen Recht umzusetzen. Richtlinien wirken nicht direkt zwischen Bürgern. Selbst eine genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der einzelne Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, findet im Privatrechtsverhältnis nicht als solche unmittelbare Anwendung (vgl. bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 108 f., 113, Slg. 2004, I-8835; - Rn. 21 ff., EzA BUrlG § 13 Nr. 59; - 1 ABR 6/05 - Rn. 41, BAGE 117, 27). Dies gilt speziell auch für die Arbeitszeitrichtlinie (vgl. bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 107 ff., aaO). Richtlinienwidriges nationales Recht muss gleichwohl angewendet werden. Korrektive der fehlenden unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zwischen Rechtspersönlichkeiten des Privatrechts sind vielmehr die unionsrechtskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung und Schadenersatzansprüche gegen den Mitgliedstaat ( - Rn. 23, aaO).
35c) Allerdings hat auch die unionsrechtskonforme Auslegung die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung zu beachten. Diese werden bestimmt durch die allgemeinen Auslegungsregeln. Insoweit gilt nichts anderes als für die verfassungskonforme Auslegung. Beide dürfen zum Gesetzeswortlaut und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht in Widerspruch treten. Der Gehalt einer nach Wortlaut, Systematik und Sinn eindeutigen Regelung kann nicht im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung in sein Gegenteil verkehrt werden(vgl. - Rn. 26 mwN, aaO; - 1 ABR 6/05 - Rn. 43 mwN, BAGE 117, 27).
36Eine Auslegung des § 7 Abs. 2a ArbZG, die Arbeitszeitverlängerung werde entsprechend § 7 Abs. 8 ArbZG auf durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschränkt, wäre mit dem im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gebrachten klaren Willen des Gesetzgebers nicht in Einklang zu bringen. § 7 Abs. 2a ArbZG lässt Arbeitszeitverlängerungen „auch ohne Ausgleich“ gerade für die Fälle zu, in denen wegen der besonderen Erfordernisse und Ausgangsbedingungen ein Ausgleich über einen Zeitraum von zwölf Monaten keine Lösung darstellt, die den Bedürfnissen der Beteiligten entspricht, wenn nur durch besondere Regelungen sichergestellt ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird(vgl. BT-Drucks. 15/1587 S. 30). Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die in § 7 Abs. 8 ArbZG geregelte Höchstdauer von durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich auf die tarifvertraglichen Arbeitszeitregelungen nach § 7 Abs. 2a ArbZG zu erstrecken.
375. § 7 Abs. 2a ArbZG ist nach Überzeugung des Senats verfassungsgemäß. Auch kommt ein Verstoß gegen vorrangig anzuwendende allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht(vgl. - [Kücükdeveci] Rn. 51, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14; - C-144/04 - [Mangold] Rn. 77, Slg. 2005, I-9981). Bei den Regelungen zur Höchstarbeitszeit und zu Ruhezeiten in der Arbeitszeitrichtlinie handelt es sich „lediglich“ um wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft (vgl. - [Dellas] Rn. 49, Slg. 2005, I-10253; - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 100, Slg. 2004, I-8835). Selbst wenn der Gesetzgeber die Arbeitszeitrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben sollte, bliebe § 7 Abs. 2a ArbZG anwendbar.
386. Demnach bedarf es auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 7 Abs. 2a ArbZG mit Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG keiner Vorlage an den Gerichtshof. Eine Vorlagepflicht besteht nach Art. 267 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV nur dann, wenn die Auslegungsfrage aus der Sicht des nationalen Gerichts entscheidungserheblich ist(vgl. nur - [Mono Car Styling] Rn. 27, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; - Rn. 16, EzA BUrlG § 13 Nr. 59). § 7 Abs. 2a ArbZG könnte aber einschließlich der auf seiner Grundlage getroffenen tariflichen Arbeitszeitregelung selbst bei einem Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinie nicht unangewendet bleiben.
397. Eine Begrenzung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Die vom Kläger angeführten Arbeitszeitregelungen für die Mitarbeiter staatlicher Feuerwehren(vgl. - [Personalrat der Feuerwehr Hamburg] Slg. 2005, I-7111; 2 B 26.09 -; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 1 A 2652/07 - ZBR 2009, 352; OVG der Freien Hansestadt Bremen - 2 A 432/07, 2 A 433/07 - NordÖR 2009, 90; OVG Lüneburg - 5 LC 225/04 - PersV 2007, 490; - AS RP-SL 33, 273; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 1 A 2724/04 -) sind mit der hier zugrunde liegenden tariflichen Regelung nicht vergleichbar. Die Arbeitszeit verbeamteter Feuerwehrleute richtet sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Gesetzen. Demgegenüber wird in § 5 Abschn. II MTV eine über 48 Stunden hinausgehende wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit durch Tarifverträge auf der Grundlage von § 7 Abs. 2a ArbZG zugelassen.
II. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Fundstelle(n):
UAAAD-52654