OFD Niedersachsen - S 0824 - 31 - Z 138

Mitteilungen im Rahmen des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte

1 Allgemeines

Gegen einen Rechtsanwalt, Notar oder Patentanwalt, der seine Berufspflichten verletzt, kann eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens ist die jeweilige Berufskammer.

Über die Ahndung von Berufspflichtverletzungen hinaus ist die Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt zurückzunehmen oder zu widerrufen sowie ein Notar (vorläufig) seines Amtes zu entheben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (z. B. fehlende Berufshaftpflichtversicherung, Vermögensverfall) gegeben sind. [1]

Insbesondere hinsichtlich der Erteilung von Auskünften und der Weitergabe von Informationen ist es von Bedeutung, ob es sich um ein Verfahren zur Ahndung von Pflichtverletzungen oder aber um ein Widerrufs- bzw. Amtsenthebungsverfahren handelt.

2 Berufspflichtverletzungen

2.1 Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte müssen ihren Beruf entsprechend den in den jeweiligen berufsordnenden Gesetzen geregelten Grundsätzen ausüben.

Einzelheiten zu den Berufspflichten der Berufsangehörigen ergeben sich aus den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl 2008 I S. 944, Tz. 1.2. [2]

2.2 Offenbarungsbefugnis

2.2.1 § 10 Abs. 1 StBerG regelt die Mitteilungsbefugnis der Finanzbehörden bei Verdacht einer Berufspflichtverletzung durch die in § 3 und § 4 Nrn. 1 und 2 StBerG genannten Personen und ist damit eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO.

Zu diesem Personenkreis gehören auch Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte, so dass eine Mitteilung für diese Berufsangehörigen nach dem StBerG möglich ist.

2.2.2 Die Mitteilungsberechtigung beschränkt sich nicht nur auf Pflichtverletzungen bei der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, sondern betrifft auch Berufspflichtverletzungen, die nicht unmittelbar bei der Berufsausübung begangen wurden (z. B. Verfehlungen in eigenen Steuerangelegenheiten).

Ein Anfangsverdacht reicht für die Annahme einer Berufspflichtverletzung allerdings grundsätzlich nicht aus. Auch wenn erkennbar ist, dass sich trotz bekannt gewordener Tatsachen und tatsächlicher Umstände eine Berufspflichtverletzung nicht nachweisen lassen wird, ist auf eine Mitteilung zu verzichten.

Es liegt nicht im Rahmen des Ermessens der Finanzbehörde, ob sie Pflichtverletzungen den zuständigen Stellen mitteilt. Allerdings ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, so dass die Tatsachen zu gewichten und ihre Bedeutung für ein Rügeverfahren oder ein berufsgerichtliches Verfahren einzuschätzen sind.

2.2.3 Es sind nur solche Pflichtverletzungen mitzuteilen, die aufgrund ihrer Gewichtung für die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen als ausreichend angesehen werden. Eine Mitteilung kommt insbesondere bei schwerwiegenden Berufspflichtverletzungen, die im Interesse der Integrität und einer ordnungsgemäßen Berufsausübung des Berufsstands eine Ahndung erfordern, in Betracht. In Bagatellfällen ist im Allgemeinen von einer Mitteilung abzusehen.

2.3 Verfahren

2.3.1 Im Interesse einer einheitlichen Handhabung informiert das Finanzamt, das die Pflichtverletzung festgestellt hat, die zuständigen Berufskammern nicht direkt, sondern berichtet unaufgefordert der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Zentrale Aufgaben (Z), die über eine Unterrichtung der Berufskammer entscheidet.

Ist wegen der Pflichtverletzung gleichzeitig auch das zuständige Finanzamt für Fahndung und Strafsachen mit der Sache befasst, so hat dieses zu berichten. Liegt eine Berufspflichtverletzung vor, ist bereits dann zu berichten, wenn ein ausreichender Verdacht besteht; der Ausgang eines etwaigen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist nicht abzuwarten.

Ausgenommen vom Verbot einer unmittelbaren Mitteilung an die für die Verfolgung von Berufspflichtverletzungen zuständigen Stellen bleiben Mitteilungen nach § 411 AO.

2.3.2 Im Bericht sind nur die Tatsachen anzugeben, die im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Berufspflichtverletzung für die Ermittlung des Sachverhalts von Bedeutung sind. Über den objektiven Tatbestand hinaus ist auch zu der Frage Stellung zu nehmen, aus welchen Umständen geschlossen wird, dass der Berufsangehörige schuldhaft gehandelt hat. Der Bericht muss den Sachverhalt so darstellen, dass er ohne Hinzuziehung weiterer Unterlagen verständlich ist. Bei Berichten über Pflichtverletzungen in eigenen Steuerangelegenheiten ist außerdem anzugeben, welche steuerlichen Maßnahmen gegen den Berufsangehörigen durchgeführt worden sind und ob der Betroffene sich ggf. auch bei der Erledigung der Steuerangelegenheiten von Mandanten pflichtwidrig verhalten hat.

2.3.3 Sofern zur Erläuterung zusätzliche Unterlagen notwendig sind (z. B. Teile der Steuerakten, Bußgeldbescheide, Stellungnahmen, gerichtliche Entscheidungen), sind diese dem Bericht in Kopie beizufügen. Verhältnisse Dritter sind zu neutralisieren, soweit sie für den Nachweis einer Berufspflichtverletzung nicht relevant sind. Ist in gleicher Sache ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig, sollte im Bericht das dortige Aktenzeichen angegeben werden.

2.3.4 Änderungen im Verfahren sind unaufgefordert zu ergänzen.

3 Rücknahme bzw. Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt

3.1 Die Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt ist u. a. dann zu widerrufen, wenn der Berufsangehörige in Vermögensverfall geraten ist, d. h. wenn der Anwalt wegen ungeordneter wirtschaftlicher Verhältnisse außer Stande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und davon ausgegangen werden kann, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach §§ 26 Abs. 2 InsO, 915 ZPO liegt Kraft gesetzlicher Vermutung ein Vermögensverfall vor. [3]

Vollstreckbare Steuerschulden von mehr als 25.000,– EUR i. V. m. der Nichteinhaltung von Tilgungsvereinbarungen sind ein deutlicher Hinweis auf einen Vermögensverfall.

Lediglich in Ausnahmefällen, in denen Mandanteninteressen nicht gefährdet sind, ist von einem Widerruf abzusehen; die Beweislast hierfür obliegt dem Berufsangehörigen.

Zuständig für das Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahren sind bei Rechtsanwälten die örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammern und bei Patentanwalten die Patentanwaltskammer in München. [4]

3.2 Offenbarungsbefugnis

§ 36 Abs. 2 Satz 3 BRAO und § 34 Abs. 2 Satz 3 PatAnwO enthalten für die Mitteilung rückständiger Steuerschulden eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, so dass das Steuergeheimnis einer Unterrichtung der zuständigen Stelle nicht entgegensteht.

3.3 Verfahren

Auch bei dem Verdacht des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts oder Patentanwalts informiert das Finanzamt im Interesse einer einheitlichen Handhabung nicht direkt die Rechtsanwaltskammer bzw. Patentanwaltskammer, sondern berichtet unaufgefordert der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Z.

4 Amtsenthebung als Notar

4.1 Ein Notar ist u. a. dann seines Amtes zu entheben, wenn er in Vermögensverfall geraten ist, d. h. wenn er wegen ungeordneter wirtschaftlicher Verhältnisse außer Stande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und davon ausgegangen werden kann, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach §§ 26 Abs. 2 InsO, 915 ZPO liegt Kraft gesetzlicher Vermutung ein Vermögensverfall vor. [5]

Die Einleitung eines Verfahrens zur Amtsenthebung eines Notars ist gem. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO aber auch geboten, „wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse, die Art seiner Wirtschaftsführung oder die Durchführung von Verwahrungsgeschäften die Interessen der Rechtsuchenden gefährden”.

4.1.1 Die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars ist – unabhängig von der Höhe der Steuerrückstände – demnach bereits dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Wirtschaftsführung des Notars vorliegen und damit Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Berufsangehörigen begründet werden.

Das ist der Fall, wenn mehrmalige Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen Notar erforderlich sind, sich z. B. Kontopfändungen wiederholen oder ergebnislos verlaufen.

4.1.2 Unerheblich ist dabei, dass der Notar die Forderungen des Finanzamts möglicherweise bestreitet. Wenn keine Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide gewährt wurde, müssen die festgesetzten Beträge beglichen werden. [6]

Im Übrigen begründen auch Schätzungen des Finanzamts mangels Erfüllung der Erklärungspflichten des Notars Zweifel an seiner ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung. [7]

4.1.3 Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO dient dem Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung. Es genügt bereits eine abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, zu konkreten Missständen bei der notariellen Tätigkeit muss es noch nicht gekommen sein.

Unerheblich ist ebenso, ob der Berufsangehörige seine belastende wirtschaftliche Situation selbst verschuldet hat. [8]

4.1.4 Ein Notar kann seinen Pflichten nur nachkommen, wenn er stets Zugriff auf die Konten hat, auf denen Fremdgelder eingehen. Ist das wegen vorläufiger Zahlungsverbote nicht der Fall und kann er die Vollstreckung auch nicht abwenden, muss die zuständige Aufsichtsbehörde ihn vorläufig seines Amtes entheben. [9]

4.1.5 Die Amtsenthebung als Notar obliegt dem Präsidenten des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts. [10]

Kommt das Oberlandesgericht seiner Pflicht zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars nicht nach, besteht außerdem die Gefahr, dass Amtshaftungsansprüche gegen die Aufsichtsbehörde ausgelöst werden. Gegenüber einem Rechtsuchenden kann sich im Einzelfall die Amtspflicht des zuständigen Oberlandesgerichts ergeben, ein auf die Amtsenthebung des Notars gerichtetes Verfahren einzuleiten. Die Rechtsprechung bejaht einen Amtshaftungsanspruch gegen die Aufsichtsbehörde, wenn ein Notar nicht rechtzeitig seines Amtes enthoben wird und dadurch einem Rechtsuchenden ein Schaden entsteht.

4.1.6 Die Oberlandesgerichte sind zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht auf die Mitteilung von Tatsachen angewiesen, die den Verdacht begründen, dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 8 BNotO bei einem Notar vorliegen.

Insbesondere Steuerrückstände können einen Anhaltspunkt dafür liefern, dass ein Notar in Vermögensverfall geraten ist [11] oder zumindest die Art der Wirtschaftsführung Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit begründet [12].

4.2 Offenbarungsbefugnis

Das Steuergeheimnis steht einer Mitteilung über die Höhe rückständiger Steuerschulden an die zuständige Stelle nicht entgegen, da gem. § 64a Abs. 2 Satz 3 BNotO eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO vorliegt.

4.3 Verfahren

Im Interesse einer einheitlichen Handhabung bitte ich, der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Z, unaufgefordert zu berichten, wenn gegen einen Notar wiederholt, d. h. mehr als zwei Mal, Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden mussten oder andere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars bzw. die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet werden.

Anzugeben sind die Höhe der vollstreckbaren Rückstände sowie die ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen.

Ggf. bei den Finanzämtern eingehende Anfragen der Oberlandesgerichte zu Steuerrückständen eines Notars bitte ich ebenfalls an die Abteilung Z weiterzuleiten.

Ich bitte, die bisherige Karteikarte Anhang K § 10 StBerG Karte 4 (Kontrollnummer 1696) auszusondern.

OFD Niedersachsen v. - S 0824 - 31 - Z 138

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DAAAD-52382

1§ 14 BRAO, § 21 PatAnwO, § 50 BNotO

2vgl. AO-Kartei, Anhang K § 10 StBerG Karte 1

3§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 21 Abs. 2 Nr. 8 PatAnwO

4§ 16 BRAO, § 31 PatAnwO

5§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO

6 (juris)

7 a. a. O.

8 a. a. O.

9§ 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO

10§ 50 Abs. 3 BNotO

11§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO

12§ 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO