Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei Bekanntwerden von Tatsachen vor Durchführung eines Verlustrücktrags
Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, EStG § 10d Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden für die Streitjahre 1993 und 1994 erklärungsgemäß zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Steuererklärungen wiesen keine Angaben zu den Grundstücksverkäufen des Klägers auf; diese waren zunächst seinem Vater zugerechnet worden. Mit Änderungsbescheid für 1993 vom wurde ein Grundlagenbescheid betreffend die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen ausgewertet sowie die Vorläufigkeit der Festsetzung bezüglich seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgehoben; mit Änderungsbescheid für 1994 vom wurde ein geänderter Verlustrücktrag aus 1996 berücksichtigt. Als Beigeladener im Klageverfahren seines Vaters ließ sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom die Grundstücksgeschäfte zurechnen, so dass die Gewinne hieraus mit streitgegenständlichen Änderungsbescheiden für 1993 und 1994 vom der Einkommensteuer unterworfen wurden. Der Klage gegen die Änderungsbescheide gab das Finanzgericht (FG) nur soweit statt, als es die Einspruchsentscheidung die Klägerin betreffend aufhob, weil diese keinen Einspruch eingelegt hatte. Im Übrigen wies es die Klage ab.
2 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger einen Verfahrensmangel geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG habe eine nach dem Akteninhalt feststehende Tatsache, nämlich die Sachverhaltskenntnisse des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) aufgrund des Schreibens des Steuerberaters K vom , nicht berücksichtigt.
3 II. 1. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Das FG hat die Einspruchsentscheidung gegenüber der Klägerin aufgehoben, weil diese gegen die Änderungsbescheide keinen Einspruch eingelegt hatte. Mit der Beschwerde wurde kein Verfahrensmangel dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), auf dem die Entscheidung des FG über die Klage der Klägerin beruhen kann.
4 2. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
5 a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. , BFH/NV 2007, 1921).
6 b) Das FG hat nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen.
7 aa) Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zehn Jahre betrage, da der Kläger den objektiven und den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt habe. Dies hat das FG damit begründet, dass der Kläger steuerbegründende Tatsachen nicht in die Steuererklärungen aufgenommen habe, was ihm auch bewusst gewesen sei; denn dass er den Vater wegen Finanzierungsproblemen in die Grundstücksgeschäfte eingeschaltet habe, erweise sich nach dem Inhalt des Fallheftes als Schutzbehauptung. Dass das FA bis zur mündlichen Verhandlung im Klageverfahren des Vaters daran festgehalten habe, die Grundstücksgeschäfte seien dort zu erfassen, bleibe ohne Einfluss auf die Erfüllung des Tatbestands der Steuerhinterziehung durch den Kläger bereits mehrere Jahre zuvor; bei rechtzeitiger, eindeutiger und richtiger Darstellung der Grundstücksgeschäfte sei dies vermeidbar gewesen.
8 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung dem Schreiben des Steuerberaters vom im Hinblick auf die zu jenem Zeitpunkt bereits vollendete Steuerhinterziehung zukommen sollte, zumal der Kläger in diesem Schreiben nicht als Mandant, sondern als Sohn des Mandanten bezeichnet ist, und dieses Schreiben mithin nicht dem Kläger zugerechnet werden kann. Wenn dieser geltend macht, er habe den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt, rügt er im Kern eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.
9 bb) Auch für die Frage, ob die Änderungsbescheide für 1993 vom und für 1994 vom noch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund neuer Tatsachen haben geändert werden können, ist das vom Kläger in Bezug genommene Schreiben ohne Bedeutung. Das Schreiben vom datiert nach dem Änderungsbescheid für 1993. Der Änderungsbescheid für 1994, mit dem gemäß § 10d Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes —in der für die Streitjahre geltenden Fassung— ein geringerer Verlust aus dem Entstehungsjahr abgezogen wurde und der somit zu einer höheren Festsetzung führte, steht der Berücksichtigung etwaiger vor Zeichnung dieses Bescheids bekannt gewordener Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht entgegen. Mit der Gewährung des Verlustabzugs ist eine in ihrer Wirkung punktuelle Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids verbunden, die die Berichtigung von Rechtsfehlern lediglich innerhalb des durch den —hier geänderten— Verlustrücktrag vorgegebenen Änderungsrahmens ermöglicht (, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225). Danach hatte das FA bei Vornahme des Verlustrücktrags den Bescheid nicht in vollem Umfang neu zu überprüfen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 337 Nr. 11
BFH/NV 2010 S. 1612 Nr. 9
HAAAD-46067