BAG Urteil v. - 8 AZR 805/07

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB

Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 3 Ca 2002/05 lev Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 553/07 Teilurteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.

2Der Kläger war seit 1974 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Personalreferent. Er war dem Geschäftsbereich C I(CI) zugeordnet.

3Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten. Am vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser regelte ua., dass Mitarbeiter, die von dem geplanten Personalabbau betroffen sein würden, Abfindungszahlungen erhalten sollten. Diesem Interessenausgleich sollte eine Namensliste der betroffenen Mitarbeiter beigefügt werden. Der Kläger war zur Aufnahme in diese Liste vorgesehen.

Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:

5Mit Wirkung zum wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht und erbrachte seine Arbeitsleistung bei der A GmbH.

6Die A GmbH kündigte dem Kläger mit Schreiben vom „aus dringend betrieblichen Erfordernissen“ zum . Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom teilte die A GmbH dem Kläger ua. mit:

8Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet wurde.

9Mit Schreiben vom widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wegen der Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung über den Betriebsübergang.

10Nachdem die A GmbH dem Kläger mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass sie aufgrund des erklärten Widerspruchs das Arbeitsverhältnis mit ihr zum als beendet ansehe, bot der Kläger mit Schreiben vom der Beklagten seine Arbeitskraft an. Mit Anwaltsschreiben vom ließ der Kläger dann gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen.

11Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Juni 2005 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt er insbesondere eine falsche Information über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin und über die Haftungsverteilung zwischen der Beklagten und der A GmbH.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

13Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch des Klägers sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens(§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht des Klägers jedoch verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Feststellungsklage und die auf Zahlung von Vergütung gerichtete Leistungsklage bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 1.867,33 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage auf Feststellung des Bestehens des Anstellungsverhältnisses zwischen den Parteien und auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum bis sowie auf Zahlung der Sondervergütung für 2005 durch Teilurteil stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger nach Rücknahme seiner Zahlungsklage die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

16Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Unrecht stattgegeben.

17A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

18Das Schreiben der Beklagten vom , mit dem sie den Kläger über den Betriebsteilübergang unterrichtet habe, genüge nicht den Anforderungen des § 613a BGB. So gebe der Hinweis auf den „Übergang des Arbeitsverhältnisses“ lediglich die in § 613a BGB getroffene Regelung wieder und erschöpfe sich letztlich in der Wiederholung des gesetzlich vorgegebenen Begriffs „Übergang“. Außerdem fehle es an der Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsteilübergangs. Letztlich enthalte das Unterrichtungsschreiben auch keine Informationen zu den kündigungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB. Wegen der fehlerhaften Unterrichtung des Klägers habe für diesen die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen. Dessen Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Es fehle bereits am Vorliegen des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Zeitmoments. Dieses habe frühestens ab Kenntnis des Klägers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung zu laufen begonnen, dh. mit dessen Kenntnis vom Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH. Da der Kläger bereits mit Schreiben vom den Widerspruch erklärt habe, sei der Zeitraum zwischen der - möglichen - Kenntnisnahme vom Bestehen eines Widerspruchsrechts und dessen Ausübung durch den Kläger nicht ausreichend, um von einer Erfüllung des Zeitmoments auszugehen. Selbst wenn man ein solches annähme, fehlte es für eine Verwirkung am Vorliegen des Umstandsmoments. Allein die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der A GmbH reiche dafür nicht aus. Durch die Nichterhebung einer Klage gegen die von der A GmbH am ausgesprochene ordentliche Kündigung habe der Kläger ebenfalls kein im Rahmen der Verwirkung zu berücksichtigendes Umstandsmoment gesetzt, weil der Beklagten die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage zunächst nicht bekannt gewesen sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte sie sich wegen der falschen Unterrichtung nicht darauf verlassen dürfen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Ein solches Vertrauen der Beklagten sei wegen ihres pflichtwidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Unterrichtung des Klägers über den Betriebsübergang nicht schutzwürdig.

19B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

20I. Die Klage auf Feststellung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, ist zulässig.

21Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Das nach dieser Norm erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gegeben. Das Feststellungsinteresse ist eine Sachurteilsvoraussetzung und als solche in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der Revisionsverhandlung.

22Da die Beklagte bestreitet, über den hinaus Arbeitgeberin des Klägers gewesen zu sein, ist ein Feststellungsurteil über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien geeignet klarzustellen, wer die Verpflichtungen aus diesem Arbeitsverhältnis künftig zu erfüllen hat.

23II. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

24Zwischen den Parteien hat über den , den Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH im Wege eines Betriebsteilübergangs(§ 613a BGB), kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH nicht wirksam widersprochen.

251. Die Unterrichtung des Klägers durch die Beklagte mit Schreiben vom über den am erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB(vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 und - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war dessen Widerspruch nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - aaO und - 8 AZR 530/07 - aaO).

262. Der Kläger hatte sein Widerspruchsrecht jedoch verwirkt.

27Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint hat, folgt der Senat nicht.

28a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung(§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

29b) Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann(Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

30c) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments jedoch nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei(BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

31d) Dass der Kläger sich gegen die ihm von der A GmbH am ausgesprochene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt hat, hat im Streitfalle zur Verwirkung seines Widerspruchsrechts geführt.

32aa) Zwischen der Unterrichtung des Klägers mit Schreiben vom über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und seinem Widerspruch mit Schreiben vom liegt ein Zeitraum von über 7 Monaten. Damit ist das Zeitmoment insbesondere auch deshalb erfüllt, weil der Kläger ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hat. So durfte die A GmbH nämlich annehmen, der Kläger habe keine Einwände gegen die von ihr im Schreiben vom genannten Bedingungen zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses(vgl. unten B II 1 d cc).

33bb) Die Voraussetzungen für das Umstandsmoment liegen vor.

34Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird( - 7 AZR 23/06 -). Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist in seiner Entscheidung vom (- 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1) darüber hinausgegangen und hat festgestellt, dass die Rechtsfrage, ob die verspätete gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt, freier revisionsgerichtlicher Überprüfung unterliegt. In dieser Entscheidung hat der Zweite Senat auch bei der Prüfung, ob das Umstandsmoment vorliegt, die Entscheidung des Berufungsgerichts einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterzogen.

35Letztlich braucht der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit der Tatsachenwürdigung des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil diesem ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Es hat das Vorliegen des Umstandsmoments ua. auch mit der Begründung verneint, die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger sei der Beklagten „zunächst“ nicht bekannt gewesen und außerdem sei ihr Vertrauen wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des Klägers iSd. § 613a Abs. 5 BGB nicht schutzwürdig.

36cc) Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht zunächst an, dass allein die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers bei der Betriebserwerberin noch keinen Umstand für die Annahme einer Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten Klägers begründet hat(vgl. Senat - 8 AZR 318/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 8).

37Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts stellt es aber einen ausschlaggebenden Umstand für die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts dar, dass der Kläger die von der A GmbH am ausgesprochene Kündigung widerspruchslos hingenommen hatte. Als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB rechtfertigen kann, ist es anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen oder - so wie der Kläger - eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat(vgl. Senat - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347 und - 8 AZR 225/07 -). Hinzu kommt im Streitfalle, dass die A GmbH im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom dem Kläger einen konkreten Vorschlag unterbreitet hatte, welche Gegenleistungen sie ihm als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes gewähren wolle und was sie dafür vom Kläger erwarte. Sie hat dieses Schreiben selbst als „Vertrag“ betrachtet, wie sich aus dessen Ziff. 7 ergibt. Dort heißt es: „Mit Erfüllung dieses Vertrages sind sämtliche Ansprüche des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten …“ Aus Sicht der A GmbH musste bis zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs aus dem Gesamtverhalten des Klägers - Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage, verbunden mit der widerspruchslosen Entgegennahme der als „Vertrag“ bezeichneten Angebote im Schreiben der A GmbH - der Eindruck entstehen, dieser sei mit den von ihr vorgeschlagenen „Modalitäten“ der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum einverstanden.

38dd) Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der A GmbH, nicht aber der Beklagten alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

39Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstands zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich zu begreifen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber(Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 und - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302).

40ee) Unzutreffend ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des Klägers über den Betriebsteilübergang nicht darauf verlassen dürfen, er werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Würde man dieser Überlegung des Landesarbeitsgerichts folgen, führte das zu einem widersinnigen Ergebnis. Einerseits behielte der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert(einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht nicht verwirken, weil der Arbeitnehmer nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber idR nicht eintreten könnte. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.

41ff) Im Streitfalle liegen auch keine besonderen Umstände vor, welche dazu führen, dass das Widerspruchsrecht des Klägers nicht verwirkt ist.

42Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass sich die A GmbH mit Schreiben vom gegenüber dem Kläger auf den Standpunkt gestellt hatte, aufgrund dessen Widerspruchs vom gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die A GmbH, sei das mit ihr bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum beendet.

43Gegen diese vom Landesarbeitsgericht getroffene Feststellung hat die Beklagte keine Verfahrensrüge erhoben, so dass die Feststellung für den Senat bindend ist.

44Durch diese Erklärung hat die A GmbH zu erkennen gegeben, dass sie den Widerspruch des Klägers vom als wirksam betrachte und deshalb aufgrund des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten von einer Beendigung des mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgehe. Diese Erklärung wirkt allerdings nicht zu Lasten der Beklagten. Wegen der Verwirkung des Widerspruchsrechts des Klägers blieb es beim Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die A GmbH ab dem . Etwaige Erklärungen, welche die Betriebserwerberin gegenüber dem Kläger nach Ausübung des Widerspruchs abgegeben hat, entfalten gegenüber der Beklagten keine Wirkungen mehr. Sie würden ansonsten zu Lasten eines Dritten, nämlich der Beklagten, abgegeben. Solche Erklärungen zu Lasten Dritter sind jedoch ebenso wie Verträge zu Lasten Dritter unwirksam.

45Aus diesem Grunde kann die Beklagte mit Erfolg geltend machen, zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts des Klägers mit Schreiben vom sei dieses verwirkt gewesen.

C. Wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung war diese der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Fundstelle(n):
XAAAD-45953