Hinterbliebenenversorgung - Ausschluss von Ehepartnern bei Eheschluss nach dem Ausscheiden
Leitsatz
1. Eine Versorgungszusage kann den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung davon abhängig machen, dass die Ehe vor dem (vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde.
2. Die einschränkende Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, steht weder im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 GG noch zur gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmung des § 1b BetrAVG. Sie stellt auch keine unzulässige Benachteiligung/Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts dar.
Gesetze: § 1b Abs 1 BetrAVG, § 1 Abs 1 BetrAVG, § 16 BetrAVG, § 1 AGG, § 2 Abs 2 S 2 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 6 Abs 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, Art 2 Abs 2 Buchst b EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 2 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 GG, Art 2 EGRL 54/2006
Instanzenzug: ArbG Mannheim Az: 8 Ca 82/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 14 Sa 89/07 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin von der Beklagten(frühere Beklagte zu 2.) eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann.
2Die Klägerin ist die Witwe des am geborenen und am verstorbenen Norbert S. Die Ehe war am geschlossen worden.
3Herr Norbert S war aufgrund Arbeitsvertrages vom mit dem selben Tage in die Dienste der zum FLÄKT-Konzern gehörenden S GmbH(später: FLÄKT GmbH) getreten.
Für die zum FLÄKT-Konzern gehörenden Gesellschaften existierte bzw. existiert eine betriebliche Altersversorgung, welche Regelungen nach näherer Maßgabe der Bestimmungen der FLÄKT-Versorgungsordnung vom (im Folgenden: FLÄKT-VO) vorsieht. Die FLÄKT-VO ist in einer Broschüre abgedruckt, die den Mitarbeitern, so auch Herrn S, ausgehändigt wurde. Im „Vorwort“ dieser Broschüre heißt es ua.:
Unter „Grundzüge der FLÄKT-Versorgung“ heißt es in der Broschüre wie folgt:
Die FLÄKT-VO lautet auszugsweise wie folgt:
7Mit Wirkung vom traten die FLÄKT Industrieanlagen GmbH und mit Wirkung vom die FLÄKT-Umwelttechnik GmbH mit allen Rechten und Pflichten in das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und die diesem nach Maßgabe der FLÄKT-Versorgungsordnung vom erteilte Versorgungszusage ein. Die FLÄKT-Umwelttechnik GmbH wurde am in ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH umbenannt.
8Zum wurde dem verstorbenen Ehemann der Klägerin die Position des Abteilungsleiters „Verkauf - Produktleitung -“ im Sinne eines Vertriebsmanagers im Betrieb der Hauptabteilung Verkauf von der ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH übertragen. Nachdem die ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH das mit Herrn S bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom ordentlich zum gekündigt hatte, einigten sich die Vertragsparteien in einem Aufhebungsvertrag vom sodann auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 190.000,00 DM.
9Nach dem erhielt der verstorbene Ehemann der Klägerin von der D GmbH eine Mitteilung über die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG, basierend auf einer Berechnung der D GmbH vom .
10Die ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH wurde am auf die ABB FLÄKT GmbH verschmolzen; Rechtsnachfolgerin wurde die ABB Reaktor GmbH durch Verschmelzung vom . Diese wiederum wurde in die ABB Beteiligungsmanagement GmbH, die Beklagte, überführt.
11Die Klägerin machte nach dem Tode ihres Ehemannes Ansprüche auf Hinterbliebenenrente geltend. Mit Schreiben vom lehnte die ABB AG, Mannheim, die erstinstanzliche Beklagte zu 1. den Anspruch der Klägerin unter Hinweis darauf ab, nach ihrer Versorgungsordnung sei Voraussetzung für die Zahlung einer Hinterbliebenenrente, dass die Ehe bereits vor Austritt aus dem Unternehmen geschlossen wurde. Dies sei nicht der Fall. Bei der ABB AG, Mannheim, handelt es sich um die Konzernobergesellschaft des deutschen Teils des ABB-Konzerns. Diese war Gesellschafterin der ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH und ist Gesellschafterin der Beklagten.
Bei der ABB AG besteht eine Versorgungsregelung, die in zwei Konzernbetriebsvereinbarungen geregelt ist, nämlich:
13Dabei wird die Grundversorgung für alle Arbeitnehmer(mit Ausnahme der leitenden Angestellten) in der ABB-VO vom geregelt. Diese wird für Mitarbeiter mit festgesetztem Entgelt über der Beitragsbemessungsgrenze durch die Zusatzversorgung aufgestockt.
In der ABB-VO heißt es ua.:
Am hatte die Geschäftsleitung der ABB FLÄKT GmbH für diese sowie die ABB FLÄKT Lufttechnik GmbH, die ABB FLÄKT Management Services GmbH, die ABB FLÄKT Produkte GmbH, die ABB FLÄKT Service GmbH, die ABB Oberflächenanlagen GmbH sowie die ABB Umwelttechnik GmbH mit den Betriebsräten dieser Gesellschaften (die Gesamtbetriebsräte in Vollmacht für die Betriebsräte) eine Betriebsvereinbarung zur Harmonisierung der Arbeitsbedingungen (im Folgenden: BV ABB 1993) abgeschlossen. Ausgenommen sein sollten die Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen nachstehend aufgeführter organisatorischer Einheiten:
In der BV ABB 1993 heißt es weiter ua. wie folgt:
17Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten für die Zeit ab November 2006 die Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente iHv. 224,71 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch folge aus der FLÄKT-VO. Diese VO enthalte keinen Ausschluss für den Fall der Spätverheiratung nach dem Ausscheiden. Auf das Vorwort der Broschüre könne die Beklagte sich nicht berufen, da dieses nicht zur Versorgungsordnung gehöre. § 7 ABB-VO schließe den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht aus. Die FLÄKT-VO sei durch die ABB-VO nicht abgelöst worden. Unabhängig davon, welche Versorgungsordnung zur Anwendung komme, sei die Voraussetzung, dass die Ehe bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sein muss, mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters bzw. des Geschlechts nach Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, dem AGG und der RL 2000/78/EG nicht vereinbar. Ein solcher Ausschlusstatbestand sei auch wegen Verstoßes gegen Art. 6 GG nichtig.
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
19Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie steht auf dem Standpunkt, ein Anspruch der Klägerin könne sich allenfalls aus der ABB-VO ergeben. Diese habe aufgrund Nr. 2.3 der BV ABB 1993 die FLÄKT-VO abgelöst. Nach § 7 der ABB-VO habe die Klägerin keinen Anspruch, da die Ehe erst nach dem Ausscheiden ihres verstorbenen Ehemannes geschlossen worden sei. Aber auch dann, wenn die FLÄKT-VO zur Anwendung komme, ergebe sich nichts anderes. Zum einen sei bereits in der Broschüre auf den entsprechenden Ausschlusstatbestand hingewiesen worden; zum anderen regele die Versorgungsordnung selbst nur Witwenrentenansprüche bei den im aktiven Arbeitsverhältnis versterbenden Mitarbeitern und bei Rentenbeziehern. Der Ausschlusstatbestand der Eheschließung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtlich nicht zu beanstanden. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Witwenrente habe, stehe ihr auch kein Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG zu. Im Übrigen sei die Dreijahresfrist des § 16 BetrAVG noch nicht abgelaufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte zu 1. sei nicht passiv legitimiert; ebenso sei die Klage gegenüber der seinerzeitigen Beklagten zu 2. unbegründet. Die Klägerin hat hiergegen insoweit Berufung eingelegt, als die Klage gegen die seinerzeitige Beklagte zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente sowie entsprechende Anpassung nach § 16 BetrAVG weiter.
Gründe
21Die zulässige Revision ist unbegründet. Die zulässige Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Die Klage mit dem Antrag zu 3. ist unzulässig.
22A. Die Revision der Klägerin ist zulässig.
23Sie ist aufgrund der Zulassung im Urteil des Landesarbeitsgerichts statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG sowie fristgerecht begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO.
24Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit ihren im Schriftsatz vom gestellten Anträgen von den Anträgen aus der Vorinstanz abweicht.
25I. Die Klägerin hatte zuletzt(beim Landesarbeitsgericht) die Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente iHv. monatlich 224,71 Euro (= insgesamt 3.145,94 Euro) für die Zeit von November 2006 bis Dezember 2007 sowie für die Zeit ab dem bis zu einer eventuellen Wiederverheiratung lebenslang bis zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Hinterbliebenenrente iHv. 224,71 Euro eingeklagt (Anträge zu 1. und 2.), und mit ihrem Antrag zu 3. die Anpassung der monatlichen Hinterbliebenenrente nach § 16 BetrAVG verlangt.
26II. In der Revisionsbegründungsschrift vom hatte sie ihre Klage auf Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente um die Zeit von Januar bis September 2008 „erweitert“, dh. insgesamt 5.168,33 Euro gefordert und mit ihrem Antrag zu 2. die „lebenslange Witwenrente“ erstmalig seit Oktober 2008 geltend gemacht. Ihren Antrag zu 3. hatte sie dahin konkretisiert, dass sie die Anpassung nach § 16 BetrAVG für die Zeit ab November 2006 verlangt hat, hilfsweise hatte sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Anpassung der Hinterbliebenenrente nach § 16 BetrAVG dem Grunde nach verpflichtet ist.
27III. Mit Schriftsatz vom hat sie nunmehr ihre Klage auf Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente um die Zeit von Oktober 2008 bis März 2010 „erweitert“, dh. insgesamt 9.213,11 Euro gefordert und mit ihrem Antrag zu 2. die „lebenslange Witwenrente“ erst für die Zeit ab April 2010 geltend gemacht. Den Antrag zu 3. aus der Revisionsbegründungsschrift hat sie unverändert beibehalten.
28IV. Zwar ist anerkannt, dass Änderungen und Erweiterungen des Sachantrags in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig sind; dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Veränderung des Klageantrags unter § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO fällt und auch der neue Antrag auf unstreitiges oder tatsächlich festgestelltes Vorbringen gestützt werden kann(vgl. - zu II der Gründe mwN). So liegt der Fall hier.
29Bei den veränderten Klageanträgen zu 1. und 2. handelt es sich - wenn überhaupt - lediglich um Erweiterungen bzw. Beschränkungen der Klageanträge in der Hauptsache iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Es bestehen keine prozessualen Bedenken dagegen, dass die Klägerin ihren Antrag zu 2. auf wiederkehrende Leistungen zum Teil in einen Antrag auf Zahlung rückständiger Leistungen geändert hat. Soweit sie mit dem Antrag zu 2. nunmehr wiederkehrende Leistungen erst für die Zeit ab April 2010 verlangt, liegt lediglich eine Änderung im Hinblick auf den Beginn des Bezugszeitraums vor, die in dem ursprünglich gestellten Antrag zu 2. bereits enthalten war.
30Der Hauptantrag zu 3. stellt sich als Konkretisierung des ursprünglichen Antrags zu 3. dar. Der Hilfsantrag zu 3. erweist sich als Minus gegenüber dem Hauptantrag zu 3.; vor diesem Hintergrund handelt es sich um eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache nach § 264 Nr. 2 ZPO.
31Dass die letzte Änderung der Klageanträge mit Schriftsatz vom und damit außerhalb der Revisionsbegründungsfrist erfolgte, steht der Zulässigkeit der Revision nicht entgegen. Die neuen Anträge werden von der fristgerechten Revisionsbegründung bereits erfasst(vgl. Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 551 Rn. 7).
32B. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Die zulässige Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Die Klage mit den Anträgen zu 3. ist unzulässig.
33I. Die Klage ist mit den Anträgen zu 1. und 2. zulässig, mit den Anträgen zu 3. jedoch unzulässig.
341. Auch der auf künftige Ruhegeldzahlungen gerichtete Klageantrag zu 2. ist nach § 258 ZPO zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde(vgl. - zu A 2 der Gründe, AP BetrAVG § 7 Nr. 96 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 62).
352. Die Klageanträge zu 3. sind unzulässig.
36a) Der Zahlungsantrag ist bereits nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und deshalb unzulässig. Zwar ist ein bezifferter Leistungsantrag nicht nötig, weil das Gericht den zu zahlenden Betrag nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB rechtsgestaltend bestimmt. Allerdings ist die Angabe eines Mindestbetrages erforderlich, woran es vorliegend fehlt(vgl. hierzu - zu I 2 der Gründe, BAGE 81, 167).
37b)Der Hilfsantrag ist mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig. Dass der Versorgungsschuldner zur Prüfung und Entscheidung über eine Anpassung laufender Betriebsrenten verpflichtet ist, ergibt sich aus § 16 BetrAVG, also aus dem Gesetz. Die Vorfrage, ob überhaupt eine Verpflichtung zur Zahlung der begehrten Hinterbliebenenversorgung besteht, wird bereits durch die Entscheidung über die Klageanträge zu 1. und 2. geklärt.
38II. Soweit zulässig, ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente für die Zeit ab November 2006. Ihr verstorbener Ehemann war zwar mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 1. Alt. BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden; diese unverfallbare Versorgungsanwartschaft erfasste allerdings keine Hinterbliebenenversorgung für einen Ehegatten. Es kann offenbleiben, ob Herr S die Versorgungsanwartschaft auf der Grundlage der FLÄKT-VO oder auf der Grundlage der ABB-VO erworben hatte, dh. ob die FLÄKT-VO aufgrund der BV ABB 1993 durch die ABB-VO wirksam abgelöst wurde. Deshalb kann ebenso dahinstehen, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin leitender Angestellter war, ob die BV ABB 1993 wirksam ist und ob die ABB-VO bei kollektiver Betrachtung tatsächlich günstiger war. Sowohl nach VI. FLÄKT-VO als nach § 7 ABB-VO ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn - wie hier - die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind die in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO enthaltenen einschränkenden Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wirksam.
391. Die Versorgungsregelungen geben einen Anspruch der Klägerin nicht her.
40Die Zahlung von Hinterbliebenenrente in Form der Witwenrente setzt sowohl nach VI. FLÄKT-VO als auch nach § 7 Abs. 2 ABB-VO voraus, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. In § 7 ABB-VO ist diese einschränkende Voraussetzung ausdrücklich geregelt. Aber auch VI. 1. (a) FLÄKT-VO enthält diese Anforderung. Hier ist diese Voraussetzung zwar nicht ausdrücklich aufgeführt; das Erfordernis, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, folgt jedoch aus einer Auslegung der als Gesamtaussage zu qualifizierenden FLÄKT-VO nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien.
41a) Bei der FLÄKT-VO handelt es sich um eine Gesamtzusage, die nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers auszulegen ist.
42aa) Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer besonderen Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf(vgl. - Rn. 24, AP BGB § 151 Nr. 4). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen ( - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22).
43Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich gem. §§ 133, 157 BGB nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln. Gesamtzusagen sind als „typisierte Willenserklärungen“ nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungssinn aus der Sicht des Empfängers( - Rn. 15, BAGE 124, 210). Die Auslegung der Gesamtzusage durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 59 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 46).
44bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist die FLÄKT-VO als Gesamtzusage zu qualifizieren. Mit der Aushändigung der Broschüre „FLÄKT-Versorgung“ an alle Mitarbeiter durch die S GmbH hatte diese kundgetan, jedem Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen der FLÄKT-VO erfüllte, die dort vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Durch die Überreichung der Broschüre wurden die einzelnen Arbeitnehmer auch typischerweise in die Lage versetzt, von dieser Erklärung Kenntnis zu nehmen.
45cc) Die dem verstorbenen Ehemann der Klägerin durch die S GmbH erteilte Versorgungszusage hat ihren Charakter als Gesamtzusage nicht dadurch verloren, dass am die FLÄKT Industrieanlagen GmbH und mit Wirkung zum die FLÄKT Umwelttechnik GmbH mit allen Rechten und Pflichten in das Arbeitsverhältnis zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und dem jeweils früheren Arbeitgeber und insbesondere im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in die nach Maßgabe der FLÄKT-VO erteilte Versorgungszusage eingetreten sind. Mit diesem „Eintritt“ in die nach Maßgabe der FLÄKT-VO erteilte Versorgungszusage wurde gerade keine neue inhaltsgleiche Versorgungszusage erteilt; es wurde vielmehr ausdrücklich Bezug genommen auf das aus der FLÄKT-VO resultierende Versorgungsversprechen, dieses sollte so, wie es erteilt war, zwischen dem „neuen“ Arbeitgeber und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin fortbestehen, sein Rechtscharakter sollte mithin nicht geändert werden.
46b) Die Auslegung von VI. 1. (a) FLÄKT-VO ergibt, dass ein Anspruch auf Witwenrente nur entstehen sollte, wenn die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen worden war.
47aa) Da der vorzeitig ausgeschiedene Ehemann der Klägerin zu einem Zeitpunkt verstorben ist, zu dem er noch kein Ruhegeldempfänger war - er bezog weder Altersrente, noch vorgezogene Altersrente, noch Invalidenrente iSv. II. 1. FLÄKT-VO -, findet VI. 2. (a) FLÄKT-VO von vornherein keine Anwendung. Eine unverfallbare Anwartschaft auch auf Hinterbliebenenrente könnte demnach allenfalls nach Maßgabe von VI. 1. (a) FLÄKT-VO entstanden sein. Danach erwirbt einen Anspruch auf Witwenrente die hinterlassene Ehefrau eines Anwärters mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und dass bereits ab 1. Januar vor seinem Tod die Wartezeit(III) und seit mindestens einem Jahr die Aufnahmevoraussetzungen (I 1) erfüllt waren und die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.
48bb) Eine Auslegung dieser Regelung nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers ergibt, dass die Ehe vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des ruhegeldberechtigten Mitarbeiters geschlossen sein musste. Unter dem „Anwärter“ iSv. VI. 1. (a) FLÄKT-VO ist der aktive Mitarbeiter mit Anwartschaft zu verstehen. Wenn mit dessen Tod die Ehefrau einen Anspruch auf Witwenrente erwerben soll, dann muss die Ehe zwangsläufig vor Eintritt des Versorgungsfalles „Tod“ geschlossen worden sein.
49(1) Zwar kann sich die Klägerin für ihr Verständnis des Begriffs „Anwartschaft“ sowohl auf den allgemeinen, als auch auf den juristischen Sprachgebrauch berufen, wonach unter „Anwärter“ derjenige zu verstehen ist, der eine Anwartschaft erworben hatte, mithin auch der mit unverfallbarer Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer. Allerdings haben das allgemeine Sprachverständnis und auch der juristische Sprachgebrauch nur dann Auswirkungen für die Auslegung des Begriffs „Anwärter“, wenn dieser Begriff in VI. 1. (a) FLÄKT-VO in einem solche Sinne und nicht im Sinne eines spezifischen Sprachgebrauchs der FLÄKT-VO verwendet wurde. Letzteres ist jedoch der Fall:
(2) Die FLÄKT-VO enthält unter II. 1. eine eigenständige Definition des Begriffs „Anwärter“. Hier heißt es:
51In dieser Regelung ist gerade nicht von dem ehemaligen oder früheren Mitarbeiter die Rede, sondern von dem Mitarbeiter, also von demjenigen, der in einem aktiven Arbeitsverhältnis steht.
52(3) Dieses Verständnis des Begriffs des „Anwärters“ wird bestätigt durch systematische Erwägungen.
53Die FLÄKT-VO geht in ihren unter II., IV. und V. getroffenen allgemeinen Regeln davon aus, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Betrieb verblieben ist und mit seinem Ausscheiden die gesetzliche und betriebliche Rente in Anspruch nimmt. So setzt der Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO aufgeführte „Altersrente“ nach V. 1. FLÄKT-VO voraus, dass das Arbeitsverhältnis mit oder nach Erreichen der festen Altersgrenze(Vollendung des 65. Lebensjahres - IV. FLÄKT-VO) geendet hat. Den Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO angeführte „vorzeitige Altersrente“ erwirbt der Mitarbeiter nach V. 2. FLÄKT-VO, wenn er vor Erreichen der festen Altersgrenze Altersruhegeld oder Knappschaftsruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (...) in Anspruch nimmt. Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO ebenfalls vorgesehene Invalidenrente hat der Anwärter nach V. 3. (a) FLÄKT-VO, dessen Arbeitsverhältnis zur FLÄKT vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und der spätestens ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses Invalide ist.
54Demgegenüber sind unter XIV. FLÄKT-VO die Ansprüche all derjenigen Mitarbeiter geregelt, deren Arbeitsverhältnis geendet hat, bevor ein Anspruch nach der Versorgungsordnung erworben wurde, dh. die vor Eintritt der Versorgungsfälle „Alter“, „vorgezogene Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ sowie „Invalidität“, mithin vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu FLÄKT ausgeschieden sind. In dem Fall bleibt eine Anwartschaft auf FLÄKT-Renten in dem im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgeschriebenen Umfang aufrechterhalten. Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft erfüllt sind. Damit enthält die FLÄKT-VO unter XIV. „Unverfallbarkeit“ eine Bestimmung über die Ansprüche der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter allein durch konkretisierenden Verweis auf das Betriebsrentengesetz.
55Dass mit dem „Anwärter“ iSv. VI. 1. (a) FLÄKT-VO nur der aktive Mitarbeiter, also nur derjenige gemeint ist, der noch in einem Arbeitsverhältnis zum Versorgungsschuldner steht, folgt auch aus der unter VIII. 1. FLÄKT-VO getroffenen Regelung zur Höhe der Hinterbliebenenrente. Nach dieser Bestimmung ist Bemessungsgrundlage für die Hinterbliebenenrente nach dem Tode des Anwärters die erreichbare Altersrente(VI. 2. (a)). Diese errechnet sich aus der Anzahl der erreichbaren Dienstjahre (IX. 3.) an Stelle der rentenfähigen Dienstjahre und dem rentenfähigen Arbeitsverdienst (also gerade nicht nach der pro-rata-temporis-Methode des § 2 BetrAVG). Auch hier wird also vorausgesetzt, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Betrieb verblieben ist, die Ehe also bereits vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens geschlossen wurde.
56(4) Für eine weite Auslegung des Begriffs „Anwärter“ in VI. 1. (a) FLÄKT-VO unter Einbeziehung der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter spricht auch nicht der Regelungszusammenhang mit VI. 2. (a) FLÄKT-VO, wonach Anspruch auf Witwenrente die hinterlassene Ehefrau eines „früheren“ Mitarbeiters erwirbt, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Ruhegeld hatte. Bei dem „früheren“ Mitarbeiter iSv. VI. 2. (a) FLÄKT-VO muss es sich um einen Mitarbeiter handeln, dessen Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortbestanden hat. Auch hier wirkt sich aus, dass die FLÄKT-VO in ihren allgemeinen Regeln davon ausgeht, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt eines Versorgungsfalls iSv. II. 1. FLÄKT-VO im Betrieb verblieben ist und danach gesetzliche und betriebliche Rente in Anspruch nimmt, und dass die Ansprüche der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter unter XIV. einer eigenständigen Formulierung zugeführt wurden.
57cc) Da bereits die Auslegung der FLÄKT-VO zu dem Ergebnis führt, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach VI. 1. (a) nur dann gegeben ist, wenn die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit FLÄKT geschlossen wurde, kommt es auf die Frage, ob die Beklagte sich für das Verständnis des Begriffs „Anwärter“ auf die in der Broschüre „FLÄKT-VERSORGUNG“ enthaltenen Grundsätze der FLÄKT-Versorgung berufen kann, nicht an.
582. Die Beschränkung des Kreises derer, die einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung erwerben können, steht nicht im Widerspruch zu der gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmung des § 1b Abs. 1 BetrAVG. Diese Bestimmung legt nur unabdingbar fest, dass ein von vornherein eingeräumter Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht dahin eingeschränkt werden kann, dass er nur entstehen soll, wenn der Arbeitnehmer über den Ablauf der Unverfallbarkeitsfrist hinaus bis zum Versorgungsfall im Arbeitsverhältnis bleibt. Eine solche gesetzeswidrige Bleibebedingung zum Nachteil des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und seiner Familie enthält weder die FLÄKT-VO noch die ABB-VO. Diese Bestimmungen schränken vielmehr den Kreis der möglichen Versorgungsberechtigten von vornherein in einer für den Mitarbeiter erkennbare Weise auf Hinterbliebene ein, die bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses in familiärer Beziehung zum Mitarbeiter standen( - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9).
593. Der in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO vorgesehene Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung für den Fall, dass die Ehe erst nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.
60a) Die einschränkende Voraussetzung hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Die Regelung ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Danach sind Bestimmungen in Vereinbarungen - und hierzu gehören sowohl Gesamtzusagen als auch Betriebsvereinbarungen -, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 1. Halbs. AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe - hierzu gehören auch das Alter und das Geschlecht - benachteiligt werden.
61aa) Das AGG ist anwendbar.
62(1) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält( - Rn. 22, BAGE 125, 133). Letzteres ist nicht der Fall.
63(2) Es ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist zwar auf den Beschäftigten(§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG), und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zum maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (offen gelassen noch bei - Rn. 59, AP GG Art. 3 Nr. 315 = EzA AGG § 2 Nr. 3). Das Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft und ein Anspruch auf Betriebsrente begründen ein versorgungsrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Arbeitgeber und dem ehemaligen Arbeitnehmer. Durch die Anwartschaft hat der Arbeitgeber die Verpflichtung, nach den Regeln der Versorgungsordnung das Versorgungsrisiko abzudecken. Dieses aktualisiert sich mit Eintritt des Versorgungs- oder Nachversorgungsfalls. Nach § 6 Abs. 1 AGG gilt das Gesetz zudem nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (vgl. - Rn. 28 u. 37, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). Da der vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Ehemann der Klägerin am , also erst nach Inkrafttreten des AGG am (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europ. RLn zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom - BGBl. I S. 1897) verstorben ist, hätte sich eine etwaige Versorgungsverpflichtung aus der unverfallbaren Anwartschaft unter dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG aktualisiert.
64bb) Die in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO vorgesehene einschränkende Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, dass die Ehe nicht erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, stellt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar.
65(1) Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die in Rede stehenden Versorgungsregelungen knüpfen insoweit - anders als die „zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen“ nach VI. FLÄKT-VO - nicht an das Lebensalter an; sie beruhen auch nicht unmittelbar auf diesem Merkmal.
66(2) Aber auch eine mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor.
67(a) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.
68Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist kein statistischer Nachweis erforderlich, dass eine bestimmte Altersgruppe durch die in Frage stehenden Kriterien tatsächlich wegen ihres Alters benachteiligt wird. Es ist ausreichend, wenn das Kriterium hierfür typischerweise geeignet ist. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot des effet-utile, wonach die Regelungen einer Richtlinie innerhalb ihres Geltungsbereichs tatsächliche Wirksamkeit entfalten sollen(vgl. - Rn. 29, DB 2010, 284).
69Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales kann aber durch ein rechtmäßiges Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden(§ 3 Abs. 2 2. Halbs. AGG). Dabei muss das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, nicht ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verfolgen, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellen. In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung ( - Rn. 30, 31, DB 2010, 284).
70Dieses Normverständnis des § 3 Abs. 2 AGG entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Regelungssystematik. Art. 2 Abs. 2 RL 2000/78/EG unterscheidet zwischen Diskriminierungen, die unmittelbar auf den in Art. 1 RL 2000/78/EG angeführten Merkmalen beruhen(Art. 2 Abs. 2a), und den mittelbaren Diskriminierungen (Art. 2 Abs. 2b). Während eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann (eine Besonderheit gilt für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG), können diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG schon der Qualifikation als Diskriminierung entgehen, sofern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind ( - [Age Concern England] Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 RL 2000/78 Nr. 9). Die weitere Einschränkung, dass unter dem legitimen Ziel insbesondere Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, ist in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG nicht enthalten. Bewirken die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren wegen des Vorliegens eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie deshalb keine mittelbare Diskriminierung, bedarf es keines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ( - [Age Concern England] Rn. 66, aaO; - Rn. 31, DB 2010, 284).
71(b) In Anwendung dieser Grundsätze bewirkt die als neutrales Kriterium formulierte einschränkende Voraussetzung der Eheschließung vor dem Ausscheiden keine mittelbare Benachteiligung der Versorgungsgläubiger wegen des Alters.
72(aa) Das Erfordernis der Eheschließung vor dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.
73VI. 1. (a) FLÄKT-VO und § 7 Abs. 2 ABB-VO wollen mit der einschränkenden Voraussetzung erkennbar erreichen, dass die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken begrenzt werden, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren.
74Dieses Ziel ist rechtmäßig iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus dem Grunde ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Gruppen von Arbeitnehmern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen( - zu II 2 c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 10; - 3 AZR 186/00 - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9; - 3 AZR 6/86 - zu III 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 4 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 2; - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 115, 317).
75Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung( - zu II 2 c aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 10; - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 115, 317). Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie besser kalkulierbar zu halten ( - zu II 2 a aa der Gründe, aaO; - 3 AZR 99/01 - zu II 2 c aa der Gründe, aaO; - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 15, BAGE 118, 340).
76(bb) Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden geschlossen sein muss, ist zur Erreichung des Ziels auch angemessen und erforderlich.
77Die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage soll der Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage seiner Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an( - Rn. 34, DB 2009, 294; - 3 AZR 294/09 - Rn. 25, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). Auch vor diesem Hintergrund kann es dem Versorgungsschuldner - unabhängig von den versicherungsmathematischen Erwägungen, die für den Umfang der zu bildenden Rückstellungen bedeutsam sein können - nicht untersagt werden, die von ihm freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis zu beschränken, hinsichtlich dessen der Versorgungsbedarf bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses angelegt war. Insoweit ist das Ende des Arbeitsverhältnisses für den Versorgungsschuldner eine wesentliche Zäsur und damit ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für Regelungen der Hinterbliebenenversorgung. Die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf dem die Versorgungszusage beruht, kann der Arbeitgeber bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt lassen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil bei der Hinterbliebenenversorgung - anders als bei der Alters- und Invaliditätsversorgung, bei der der Anspruchsberechtigte von vornherein feststeht - der Kreis der Begünstigten in der Versorgungszusage ausdrücklich festgelegt werden muss. Ist allerdings das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet und war der Versorgungsbedarf durch Eheschließung bereits angelegt, so geht es nicht mehr um Risikoübernahme, sondern darum, dafür einzustehen, wenn sich ein übernommenes Risiko verwirklicht.
78cc) Die den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung einschränkende Voraussetzung, dass die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, führt auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung wegen des Geschlechts.
79Da dieses Erfordernis auch im Hinblick auf das Merkmal „Geschlecht“ als neutrales Kriterium formuliert ist, kommt nur eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG in Betracht. Dafür, dass die Voraussetzungen einer stärkeren Betroffenheit eines Geschlechts vorliegen, gibt es indes keine Anhaltspunkte. Im Übrigen scheidet eine mittelbare Benachteiligung aus den unter B II 3 a bb dargelegten Gründen tatbestandlich aus.
80b) Europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis.
81aa) Art. 2 RL 2000/78/EG ist nicht verletzt. Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000/78/EG ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie „vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie jedoch eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten „ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 ... vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen oder Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierungen wegen des Alters darstellen, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“. Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten sind, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG einzuhalten. Da Art. 6 RL 2000/78/EG die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters betrifft und die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung nicht weiter reichen als die an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung(vgl. - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31), ist die Festsetzung von Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ohne weiteres europarechtlich in der Regel zulässig. Hierdurch werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt (vgl. - Rn. 39, 40, DB 2010, 341).
82bb) Art. 2 RL 2006/54/EG und Art. 141 EG(nunmehr: Art. 157 AEUV) sind durch § 3 AGG umgesetzt worden. Auch danach liegt keine unerlaubte Benachteiligung wegen des Geschlechts vor. Die Prüfungsmaßstäbe nach den §§ 7, 3, 1 AGG sind die gleichen wie bei diesen Vorschriften.
83c) Die einschränkende Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, widerspricht auch nicht dem Verbot des Art. 6 Abs. 1 GG, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Ehepartnern entsteht durch diese Einschränkung kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätten. Die Versorgungsansprüche des früheren Arbeitnehmers bleiben ungeschmälert. Das Ausbleiben eines ursprünglich erhofften Vorteils ist kein rechtlicher Nachteil(vgl. - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9; - 3 AZR 235/96 - zu B II der Gründe, BAGE 86, 216). Im Übrigen wirkt sich auch hier aus, dass die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers anknüpft und dass das Risiko, das der Arbeitgeber mit der Versorgungszusage übernehmen will, erst durch die Festlegung, wer Hinterbliebener sein soll, bestimmt wird.
84d) Die Wirksamkeit der in VI. 1. (a) FLÄKT-VO sowie § 7 Abs. 2 ABB-VO enthaltenen, den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ausschließenden Voraussetzung der während des Arbeitsverhältnisses bestehenden Ehe scheitert schließlich auch nicht an einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Art. 3 GG. Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch Art. 3 GG enthalten weitergehende Anforderungen als § 3 AGG.
85III. Auf die Wirksamkeit der in VI. 1. (a) FLÄKT-VO enthaltenen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere der Voraussetzung, dass der Anwärter die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und die Ehe am letzten 1. Januar vor seinem Tode nachweislich mindestens ein Jahr bestand, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an, da diese Voraussetzungen allesamt erfüllt waren.
IV. Zu der von der Klägerin im Hinblick auf eine etwaige Diskriminierung wegen des Alters angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war der Senat nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, da im Bereich der betrieblichen Altersversorgung Altersgrenzen unionsrechtlich aufgrund der Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eindeutig in weitem Umfang zulässig sind.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 2000 Nr. 36
LAAAD-48442