BAG Urteil v. - 8 AZR 871/07

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB

Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 5 Ca 918/06 lev Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 552/07 Teilurteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.

2Die Klägerin war seit 1968 bei der Beklagten, zuletzt im Geschäftsbereich C I(CI), beschäftigt.

3Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten. Am vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser regelte ua., dass Mitarbeiter, die von dem geplanten Personalabbau betroffen sein würden, Abfindungszahlungen erhalten sollten. Diesem Interessenausgleich sollte eine Namensliste der betroffenen Mitarbeiter beigefügt werden. Die Klägerin war zur Aufnahme in diese Liste vorgesehen.

Mit Schreiben vom informierte die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:

5Mit Wirkung zum wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

6Die A GmbH kündigte der Klägerin mit Schreiben vom zum . Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin keine Kündigungsschutzklage.

7Unter dem Datum des teilte die A GmbH der Klägerin schriftlich mit, dass diese zum Ausgleich der ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von voraussichtlich 62.971,00 Euro erhalten werde.

8Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet wurde.

9Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wegen nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung über den Betriebsübergang. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte auf, das Arbeitsverhältnis für die Zeit seit dem „ordnungsgemäß abzurechnen“. Mit Schreiben vom forderte sie die Beklagte auf, rückständiges Gehalt iHv. 39.879,29 Euro abzüglich des erhaltenen Insolvenz- und Arbeitslosengeldes zu zahlen.

10Die Klägerin meint, sie habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Februar 2006 wirksam widersprechen können, weil sie bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt sie insbesondere eine falsche Information über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin und über die Haftungsverteilung zwischen der Beklagten und der A GmbH.

Die Klägerin hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch der Klägerin sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens(§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht der Klägerin jedoch verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Feststellungsklage und die auf Zahlung von Arbeitsentgelt gerichtete Leistungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage auf Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien durch Teilurteil stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

15Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Unrecht stattgegeben.

16A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

17Das Schreiben der Beklagten vom , mit dem sie die Klägerin über den Betriebsteilübergang unterrichtet habe, genüge nicht den Anforderungen des § 613a BGB. So gebe der Hinweis auf den „Übergang des Arbeitsverhältnisses“ lediglich die in § 613a BGB getroffene Regelung wieder und erschöpfe sich letztlich in der Wiederholung des gesetzlich vorgegebenen Begriffs „Übergang“. Außerdem fehle es an der Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsteilübergangs. Letztlich enthalte das Unterrichtungsschreiben auch keine Informationen zu den kündigungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB. Wegen der fehlerhaften Unterrichtung der Klägerin habe für diese die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen. Deren Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Es fehle bereits am Vorliegen des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen so genannten Zeitmoments. Dieses habe frühestens ab Kenntnis der Klägerin von der Unvollständigkeit der Unterrichtung zu laufen begonnen, dh. mit deren Kenntnis vom Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH. Der Zeitraum zwischen der - möglichen - Kenntnisnahme vom Bestehen eines Widerspruchsrechts und dessen Ausübung durch die Klägerin sei nicht ausreichend, um von einer Erfüllung des Zeitmoments auszugehen. Selbst wenn man ein solches annähme, fehlte es für eine Verwirkung am Vorliegen des Umstandsmoments. Allein die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der A GmbH reiche dafür nicht aus. Durch die Nichterhebung einer Klage gegen die von der A GmbH am ausgesprochene ordentliche Kündigung habe die Klägerin ebenfalls kein im Rahmen der Verwirkung zu berücksichtigendes Umstandsmoment gesetzt, weil der Beklagten die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage zunächst nicht bekannt gewesen sei. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre, hätte sie sich wegen der objektiv festgestellten falschen Unterrichtung nicht darauf verlassen dürfen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Ein solches Vertrauen der Beklagten sei wegen ihres pflichtwidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsübergang nicht schutzwürdig.

18B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

19I. Die Klage auf Feststellung, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, ist zulässig.

20Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Das nach dieser Norm erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gegeben. Das Feststellungsinteresse ist eine Sachurteilsvoraussetzung und als solche in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der Revisionsverhandlung.

21Da die Beklagte bestreitet, über den hinaus Arbeitgeberin der Klägerin gewesen zu sein, ist ein Feststellungsurteil über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien geeignet klarzustellen, wer die Verpflichtungen aus diesem Arbeitsverhältnis künftig zu erfüllen hat.

22II. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

23Zwischen den Parteien hat über den hinaus, den Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH im Wege eines Betriebsteilübergangs(§ 613a BGB), ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, weil die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH nicht wirksam widersprochen hat.

241. Die Unterrichtung der Klägerin durch die Beklagte mit Schreiben vom über den am erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB(vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 und - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war deren Widerspruch im Februar 2006 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - aaO und - 8 AZR 530/07 - aaO).

252. Die Klägerin hatte ihr Widerspruchsrecht allerdings verwirkt.

26Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint hat, ist nicht zu folgen.

27a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung(§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

28b) Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann(Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

29c) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments jedoch nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei(BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

30d) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen im Streitfalle vor, weil sich die Klägerin gegen die ihr von der A GmbH ausgesprochene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt hat.

31aa) Zwischen der Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und ihrem Widerspruch mit Schreiben vom liegt ein Zeitraum von über 15 Monaten. Damit ist regelmäßig das so genannte Zeitmoment erfüllt(vgl. Senat - 8 AZR 473/07 -). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts beginnt die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind. Wie der Senat am (- 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64) entschieden hat, ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen, was zur Folge hat, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers möglicherweise erst nach einer längeren Untätigkeit verwirken können. Erfolgt die Prüfung der Verwirkung nach diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist immer darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch die Nichtkenntnis des Berechtigten von den für die Geltendmachung seines Rechts bedeutsamen Tatsachen gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

32bb) Dem Landesarbeitsgericht ist auch nicht darin zu folgen, dass die Voraussetzungen für das Umstandsmoment nicht vorliegen.

33Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird( - 7 AZR 23/06 -). Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist in seiner Entscheidung vom (- 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1) allerdings darüber hinausgegangen und hat festgestellt, dass die Rechtsfrage, ob die verspätete gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt, freier revisionsgerichtlicher Überprüfung unterliegt. In dieser Entscheidung hat der Zweite Senat auch bei der Prüfung, ob das Umstandsmoment vorliegt, die Entscheidung des Berufungsgerichts einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterzogen.

34Letztlich braucht der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit der Tatsachenwürdigung des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil diesem ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Es hat das Vorliegen des Umstandsmoments mit der Begründung verneint, die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch die Klägerin sei der Beklagten „zunächst“ nicht bekannt gewesen und außerdem sei ihr Vertrauen wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung der Klägerin iSd. § 613a Abs. 5 BGB nicht schutzwürdig.

35cc) Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht zunächst an, dass allein die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin bei der Betriebserwerberin noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten Arbeitnehmers begründet(vgl. Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

36dd) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts liegt aber ein ausschlaggebender Umstand für die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts deshalb vor, weil die Klägerin die von der A GmbH am ausgesprochene Kündigung widerspruchslos hingenommen hatte. Als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB rechtfertigen kann, ist es nämlich anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat(vgl. Senat - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 und - 8 AZR 225/07 -).

37ee) Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der A GmbH, nicht aber der Beklagten alle von der Klägerin verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

38Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstands zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich zu begreifen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber(Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).

39ff) Unzutreffend ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsteilübergang nicht darauf verlassen dürfen, sie werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Würde man dieser Überlegung des Landesarbeitsgerichts folgen, führte das zu einem widersinnigen Ergebnis. Einerseits behielte der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert(einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht nicht verwirken, weil der Arbeitnehmer nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber idR nicht eintreten könnte. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.

C. Die Kostenentscheidung - auch über die Kosten der Revision - war wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Fundstelle(n):
HAAAD-45954