BFH Beschluss v. - III B 47/09

Merkmal der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken i.S.v. § 3 InvZulG 1999 dient der Abgrenzung zu § 4 InvZulG 1999

Gesetze: InvZulG § 3 Abs. 1, AO § 15

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 1817/06

Gründe

1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte für die Errichtung einer Dachgeschosswohnung in dem ihr und ihrem Ehemann, dem Beigeladenen, gehörenden Mehrfamilienhaus Investitionszulage für das Streitjahr 2004. Die Wohnung war ab Oktober 2004 an den im Streitjahr noch minderjährigen Sohn (S) vermietet. S, der als Schüler über keine eigenen Einkünfte verfügte, konnte den vereinbarten Mietpreis erst zahlen, nachdem ihm zuvor jeweils per Dauerauftrag die Miete je zur Hälfte von seiner Großmutter und von seinem Vater, dem Beigeladenen, überwiesen worden war. Mitte Dezember 2004 zog auch die bereits volljährige Lebensgefährtin des S mit dem gemeinsamen Sohn in die Wohnung ein und schloss ab dem einen ansonsten identischen Folgemietvertrag mit der Klägerin und dem Beigeladenen.

2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) lehnte den Antrag auf Festsetzung von Investitionszulage ab 2004 ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus:

3 Die Gewährung von Investitionszulage setze nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) u.a. voraus, dass das Gebäude nach Fertigstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken diene. Dies setze jedenfalls ein steuerlich anzuerkennendes Vertragsverhältnis voraus, denn nach Sinn und Zweck der Norm sei sicherzustellen, dass die geförderte Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder unentgeltlich überlassen werde. Ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis habe 2004 jedoch weder vorgelegen noch sei die Wohnung in diesem Zeitraum entsprechend vorgehalten worden. Denn der Mietvertrag mit S sei zivilrechtlich unwirksam gewesen, da S minderjährig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne zwar auch ein zunächst formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen ausnahmsweise von vornherein steuerlich anerkannt werden, wenn aus den besonderen übrigen Umständen des konkreten Einzelfalles ein ernsthafter Bindungswille der Angehörigen zweifelsfrei abgeleitet werden könne. Dies treffe jedenfalls dann zu, wenn den Angehörigen aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht anzulasten sei, dass sie die Formvorschriften zunächst nicht beachtet hätten, und wenn sie zeitnah nach dem Auftauchen von Zweifeln alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hätten, um die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags herbeizuführen (, BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386). Schon die erste Voraussetzung sei hier aber nicht gegeben, denn es sei nicht ersichtlich, weshalb der Klägerin und dem Beigeladenen die bewusste Nichteinhaltung der Formvorschriften nicht anzulasten sein solle. Aber auch an der zeitnahen Dokumentation des Bindungswillens, etwa durch Beantragung der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder durch Genehmigung durch den längst volljährigen S fehle es. Vielmehr hätten die Klägerin und der Beigeladene einen neuen und wegen des geänderten Vertragspartners nicht vergleichbaren Mietvertrag abgeschlossen und damit klar gezeigt, dass sie den ursprünglichen Vertrag mit S gerade nicht als bindend angesehen hätten. Somit könne das zivilrechtlich nach wie vor unwirksame Mietverhältnis mit S investitionszulagerechtlich nicht anerkannt werden. Darüber hinaus liege auch ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) vor.

4 Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

5 Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob die Gewährung von Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis voraussetze. Zudem sei zu klären, welche tatsächlichen Umstände auf das Vorliegen eines Mietverhältnisses schließen lassen könnten. Generell stelle sich die Frage, ob ein zunächst formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen steuerlich anerkannt werden könne.

6 Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass keine entgeltliche Nutzungsüberlassung zu Wohnzwecken gegeben sei. Denn dies setze keinen zivilrechtlich wirksamen Mietvertrag voraus. Nach der Rechtsprechung des BFH könne auch ein zunächst formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen steuerlich anerkannt werden, wenn aus den besonderen übrigen Umständen des Einzelfalles ein ernsthafter Bindungswille der Angehörigen zweifelsfrei abgeleitet werden könne. Dies sei, wie der BFH in seinen Urteilen in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386 und vom IX R 45/06 (BFHE 217, 409) ausgeführt habe, zu vermuten, wenn zeitnah nach dem Auftauchen von Zweifeln alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen würden, um die zivilrechtliche Wirksamkeit herbeizuführen. Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass die Klägerin einen entsprechenden Bindungswillen nicht gehabt habe, da sie keine Maßnahmen ergriffen habe, um die Formunwirksamkeit zu beseitigen. Denn die Klägerin und der Beigeladene hätten unmittelbar nach dem Aufkommen von Zweifeln an der Wirksamkeit des Mietvertrags mit S einen wirksamen Mietvertrag mit ihrer Schwiegertochter abgeschlossen. Dadurch hätten sie dem ursprünglichen Bindungswillen Rechnung getragen, denn die Schwiegertochter und S hätten gemeinsam in der Wohnung gelebt. Der Abschluss des Mietvertrags mit der Schwiegertochter sei der einfachere Weg gewesen. Im Übrigen hätte es zur Begründung der zivilrechtlichen Wirksamkeit mit S der Bestellung eines Ergänzungspflegers und dessen Zustimmung zum Vertrag bedurft.

7 Zudem sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da die Rechtsauffassung des FG zum Gestaltungsmissbrauch von der Rechtsprechung des BFH abweiche.

8 II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

9 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Diese liegt nur vor, wenn die Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Zudem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig sein. Dies ist sie nicht, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (z.B. , BFH/NV 2008, 1445). Das ist hier der Fall.

10 In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass das Merkmal der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken in § 3 InvZulG 1999 der Abgrenzung zu § 4 InvZulG 1999 dient, der unter den dort genannten Voraussetzungen Modernisierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum und an einer Wohnung begünstigt, die unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird (Senatsurteil vom III R 27/07, BFH/NV 2010, 65). Dementsprechend ist es für den Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 auch ohne Bedeutung, ob der Anspruchsberechtigte mit der entgeltlichen Nutzungsüberlassung steuerlich zu berücksichtigende Einkünfte erzielt. Entscheidend ist lediglich, ob nach der der Nutzungsüberlassung zugrunde liegenden Vereinbarung für die Überlassung eine Gegenleistung zu erbringen ist und diese auch tatsächlich erbracht wird (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 65). Daraus folgt aber zugleich, dass die der Nutzungsüberlassung zugrunde liegende Vereinbarung zivilrechtlich wirksam sein muss, da andernfalls keine rechtliche Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung besteht.

11 Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe zu Unrecht einen Bindungswillen der Klägerin und des Beigeladenen verneint, rügt sie lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung des FG, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

12 2. Fehlt es schon an durchgreifenden Zulassungsgründen für die selbständig tragende Begründung des FG, es liege keine entgeltliche Nutzungsüberlassung i.S. des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob hinsichtlich der weiteren Begründung des FG, es liege zudem ein Gestaltungsmissbrauch vor, Zulassungsgründe gegeben sind.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1857 Nr. 10
MAAAD-48553