Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Rechtsschutz bei behaupteter Verletzung eines Stimmverbots nach Beendigung der Gläubigerversammlung
Gesetze: § 6 Abs 1 InsO, § 78 Abs 1 InsO, § 78 Abs 2 S 2 InsO
Instanzenzug: LG Würzburg Az: 3 T 2396/07 Beschlussvorgehend AG Würzburg Az: 3 IK 781/06
Gründe
I.
1Im Prüfungstermin des vereinfachten Insolvenzverfahrens stellte der beschwerdeführende Gläubiger den Antrag, von der Gläubigerversammlung mit der Anfechtung bestimmter Rechtshandlungen des Schuldners beauftragt zu werden. Dem Antrag wurde mit seiner eigenen Stimme gegen die Stimme des Gläubigers zu 5 stattgegeben, welcher nur eine geringere Forderungshöhe vertrat. Weitere Anträge wurden dazu in der Gläubigerversammlung nicht gestellt. Nach Schluss derselben beantragte der überstimmte Gläubiger, dass der gefasste Beschluss wegen Stimmverbots gegen den antragstellenden Gläubiger aus dem Protokoll gestrichen werde. Hilfsweise hat sich der überstimmte Gläubiger auf einen Widerspruch gegen die gemeinsamen Interessen der Gläubiger berufen, weil die Anfechtung der bezeichneten Rechtshandlungen nicht aussichtsreich sei. Diesen Anträgen trat der antragstellende Gläubiger entgegen.
2Das Amtsgericht stellte die Nichtigkeit des von der Gläubigerversammlung beschlossenen Anfechtungsauftrags fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des beauftragten Gläubigers wies das Landgericht zurück. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der antragstellende Gläubiger sein Ziel weiter, den amtsgerichtlichen Feststellungsbeschluss zu beseitigen.
II.
3Das Landgericht hat die Erstbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 78 Abs. 2 Satz 2 InsO für zulässig erachtet und ein Stimmverbot gegen den Gläubiger bejaht, der selbst den Auftrag der Gläubigerversammlung zur Anfechtung gemäß § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO erstrebe.
4Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Ansicht, die Erstbeschwerde sei bereits in unmittelbarer Anwendung von § 78 Abs. 2 Satz 2 InsO statthaft, weil die Missachtung eines Stimmverbots in der Gläubigerversammlung kein Nichtigkeits-, sondern allenfalls ein Beschlussaufhebungsgrund sein könne. Folge man dem nicht, so handele es sich um eine gesetzesfremde Entscheidung des Insolvenzgerichts, gegen welche nach den Grundsätzen des Beschlusses vom (BGHZ 158, 212) die außerordentliche Beschwerde eröffnet sein müsse. Die Stimmberechtigung in der Gläubigerversammlung sei in dieser vom Insolvenzgericht festzustellen, wogegen nur nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG der Richter angerufen werden könne.
III.
5Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt voraus, dass bereits die Erstbeschwerde statthaft war (BGHZ 144, 78, 82 ff; , ZIP 2008, 2428 f Rn. 5; v. - IX ZB 77/09 - ZInsO 2009, 1221 Rn. 5). Daran fehlt es.
61. Die angefochtene Feststellung des Insolvenzgerichts über die Nichtigkeit des in der Gläubigerversammlung gefassten Beschlusses unterliegt gemäß § 6 Abs. 1 InsO keiner Beschwerde.
7Entgegen dem von der Rechtsbeschwerde vertretenen Standpunkt hat das Insolvenzgericht keine Beschlussaufhebung nach § 78 InsO ausgesprochen. Dem steht sowohl seine Beschlussformel entgegen, welche nur die Nichtigkeit des von der Gläubigerversammlung beschlossenen Auftrags an den antragstellenden Gläubiger feststellt, als auch der in den Gründen hervorgehobene ausschließlich deklaratorische Charakter des Ausspruchs. Dieser entspricht sachlich dem Antrag des überstimmten Gläubigers, welcher von der Nichtigkeit des gefassten Beschlusses ausgeht.
8Die Rechtsbeschwerde wird ferner nicht dadurch statthaft, dass, wie sie annimmt, die behauptete Verletzung des Stimmverbots durch den antragstellenden Gläubiger allenfalls ein Aufhebungsgrund sein könne. Denn damit eröffnet sich keine Beschwerde nach § 78 Abs. 2 InsO. Die Rechtsmittelfähigkeit einer Entscheidung richtet sich nach ihrem tatsächlichen und nicht nach einem gedachten Inhalt, der im Einklang mit der jeweiligen Verfahrensordnung steht.
9Durch § 78 Abs. 1 InsO ist die Beschlussaufhebung zudem nur für den bezeichneten Inhaltsmangel vorgesehen. Die Vorschrift und die bei einem hiernach aufgehobenen Beschluss der Gläubigerversammlung gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 InsO eröffneten Rechtsmittel beziehen sich deshalb nicht auf Mängel des Beschlussverfahrens, wie sie hier geltend gemacht werden.
10Über die Hilfsbegründung des überstimmten Gläubigers, welche sich auf die erkennbare Aussichtslosigkeit der vom antragstellenden Gläubiger beabsichtigten Insolvenzanfechtungen stützt, woraus sich ein Widerspruch des erteilten Auftrags zu den gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger (vgl. dazu , ZIP 2008, 1384, 1385 Rn. 9) und damit ein Aufhebungsgrund gemäß § 78 Abs. 1 InsO ergeben kann, hat das Insolvenzgericht nicht entschieden und hatte dazu nach seinem rechtlichen Ausgangspunkt auch keinen Anlass. Eine Zurückverweisung der Sache zur Entscheidung über den Hilfsantrag kommt nicht in Betracht, schon weil der überstimmte Gläubiger in der Versammlung den nach § 78 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Antrag nicht gestellt hat und er demzufolge mit einem etwaigen Aufhebungsanspruch ausgeschlossen ist.
112. Die Statthaftigkeit der hier eingelegten Rechtsmittel lässt sich schließlich nicht mit der Rechtsbeschwerde daraus herleiten, dass bei gesetzesfremden Entscheidungen des Insolvenzgerichts, die schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirken oder gestatten, nach den Grundsätzen des Senatsbeschlusses vom (BGHZ 158, 212) eine außerordentliche Beschwerde in Betracht kommt, die durch das Enumerationsprinzip des § 6 Abs. 1 InsO nicht gehindert wird.
12 Hier hätte der überstimmte Gläubiger gegen die Zulassung des antragstellenden Gläubigers zur Abstimmung, die ihn beschwerte, vor Beendigung der Versammlung richterliche Entscheidung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG beantragen können (vgl. auch , ZIP 2008, 2428, 2429 Rn. 8). Das hat er versäumt. Nachträglich hätte der überstimmte Gläubiger allenfalls im Wege des Rechtsstreits gegen den antragstellenden Gläubiger vorgehen können, dessen Beauftragung mit eigener Stimme er die Wirkung absprechen wollte (vgl. Uhlenbruck, InsO 13. Aufl. § 77 Rn. 11). Indem statt dessen die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts antragsgemäß im Nachhinein die Nichtigkeit des Auftrags der Gläubigerversammlung zur Insolvenzanfechtung festgestellt hat, ist in einem gesetzesfremden Verfahren die Entscheidung eines Rechtsstreits durch ein nach Art. 97 GG absolut unzuständiges Rechtspflegeorgan ergangen. Diese Entscheidung ist nichtig.
13Gleichwohl bedarf es keiner außerordentlichen Beschwerde, um nach den Grundsätzen des Senatsbeschlusses vom (aaO) dem beauftragten Gläubiger effektiven Rechtsschutz gegen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff zu gewähren. Ein solcher Eingriff liegt nicht vor. Neben der hier versäumten Rechtspflegererinnerung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG konnte der Rechtsbeschwerdeführer jederzeit seine Rechte aus § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO als gesetzlicher Prozessstandschafter verfolgen. Wollte er später einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 313 Abs. 2 Satz 4 InsO gegen die Masse geltend machen, war gegenüber dem Treuhänder die Wirksamkeit des Anfechtungsauftrags der Gläubigerversammlung neu zu beurteilen. Bei bestehendem Feststellungsinteresse konnte er die Wirksamkeit des ihm mit eigener Stimme erteilten Anfechtungsauftrags gegenüber dem Treuhänder und dem widersprechenden Gläubiger im Streitverfahren auch selbständig gerichtlich klären lassen.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Grupp
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DStR 2010 S. 1995 Nr. 39
WM 2010 S. 1371 Nr. 29
XAAAD-45311