Anhörungsrüge: Erhebung in der gesetzlichen Form
Gesetze: § 321a Abs 4 ZPO
Instanzenzug: Az: I ZR 160/07 Urteilvorgehend Az: 4 U 38/07vorgehend LG Bochum Az: 8 O 355/06nachgehend Az: 1 BvR 2553/10 Nichtannahmebeschluss
Gründe
1I. Die Anhörungsrüge der Klägerin vom gegen das Urteil vom ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 321a Abs. 4 ZPO).
2Eine Anhörungsrüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist nur dann in der gesetzlichen Form erhoben, wenn die Partei darlegt, inwiefern das Gericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Partei kann dies nur darlegen, wenn sie die Gründe der beanstandeten Entscheidung kennt. Einer Anhörungsrüge, die vor Bekanntgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung erhoben ist, fehlt zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit.
3Die Klägerin hat ihre erste Anhörungsrüge am erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war ihr lediglich der Tenor des Urteils vom bekannt. Das in vollständiger Form abgefasste Urteil ist ihr am zugestellt worden. Da die Gründe des Urteils zum Zeitpunkt der Anhörungsrüge für die Klägerin - wie sie zutreffend bemerkt hat - „im Dunkeln lagen“, konnte die Klägerin in ihrer Anhörungsrüge auch nur Mutmaßungen über eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres rechtlichen Gehörs anstellen. Eine solche Anhörungsrüge ist nicht in der gesetzlichen Form erhoben und deshalb als unzulässig zu verwerfen.
4II. Die weitere Anhörungsrüge der Klägerin vom gegen das Urteil vom ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
51. Dass der Senat das Urteil in vollständiger Form abgefasst und zugestellt hat, ohne zuvor über die erste Anhörungsrüge der Klägerin vom entschieden zu haben, verletzt das rechtliche Gehör der Klägerin schon deshalb nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil diese Anhörungsrüge als unzulässig zu verwerfen war (vgl. unter I).
62. Die Klägerin rügt ohne Erfolg, eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ergebe sich daraus, dass der Senat in Tz. 27 seines Urteils ausgeführt hat:
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Laufzeit des Regio-Vertrags - wie die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat - nicht über den hinaus verlängert worden ist. Denn es ist bereits weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt, dass Tele Columbus auch in der Zeit nach dem Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer der Beklagten weitergesendet hat.
7a) Die Klägerin macht vergeblich geltend, der Senat habe übersehen, dass das Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils die Beendigung des Regio-Vertrags zum als unstreitig festgestellt habe. Selbst wenn dem so wäre, läge darin keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin, weil es nach der Entscheidung des Senats auf die Laufzeit des Regio-Vertrags nicht ankommt. Davon abgesehen kann der von der Klägerin herangezogenen Feststellung im Berufungsurteil auch nicht entnommen werden, dass die Laufzeit des Regio-Vertrags zum endgültig endete. Die Feststellung des Berufungsgerichts lautet:
Die Laufzeit des Regio-Vertrages ist immer wieder verlängert worden, zuletzt bis zum .
8Diese Feststellung lässt die Möglichkeit offen, dass die zuletzt (nicht: „zum letzten Mal“) bis zum verlängerte Laufzeit des Vertrags - so wie auch zuvor immer wieder - über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert worden ist.
9b) Der Senat hat entgegen der Vermutung der Klägerin nicht übersehen, dass die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am und damit lange vor dem geschlossen worden ist. Der Senat hat mit seiner Bemerkung, es sei weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt, dass Tele Columbus auch in der Zeit nach dem Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer der Beklagten weitergesendet habe, lediglich darauf hingewiesen, dass in der Revisionsinstanz mangels - zwangsläufig - fehlenden Sachvortrags und fehlender Feststellungen in den Tatsacheninstanzen nicht davon ausgegangen werden kann, Tele Columbus habe das von der Klägerin beanstandete Verhalten nach dem fortgesetzt.
10c) Es kann dahinstehen, ob ein unstreitiger Vortrag der Parteien in der Revisionsinstanz, Tele Columbus habe über den hinaus weitergesendet, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen gewesen wäre. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt allein daraus, dass die Beklagte die technischen Abläufe und die urheberrechtliche Bewertung auch in der Revisionsinstanz im Präsens dargestellt hat, nicht, dass es zwischen den Parteien in der Revisionsinstanz unstreitig gewesen ist, dass Tele Columbus über den hinaus weitergesendet hat.
113. Die Klägerin rügt des Weiteren ohne Erfolg, die Ausführungen des Senats unter Tz. 28 zur uneingeschränkten Nachprüfbarkeit der Auslegung des Regio-Vertrags durch das Berufungsgericht setzten sich über die unstreitige Tatsache hinweg, dass der Regio-Vertrag am ausgelaufen sei; aus dem Auslaufen des Regio-Vertrags folge, dass kein Bedürfnis für eine Auslegung durch den Senat bestehe. Diese Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil sie - wie oben unter II 1 a ausgeführt - auf der unzutreffenden Annahme beruht, der Senat habe übersehen, dass der Regio-Vertrag am ausgelaufen sei. Im Übrigen kann ein Bedürfnis an einer einheitlichen Auslegung eines ausgelaufenen Vertragswerkes auch dann bestehen, wenn dieses - wie im Streitfall - noch für zahlreiche Rechtsbeziehungen von Bedeutung ist.
124. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt das Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Regio-Vertrags keine Überraschungsentscheidung dar. Der gesamte Rechtsstreit drehte sich von Anfang an um die Frage der Auslegung dieses Vertrags. Die Klägerin musste daher damit rechnen, dass der Senat den Vertrag nicht in ihrem Sinne auslegt. Der Senat war deshalb nicht verpflichtet, die Klägerin hierauf noch vor der mündlichen Verhandlung hinzuweisen. In der mündlichen Verhandlung ist dieser Punkt im Übrigen auch ausführlich erörtert worden.
135. Die Klägerin macht ferner ohne Erfolg geltend, die Ausführungen des Senats in Tz. 22 ff. des Urteils zur Frage, wer Sendender bzw. Weitersendender ist, seien überraschend. Die für diese Ausführungen maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Senat unter Tz. 3 und 24 seines Urteils wiedergegeben hat, sind weder missverständlich noch auslegungsbedürftig, sondern klar und eindeutig. Dies gilt insbesondere für die Feststellung des Berufungsgerichts, dass Tele Columbus die Programme an der Grundstücksgrenze übernimmt und zu den Empfangsstellen in den Hotelzimmern weiterleitet. Es bestand für den Senat daher keine Veranlassung und erst recht keine Verpflichtung, die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass er diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde zu legen gedachte. Auch dies ist in der mündlichen Verhandlung erörtert worden.
14Die Klägerin beanstandet auch vergeblich, der Senat sei unter Tz. 3 und 32 seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass zwischen Tele Columbus und der ish GmbH ein Signallieferungsvertrag bestehe. Die Beklagte hat in der Revisionsbegründung (S. 11 Abs. 2) zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dem - in erster Instanz vorgelegten - Bestätigungsschreiben vom (Anlage B 1 = GA 115) ergibt, dass Tele Columbus die von der ish GmbH gelieferten Programme aufgrund eines Signallieferungsvertrages empfängt. Die Klägerin ist dem in der Revisionserwiderung - anders als sie nunmehr behauptet - nicht entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, das Vorliegen eines solchen Vertrages in erster Instanz mit Nichtwissen bestritten zu haben.
15Soweit die Klägerin sich mit ihrer Anhörungsrüge im Übrigen gegen die Auffassung des Senats wendet, im Streitfall sei allein Tele Columbus als Sendende anzusehen, wiederholt sie lediglich ihre abweichende Ansicht, ohne eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darzulegen.
16III. Die Klägerin hat nach Ablauf der zweiwöchigen Rügefrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO, die hier mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils am begonnen und am geendet hat, am eine „Ergänzung der Rügeschriften“ vom und vom vorgelegt. Darin rügt sie, der Senat habe seiner Entscheidung mit der Feststellung einer Programmauswahl durch Tele Columbus (Tz. 24 und 26 des Senatsurteils) eine Tatsache zugrunde gelegt, die nicht Gegenstand in den Instanzen gewesen sei.
17Dieses Vorbringen ist verspätet und kann daher nicht berücksichtigt werden. Eine Ergänzung der Rügebegründung ist zwar auch nach Fristablauf möglich. Neues Vorbringen zur Rügebegründung ist jedoch ausgeschlossen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 321a Rdn. 13). Die Klägerin hat entgegen ihrer Darstellung in keiner der beiden früheren Rügeschriften geltend gemacht, die Anwendung des Kriteriums der Programmauswahl hätte eines vorherigen Hinweises des Senats bedurft.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
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Fundstelle(n):
KAAAD-52277