Wohnraummiete: Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Umzug in eine Ersatzwohnung wegen Modernisierungsmaßnahmen; Aufwendungsersatzanspruch des Mieters
Gesetze: § 554 Abs 4 BGB, § 552a ZPO
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 2 S 91/09 (059)vorgehend AG Magdeburg Az: 151 C 1717/08 (151)
Gründe
11. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzes wendet. Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt - auf den Grund des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs - zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor, wohl aber, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreicht(st. Rspr.; BGHZ 153, 358, 360 f.; , WuM 2009, 516, Tz. 13, vom - VIII ZR 243/08, WM 2009, 2334, Tz. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ 182, 241 vorgesehen, und vom - VIII ZR 164/08, WuM 2009, 733, Tz. 11), aus den Gründen des Urteils.
2Aus der Begründung des Berufungsurteils geht eindeutig hervor, dass das Berufungsgericht die Revision wegen der von ihm als klärungsbedürftig angesehen Frage zugelassen hat, inwieweit das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über die ursprüngliche Mietwohnung mit dem wegen Modernisierungsarbeiten erfolgten Umzug in die (vorübergehende) Ersatzwohnung fortgesetzt worden ist. Dies betrifft nur den Anspruchsgrund. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf den Anspruchsgrund ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich ( aaO, und vom - VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858, Tz. 12; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 199/09, WuM 2010, 294, Tz. 7; , NJW 2004, 3176, unter II 1) und daher wirksam.
32. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt auch im Rahmen der vorstehend genannten Beschränkung nicht vor. Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen weder den von ihm genannten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung noch liegt einer der weiteren im Gesetz genannten Zulassungsgründe vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die sowohl für das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 554 Abs. 4 BGB als auch für dessen mögliche Verjährung maßgebliche Frage, inwieweit das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis mit dem Umzug in die (vorübergehende) Ersatzwohnung fortgesetzt worden ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung und ist vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
43. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass den Klägern ein Anspruch auf Ersatz der ihnen im Zusammenhang mit dem Umzug aus der ursprünglichen Mietwohnung in die (vorübergehende) Ersatzwohnung entstanden Kosten zusteht, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat bei seiner rechtlichen Bewertung des festgestellten Sachverhalts zu Recht der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung entscheidende Bedeutung beigemessen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien vor der Durchführung der von der Beklagten damals angekündigten Modernisierungsarbeiten, in deren Zusammenhang die Wohnung der Kläger in anderen Wohnungen aufgehen sollte, vereinbart, dass die Kläger zur Ermöglichung der Modernisierungsarbeiten aus ihrer ursprünglichen Wohnung ausziehen und vorübergehend in eine andere Wohnung ziehen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt eine (ebenfalls) der Vermieterin gehörende andere Wohnung zu beziehen, die die Kläger bereits besichtigt hatten. Zu dem letztgenannten Umzug kam es nach den Feststellungen jedoch nicht, weil die Beklagte diese Wohnung an einen Dritten zur Nutzung überlassen hatte.
5Die Einwände der Revision gegen die vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage vorgenommene rechtliche Beurteilung greifen nicht durch.
6a) Soweit das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalls die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 554 Abs. 4 BGB als gegeben erachtet hat, ist dies jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7aa) Ohne Erfolg rügt die Revision, ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 554 Abs. 4 BGB sei schon deshalb zu verneinen, weil es an einer Duldungspflicht der Kläger (§ 554 Abs. 1, 2 BGB) gefehlt habe. Die Revision macht insoweit geltend, für die Kläger sei mit den Modernisierungsmaßnahmen keine Verbesserung verbunden gewesen, da ihre Wohnung weggefallen sei. Auf eine durch die Maßnahmen möglicherweise eingetretene Verbesserung des Gebäudes insgesamt komme es nicht entscheidend an. Das Berufungsgericht habe bei seiner Annahme des Bestehens einer Duldungspflicht denkfehlerhaft auf den Umstand abgestellt, dass sich die Kläger nicht auf einen Ausschluss der Duldungspflicht berufen hätten. Die Duldungspflicht könne jedoch nicht so weit reichen, dass der Mieter endgültig aus der Wohnung auszuziehen habe.
8Es kann offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls eine Duldungspflicht der Kläger aufgrund der gesetzlichen Regelung (§ 554 Abs. 2 BGB) bestand. Denn wenn die Kläger nicht schon kraft Gesetzes zur Duldung auch derjenigen Modernisierungsmaßnahmen, die zum Wegfall ihrer Wohnung führen sollten, verpflichtet gewesen wären, haben sie sich jedenfalls im Rahmen der oben erwähnten Vereinbarung auf Bitten der Beklagten mit der Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen einverstanden erklärt und hierdurch eine Duldungspflicht begründet.
9Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 554 Abs. 4 BGB begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht auch dem Mieter, der sich mit einer über die gesetzlichen Grenzen der Duldungspflicht hinausgehenden Modernisierungsmaßnahme einverstanden erklärt hat und damit - wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht - den Interessen des Vermieters in besonderem Maße entgegengekommen ist, einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zugebilligt (ebenso Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 554 Rdnr. 29) und ihn damit nicht schlechter behandelt hat als einen Mieter, der sich auf die Einhaltung der Grenzen des § 554 Abs. 1, 2 BGB beruft.
10bb) Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Auszug der Kläger aus ihrer ursprünglichen Wohnung habe nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses der Parteien geführt. Ausgangspunkt für diesen Einwand ist die ganz überwiegend vertretene Auffassung, dass in den Fällen, in denen der Mieter kündige oder endgültig aus der Wohnung ausziehe, um den mit einer Modernisierung verbundenen Belästigungen zu entgehen, die mit dem Umzug in eine andere Wohnung verbundenen Kosten - anders als wenn der Mieter nur für die Dauer der Maßnahmen in eine Ersatzwohnung ziehe - nicht als Aufwendungen im Sinne des § 554 Abs. 4 BGB zu bewerten seien und daher dem Mieter insoweit kein Aufwendungsersatzanspruch zustehe (Blank/Börstinghaus,Miete, 3. Aufl., § 554 BGB Rdnr. 55; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 554 BGB Rdnr. 330; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 554 Rdnr. 57; Beddies, ZMR 2004, 436; aA AG Dresden, ZMR 2004, 435).
11Entgegen der Auffassung der Revision lässt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach das Mietverhältnis der Parteien durch den Auszug der Kläger nicht beendet, sondern lediglich durch die getroffene Vereinbarung modifiziert worden sei, keinen Rechtsfehler erkennen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene tatrichterliche Auslegung der zwischen den Parteien hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahmen und des Auszugs aus der Wohnung getroffenen Individualvereinbarung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob der Auslegungsstoff nicht vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (BGHZ 150, 32, 37; , NJW 2009, 840, Tz. 9; vom - V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Tz. 8; vom - II ZR 68/08, WM 2009, 861, Tz. 12). Solche revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler weist das Berufungsurteil indessen nicht auf.
12Es ist auch nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht bei seiner Auslegung die rechtlichen Anforderungen, die an die Annahme einer Schuldumschaffung (Novation) zu stellen sind, verkannt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung - die auch die Hauptleistungspflichten, zum Beispiel in Form eines Austauschs des Mietobjekts betreffen kann (, NJW 1992, 2283, unter II 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Auflage, § 311 Rdnr. 3) - und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen einer Novation ist bei deren Annahme Vorsicht geboten und deshalb im Zweifel von einer bloßen Vertragsänderung auszugehen (, NJW 1986, 1490, unter I 3 a; vom - IX ZR 287/98, NJW 1999, 3708, unter I 1; vom - IX ZR 443/00, NJW 2003, 59, unter I 3 a; Palandt/Grüneberg, aaO, Rdnr. 8). Für die Annahme einer Novation muss ein dahingehender Vertragswille deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen und darf den Parteien nicht unterstellt werden ( aaO; Palandt/Grüneberg, aaO). Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit diesen Maßstäben im Einklang. Das Berufungsgericht hat in seine Würdigung des Inhalts der Vereinbarung der Parteien auch die Umstände einbezogen, die nach Auffassung der Revision für eine Beendigung des Mietverhältnisses der Parteien sprechen.
13Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, genauere Feststellungen dazu zu treffen, wer zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Parteien Eigentümer der Übergangswohnung gewesen sei. Für die rechtliche Beurteilung kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn der Aufenthalt in dieser Wohnung war nach der Vereinbarung der Parteien ohnehin nur als Zwischenschritt geplant. Zudem hat weder die Beklagte vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung der Wohnung in der H. Straße an die Kläger nicht (zumindest) - was ausreicht - rechtmäßige Besitzerin dieser Wohnung gewesen sei.
14b) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass der von den Klägern geltend gemachte Anspruch nicht verjährt ist. Wegen des festgestellten Fortbestands des Mietverhältnisses der Parteien hatte der Lauf der Verjährungsfrist bei Klageerhebung noch nicht begonnen.
154. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Ball Dr. Hessel Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Bünger
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
PAAAD-48847