Tariflicher Feiertagszuschlag für Ostersonntag
Leitsatz
Sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen vor, haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung dieses Zuschlags für Ostersonntag, wenn landesrechtlich dieser Tag kein gesetzlicher Feiertag ist.
Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, § 242 BGB, § 151 S 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 2 Abs 1 FeiertG ND, § 2 Abs 2 FeiertG ND, § 145 BGB
Instanzenzug: ArbG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 Ca 590/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 3 Sa 244/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über den Feiertagszuschlag für Ostersonntag.
Die Kläger sind seit Jahren bei der Beklagten, einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Brot- und Backwarenindustrie Niedersachsen/Bremen (im Folgenden: MTV) Anwendung, dessen § 4 Abs. 5 lautet:
§ 5 Abs. 1 MTV regelt:
4Seit Jahren zahlte die Beklagte für die Arbeit an Ostersonntagen einen Zuschlag iHv. 175 % und wies diesen in den Lohnabrechnungen als „Feiertagsvergütung“ aus. Ostern 2007 zahlte sie lediglich den Sonntagszuschlag iHv. 75 %.
5Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe gem. § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV ein Zuschlag iHv. 175 % zu. Ostersonntag sei in der christlichen Welt ein Feiertag. Sinn der Tarifvorschrift sei die Honorierung der besonderen Belastung der Arbeitnehmer, die an Feiertagen arbeiten müssten. Dies gelte gerade am Ostersonntag. Jedenfalls ergebe sich der Anspruch aus einer betrieblichen Übung.
6Die Kläger haben die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung bezifferter Beträge in einer Gesamthöhe von 899,70 Euro nebst Zinsen beantragt.
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein tariflicher Anspruch bestehe nicht. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden, weil in der Vergangenheit der Feiertagszuschlag irrtümlich gezahlt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen nach Verbindung der Rechtsstreite stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
9Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Den Klägern steht für die am Ostersonntag 2007 geleistete Arbeit kein Feiertagszuschlag iHv. 175 % zu.
10I. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV.
111. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV ist für Arbeit an Feiertagen, auch wenn diese auf einen Sonntag fallen, ein Zuschlag von 175 % zu zahlen.
12a) Feiertage im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV sind ausschließlich die gesetzlichen Feiertage, wie sich aus § 4 Abs. 5 MTV ergibt. Die auf § 4 Abs. 5 MTV folgende Regelung in § 5 bezieht sich schon aufgrund der systematischen Stellung auf die in § 4 MTV näher erläuterten Zeiten. § 5 MTV enthält keinen eigenständigen, von § 4 MTV abweichenden Feiertagsbegriff. Vielmehr liegt gerade der Sinn des § 4 MTV darin, die in anderen Bestimmungen des MTV verwendeten Rechtsbegriffe zu definieren. Im Übrigen wird der Begriff Feiertagsarbeit an keiner anderen Stelle des Manteltarifvertrags außerhalb des § 5 behandelt, so dass § 4 Abs. 5 MTV leerliefe, wollte man diese Definition nicht auf § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV beziehen.
13b) Nach § 4 Abs. 5 MTV ist Sonn- und Feiertagsarbeit die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit. Damit verweist der MTV auf das staatliche Feiertagsrecht. Gesetzlicher Feiertag iSd. MTV ist nur ein staatlich anerkannter Feiertag. Dies entspricht einem vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsatz: Verwendet ein Tarifvertrag einen Rechtsbegriff, der vom Gesetzgeber in anderem Zusammenhang gebraucht wird, und bedienen die Tarifvertragsparteien sich damit der juristischen Fachsprache, ist dieser Begriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt( - zu II 2 a der Gründe mwN, AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5; Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 1000).
14c) Der Begriff „auch“ in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV rechtfertigt keine abweichende Auslegung. Damit wird in § 5 Abs. 1 Buchst. f) die Zuschlagspflicht für den Fall geregelt, dass ein beweglicher gesetzlicher Feiertag auf einen Sonntag fällt. „Auch“ in diesem Fall muss der erhöhte Zuschlag bezahlt werden, der für Feiertage zu zahlen ist, und nicht nur der Sonntagszuschlag von 75 %.
15d) § 5 Abs. 4 Satz 1 MTV bestätigt die Annahme, dass sich die in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV geregelte Zuschlagspflicht allein auf gesetzliche Feiertage bezieht. Denn diese Bestimmung verweist auf § 2 EFZG, der allein die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen regelt.
16e) Mit dem Berufungsgericht ist zwar davon auszugehen, dass Sinn und Zweck der Tarifnorm in der finanziellen Kompensation der mit der Arbeit an Feiertagen verbundenen Nachteile und Erschwernisse liegt. Doch rechtfertigt dieser Normzweck keine den Wortlaut übersteigende Auslegung des MTV. Die Regelung des MTV bewegt sich im Rahmen der Tarifautonomie und darf nicht durch die Gerichte erweitert werden. Die tarifliche Zuschlagsregelung ist wirksam. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben.
172. Eine ergänzende Tarifauslegung ist unzulässig, denn es fehlt an einer unbewussten Tariflücke. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten versehentlich eine Zuschlagsregelung für Ostersonntag unterlassen. Vielmehr sprechen die Regelungen anderer Tarifverträge dafür, dass sich Tarifvertragsparteien dieses Problems durchaus bewusst sind. Beispiele einer tarifvertraglichen Regelung finden sich in§ 35 Abs. 1 Buchst. c BAT; § 5 LTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hamburg vom , § 8 MTV-Friseure NRW vom oder § 10 MTV für die Beschäftigten der elektrotechnischen Handwerke in Baden-Württemberg vom .
183. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, bestimmt sich nach dem Recht des Landes, in dem der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses liegt( -). In Niedersachsen ist der Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag (§ 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage in der Fassung vom Nds. GVBl. S. 50).
19II. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags aus betrieblicher Übung.
201. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird(§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (Senat - 5 AZR 969/08 - Rn. 25, NZA 2010, 173; - Rn. 15 ff., AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8; - 10 AZR 385/05 - Rn. 35 f. mwN, BAGE 118, 360).
212. Hiernach scheidet ein Anspruch aus betrieblicher Übung aus. Die Kläger sind zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, die Beklagte schulde den Feiertagszuschlag iHv. 175 % aufgrund der tarifvertraglichen Regelung in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV. Sie sind somit von einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage ausgegangen. Aus der Sicht der Belegschaft stellte sich die Gewährung des Feiertagszuschlags für Ostersonntage als Erfüllung eines tariflichen Anspruchs dar. In einem solchen Fall wird die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung einer betrieblichen Übung mit dem Inhalt einer übertariflichen Verpflichtung wahrgenommen, sondern als Normvollzug(vgl. Senat - 5 AZR 969/08 - Rn. 27, NZA 2010, 173; - 5 AZR 455/07 - Rn. 28; - Rn. 51, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54; - 10 AZR 758/00 - EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2). Die Zahlungen begründen - unabhängig von den nicht verlautbarten Vorstellungen des leistenden Arbeitgebers - keine betriebliche Übung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 824 Nr. 14
DB 2010 S. 1406 Nr. 25
DB 2010 S. 23 Nr. 12
DB 2010 S. 9 Nr. 25
StBW 2010 S. 283 Nr. 6
NAAAD-47277