BFH Urteil v. - II R 17/09, II R 18/09

Wertfortschreibung wegen Ausbauten und Umbauten, wenn die Fortschreibungsgrenzen durch späteren Wegfall einer Grundsteuerbefreiung überschritten werden; Änderung eines Einheitswertbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

Leitsatz

Nach Wegfall der Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung kann eine Wertfortschreibung wegen früherer Veränderung an der Bausubstanz vorgenommen werden.
Die Fortschreibung kann nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG jedoch frühestens mit Beginn des auf den Abschluss der Bauarbeiten folgenden Kalenderjahres vorgenommen werden.

Gesetze: BewG § 22 Abs. 1, BewG § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1, AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, GrStG § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein rechtsfähiger Verein, der in Deutschland lebenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung bietet. Nach seiner Satzung dient er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung (AO).

2 Im Jahr 1990 erwarb der Kläger ein in X gelegenes Grundstück, für das zuletzt auf den ein Einheitswert in Höhe von 76.400 DM festgestellt worden war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) rechnete mit Bescheid vom (Zurechnungsfortschreibung auf den ) das Grundstück mit im Übrigen unverändertem Einheitswert dem Kläger zu und stellte mit Bescheid vom auf den die Grundstücksart „gemischtgenutztes Grundstück” fest. Zu einer Wertfortschreibung auf den kam es trotz umfangreicher, im Jahre 1990 ausgeführter Um- und Ausbauarbeiten des Klägers nicht, weil die Fortschreibungsgrenzen des § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht erreicht wurden. Hierfür war maßgebend, dass die sich durch die Um- und Ausbaumaßnahmen ergebende Erhöhung des Einheitswerts durch die antragsgemäße Berücksichtigung der teilweisen Benutzung des Grundstücks zu gemeinnützigen Zwecken und die sich daraus ergebende teilweise Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG) weitgehend kompensiert wurde.

3 Nach dem Abschluss weiterer Umbaumaßnahmen erhöhte das FA mit Bescheid vom (Wertfortschreibung auf den ) den Einheitswert auf 49.032 €. Dabei bewertete es die nach den Angaben des Klägers für gemeinnützige Zwecke genutzten Räume nicht.

4 Im Jahr 2006 wurde dem FA aufgrund einer Kontrollmitteilung bekannt, dass der Kläger bereits ab 1997 nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und deshalb ab 1997 die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nicht mehr erfüllte. Daraufhin erließ das FA am einen Wertfortschreibungsbescheid, mit dem es den Einheitswert auf den auf 56.446 € feststellte. Dabei berücksichtigte es die Veränderungen in der Bausubstanz aus dem Jahre 1990 und versagte die im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit des Klägers bislang gewährte Grundsteuerbefreiung. Der Bescheid enthält den Hinweis, er ergehe nach Ablauf der Feststellungsfrist und sei nach § 181 Abs. 5 AO nur noch solchen Steuerfestsetzungen zugrunde zu legen, deren Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei.

5 Ferner änderte das FA mit Bescheid vom den Einheitswertwertbescheid vom (Wertfortschreibung auf den ) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte den Einheitswert auf 68.052 €. Auch hierbei bezog es die bisher wegen gemeinnütziger Nutzung nicht bewerteten Räume mit ein.

6 Der Kläger hat gegen beide Bescheide Einspruch eingelegt und Klage erhoben; er hat geltend gemacht, das Grundstück sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG von der Grundsteuer befreit. Die Rechtsmittel blieben erfolglos.

7 Mit seinen Revisionen rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung von § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG.

8 Der Kläger beantragt, die Vorentscheidungen sowie die Einheitswertbescheide vom und vom in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom und aufzuheben.

9 Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

10 II. Die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Revisionen sind unbegründet und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

11 1. Das Finanzgericht (FG) ist zutreffend davon ausgegangen, dass das FA den Einheitswert für das Grundstück des Klägers nach § 22 BewG durch Bescheid vom auf den fortschreiben konnte.

12 a) Nach § 22 Abs. 1 BewG findet wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts in einem näher beschriebenen Ausmaß nach oben oder unten abweicht.

13 Im Streitfall haben sich die für die Einheitswertfeststellung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nach der letzten Wertfortschreibung auf den , die zwar gegenüber einem Voreigentümer des Grundstücks ergangen war, aber nach § 182 Abs. 2 Satz 1 AO auch gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger wirkte, geändert. Denn der Kläger hat die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude nach dem Erwerb umfangreich um- und ausgebaut. Dies allein hat die Erhöhung des Einheitswerts bewirkt. Dass einer Fortschreibung des Einheitswerts jedenfalls bis 1996 die teilweise Nutzung des Gebäudes zu gemeinnützigen Zwecken entgegenstand, hinderte das FA nicht, nach Wegfall der Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung eine Wertfortschreibung wegen früherer Veränderungen an der Bausubstanz vorzunehmen.

14 b) Bei einer Fortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Danach hätte die Wertfortschreibung wegen der Veränderungen an der Bausubstanz frühestens mit Beginn des Kalenderjahres, das auf den Abschluss der Bauarbeiten folgte, d.h. auf den vorgenommen werden können, soweit nicht wegen teilweiser Grundsteuerbefreiung die Fortschreibungsgrenzen verfehlt wurden. Letzteres ist jedenfalls ab nicht mehr der Fall, weil der Kläger nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ab diesem Zeitpunkt seinen Gemeinnützigkeitsstatus verloren hat. Die vorliegende Wertfortschreibung auf den ist deshalb unter dem Gesichtspunkt des rechtlich zulässigen Fortschreibungszeitpunkts unbedenklich.

15 c) Dem angefochtenen Wertfortschreibungsbescheid auf den vom steht auch nicht der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob im Streitfall die Feststellungsfrist tatsächlich schon abgelaufen war. Denn nach § 181 Abs. 5 AO kann eine Feststellung auch nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Voraussetzung ist, dass —wie im Streitfall geschehen— im Bescheid auf diesen Umstand hingewiesen wird.

16 2. Hinsichtlich des angefochtenen Änderungsbescheides vom ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass das FA den Einheitswertbescheid vom (Wertfortschreibung auf den ) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern und den Einheitswert auf 68.052 € feststellen durfte. Das FA hat nachträglich Kenntnis davon erlangt, dass der Kläger bereits seit dem nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und damit die Voraussetzungen für die bislang gewährte Grundsteuerbefreiung entfallen waren.

17 3. Das FG ist auch hinsichtlich beider streitigen Bescheide ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass § 19 Abs. 4 BewG der Feststellung des Einheitswerts nicht entgegenstand. Danach dürfen Feststellungen nur dann erfolgen, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Feststellung des Einheitswerts im Streitfall für die Grundsteuer von Bedeutung, weil der Grundbesitz des Klägers nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder § 4 Nr. 1 GrStG grundsteuerbefreit ist. Zur näheren Begründung wird auf die Gründe unter II.3. des Senatsurteils II R 12/09 vom heutigen Tage Bezug genommen.

Fundstelle(n):
WAAAD-52033