Tarifierung: Einreihung eines Schiffsdatenschreibersystems
Leitsatz
Ein Schiffsdatenschreibersystem, das keine Kombination mehrerer Maschinen, die im Sinne der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI KN ein Ganzes bilden, sondern ein aus fünf - ggf. weit auseinander liegenden - durch Kabel miteinander verbundenen Komponenten bestehendes System in modularer Bauweise ist, das in seiner Zusammensetzung an den Ausstattungsbedarf des Kunden angepasst werden kann, kann nicht als Ganzes in die Pos. 8471 KN eingereiht werden, wenn keine seiner Komponenten (Datenverarbeitungseinheit, Datenerfassungseinheit, Schiffsdatenschreiber, Bedieneinheit, Mikrofone) als automatische Datenverarbeitungsmaschine anzusehen ist.
Eine Datenverarbeitungseinheit ist keine automatische Datenverarbeitungsmaschine im Sinne der Pos. 8471 KN, wenn sie nicht entsprechend den Benutzeranforderungen frei programmiert werden kann.
Eine Datenerfassungseinheit, die mit ihrer Hauptfunktion Signale von Videokameras sowie Mikrofone konvertiert und für eine spätere Wiedergabe speichert, stellt weder eine automatische Datenverarbeitungsmaschine noch eine Einheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems dar.
Gesetze: KN Pos. 8471, KN Abschn. 16 Anmerkung 3, KN Abschn. 16 Anmerkung 4
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im August 2006 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für ein aus mehreren Komponenten (Datenerfassungs-, Datenverarbeitungs- und Bedieneinheit, Schiffsdatenschreiber sowie Innen- und Außenmikrofone) bestehendes Schiffsdatenschreibersystem, das —entsprechend der sog. black box eines Flugzeugs— die Schiffs- und Navigationsdaten aufzeichnet, um bei einem Unfall den Unfallhergang rekonstruieren zu können. Die Oberfinanzdirektion (OFD) deren Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) übergegangen ist, erteilte unter dem gesonderte vZTA für jede der fünf Komponenten, mit denen sie die Datenerfassungs-, die Datenverarbeitungseinheit und den Schiffsdatenschreiber in die Unterpos. 8543 89 97 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in der seinerzeit geltenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 286/1), die Bedieneinheit in die Unterpos. 8537 10 99 KN und die Mikrofone in die Unterpos. 8518 10 95 KN einreihte. Den hiergegen eingelegten Einspruch verwarf die OFD zum Teil als unzulässig, weil die Unterpos. 8543 89 97 KN aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der KN entfallen war, im Übrigen wies sie den Einspruch als unbegründet zurück.
2 Die hiergegen —zum Teil in Gestalt der Fortsetzungsfeststellungsklage— erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, die Komponenten des Schiffsdatenschreibersystems seien zu Recht gesondert eingereiht worden, weil das System vom Wortlaut keiner Position oder Unterposition der KN erfasst werde. Es handele sich auch nicht um eine aus mehreren Maschinen verschiedener Art kombinierte Maschine i.S. der Anm. 3 zu Abschnitt XVI KN oder um eine funktionelle Einheit i.S. der Anm. 4 zu Abschnitt XVI KN. Die einzelnen Komponenten seien zutreffend eingereiht worden.
3 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt und mit der sie geltend macht, dass das gesamte Schiffsdatenschreibersystem, jedenfalls aber seine Komponenten in die Pos. 8471 KN einzureihen seien.
4 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
5 Geht es —wie im Streitfall— allein darum, ob die Zollverwaltung die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der beschließende Senat in seinem Beschluss vom VII B 136/01 (BFHE 198, 242, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2002, 229) ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der Tarifauffassung der Zollverwaltung gegeben werden könnte.
6 Derartige Zweifel begründet das Beschwerdevorbringen nicht. Die Einreihung in die Pos. 8471 KN kommt weder für das gesamte Schiffsdatenschreibersystem noch für seine Komponenten in Betracht. Insoweit ist das FG-Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde: Senatsbeschluss vom VII B 59/08, BFH/NV 2009, 806, m.w.N.).
7 1. Das FG hat zu Recht nicht das gesamte Schiffsdatenschreibersystem tarifiert und in die Pos. 8471 KN eingereiht. Nach den Feststellungen des FG ist das Schiffsdatenschreibersystem keine Kombination mehrerer Maschinen, die i.S. der Anm. 3 zu Abschnitt XVI KN ein Ganzes bilden, sondern ein aus fünf —ggf. weit auseinander liegenden— durch Kabel miteinander verbunden Komponenten bestehendes System in modularer Bauweise, das in seiner Zusammensetzung an den Ausstattungsbedarf des Kunden angepasst werden kann. Dies entspricht zwar der Beschreibung einer Kombination mehrerer Maschinen i.S. der Anm. 4 zu Abschnitt XVI KN; für eine Einreihung des Schiffsdatenschreibersystems als Ganzes gemäß dieser Anmerkung fehlt es jedoch an der genau bestimmten, in einer der Positionen des Kapitels 84 oder 85 erfassten Funktion.
8 Weshalb sich die Tarifierung als Ganzes —wie die Beschwerde meint— aus der Anm. 5 C zu Kap. 84 KN ergeben soll, die lediglich gesondert gestellte Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen betrifft, erschließt sich nicht. Im Übrigen kann das Schiffsdatenschreibersystem, selbst wenn man es als Ganzes tarifieren wollte, nicht mit seiner das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit bzw. Funktion in die Pos. 8471 KN eingereiht werden, weil —wie die folgenden Ausführungen zeigen— keine seiner Komponenten als automatische Datenverarbeitungsmaschine anzusehen ist.
9 2. Die Datenverarbeitungseinheit ist keine automatische Datenverarbeitungsmaschine i.S. der Pos. 8471 KN, weil das FG nicht hat feststellen können, dass sie entsprechend den Benutzeranforderungen frei programmiert werden kann (Anm. 5 A Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 84 KN). Die Beschwerde bestreitet zwar, dass dies zutrifft, und behauptet, es sei im Administratorenmodus möglich, beliebige Anwendungsprogramme zu installieren. Mit diesem Einwand gegen die Richtigkeit der Feststellungen des FG wird jedoch der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht dargelegt.
10 Die Datenverarbeitungseinheit ist auch keine Einheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems i.S. der Anm. 5 B zu Kap. 84 KN, weil sich aus den Feststellungen des FG nicht ergibt, dass sie an die Zentraleinheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine —und wenn ja, welcher— angeschlossen bzw. anschließbar ist (Anm. 5 B Buchst. b zu Kap. 84 KN). Auf die Erwägungen des FG zur Frage der „ausschließlich oder hauptsächlich in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendeten Art” (Anm. 5 B Buchst. a zu Kap. 84 KN), gegen die sich die Beschwerde wendet —u.a. mit dem im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht behelflichen Hinweis, das FG habe die tatsächlichen Eigenschaften des Geräts unzutreffend wiedergegeben—, kommt es daher nicht an.
11 3. Auch bei der Datenerfassungseinheit handelt es sich weder um eine automatische Datenverarbeitungsmaschine noch um eine Einheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems. Diese besteht nach den Feststellungen des FG aus je einem selbstständigen Video-, Audio- und Datenmodul, mit deren Hilfe von Kameras aufgenommene Bilder bzw. von Mikrofonen aufgezeichnete Töne erfasst und als Daten über eine Schnittstelle geordnet (first in, first out) weiterübertragen werden. Somit handelt es sich um ein Gerät, das mit seiner Hauptfunktion Signale von Videokameras sowie Mikrofonen konvertiert und für eine spätere Wiedergabe speichert und damit —auch wenn es nach Ansicht des FG eine automatische Datenverarbeitungsmaschine enthält— i.S. der Anm. 5 E zu Kap. 84 KN eine eigene Funktion (andere als Datenverarbeitung) ausführt, weshalb sie in die ihrer Funktion entsprechende Position oder mangels einer solchen Position in eine Sammelposition einzureihen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom C-467/03 —Ikegami—, Slg. 2005, I-2389, ZfZ 2005, 161). Auch insoweit kommt es auf die Erwägungen des FG zur Frage der „ausschließlich oder hauptsächlich in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendeten Art” nicht an, weil die Datenerfassungseinheit wegen ihrer anderen Funktion der Bild- und Tonaufzeichnung als Einheit eines bestimmten automatischen Datenverarbeitungssystems nicht in Betracht kommt.
12 4. Der von der Beschwerde als Speicherkapsel bezeichnete Schiffsdatenschreiber ist keine automatische Datenverarbeitungsmaschine, weil nach den Feststellungen des FG das Vorliegen der Voraussetzungen der Anm. 5 A Buchst. a zu Kap. 84 KN nicht feststellbar ist. Es handelt sich vielmehr um eine reine Speichereinheit (nach Angaben der Beschwerde einer externen Festplatte vergleichbar), die auch nicht als Einheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems i.S. der Anm. 5 B zu Kap. 84 KN angesehen werden kann, weil sich aus den Feststellungen des FG nicht ergibt, dass sie an die Zentraleinheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen bzw. anschließbar ist (Anm. 5 B Buchst. b zu Kap. 84 KN).
13 5. Die Bedieneinheit ist keine automatische Datenverarbeitungsmaschine und —anders als die Beschwerde meint— auch nicht als Einheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems anzusehen, denn sie ist an die Datenverarbeitungseinheit zu deren Bedienung angeschlossen, die —wie ausgeführt— nach den Feststellungen des FG nicht als automatische Datenverarbeitungsmaschine angesehen werden kann.
14 6. Das Gleiche gilt für die Mikrofone, die nicht an die Zentraleinheit eines automatischen Datenverarbeitungssystems angeschlossen sind und für die, selbst wenn sie an eine solche Zentraleinheit anschließbar wären, es an Feststellungen fehlt, dass sie von der ausschließlich oder hauptsächlich in automatischen Datenverarbeitungssystemen verwendeten Art sind (Anm. 5 B Buchst. a zu Kap. 84 KN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1671 Nr. 9
YAAAD-46070