Strafzumessung und Beweisantragsablehnung: Vorwurf der Tatbegehung trotz Handlungsalternativen als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot; Ablehnung eines Beweisantrags mangels Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache
Gesetze: § 244 Abs 3 StPO, § 46 Abs 3 StGB
Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 12 Ks 17 Js 22552/09 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
21. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3a) Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und der Mitangeklagte K., beide Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, damit befasst, das spätere Tatopfer F. vom Gelände eines Campingplatzes zu entfernen. Unter dem Arm eingehakt führte der Angeklagte F. zum Ausgang. Nach kurzer Wegstrecke entschloss er sich aus Gründen der Eigensicherung, F. nach einem in der Hosentasche vermuteten Messer zu durchsuchen. Hierzu brachte er ihn in Bauchlage zu Fall und drückte ihn nieder, indem er sich mit dem Oberkörper quer über seinen Rücken legte. Der Mitangeklagte K. hielt währenddessen F.'s Beine fest. Sobald der Angeklagte sich etwas erhob, um F. durchsuchen zu können, begann dieser, sich heftig gegen den Zugriff zu wehren, worauf er ihn erneut zu Boden presste. Dies wiederholte sich mehrere Male, auch als F. bereits über Atemnot geklagt hatte. Die Thoraxkompressionen führten schließlich zum Atem- und Kreislaufstillstand. F. konnte zwar reanimiert werden, erlitt aber - im Zusammenwirken mit einer durch die Kompressionen oder die Reanimation ausgelösten Aspirationspneumonie - eine hypoxiebedingte Gehirnschädigung, an deren Folgen er wenige Tage darauf verstarb.
4b) Bei der Strafbemessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "eine sehr erfahrene und ausgesprochen gut ausgebildete Sicherheitskraft war" und dass er "in der konkreten Situation durchaus Handlungsalternativen hatte"; so hätte er F. "ohne weiteres loslassen können" und, wenn dieser dann auf dem Gelände geblieben wäre, "professionelle Hilfe durch die Polizei herbeiholen können". Damit hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen, denn es hat Erwägungen angestellt, die es als strafschärfend werten, dass der Angeklagte die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen (, NStZ-RR 2001, 295).
52. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
6Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Kr. auch insoweit abgelehnt, als diese bekunden sollte, sie habe die ihr zugetragenen Erkenntnisse über Bedrohungen einzelner Gäste mit einem Messer dem Zeugen M. mitgeteilt, der seinerseits "den Angeklagten R. entsprechend informierte". Hierbei handelte es sich schon deswegen um keinen Beweisantrag, weil sich dem Beweisbegehren nicht entnehmen ließ, was genau Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll; damit fehlte es an der Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache (s. , BGHSt 39, 251, 253 f.). Im Hinblick auf das sonstige Beweisergebnis war das Landgericht durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten, diesem Begehren durch Vernehmung der Zeugin nachzukommen.
7Der Senat kann deshalb erneut offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (hierzu , StV 2008, 9; Urteil, vom - 5 StR 38/08, NJW 2008, 3446). Ebenso kann der Senat offen lassen, ob der Verweis des Landgerichts auf das bisherige Beweisergebnis den sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Begründungserfordernissen überhaupt genügt hätte (vgl. , Rn. 24, StV 1993, 3, 4; , NStZ 2002, 383).
8Der Schriftsatz des Verteidigers vom hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer
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IAAAD-51929