Keine Anrechnung von Zeiten als Ärztin/Arzt im Praktikum (AiP) bei der Stufenzuordnung im TV-Ärzte/TdL
Gesetze: § 16 Abs 2 S 1 TV-Ärzte, § 16 Abs 2 S 2 TV-Ärzte, § 1 TVG, TV-Ärzte/VKA, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: ArbG Rostock Az: 1 Ca 1121/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 2 Sa 296/07 Urteil
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beschäftigungszeit als Arzt im Praktikum (AiP) bei der Stufenzuordnung nach § 16 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) vom zu berücksichtigen und der Kläger deshalb in den Monaten Juli 2006 bis Juni 2007 nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5, TV-Ärzte/TdL zu vergüten war.
Der Kläger war im Anschluss an seine Tätigkeit als AiP vom bis zum im Universitätsklinikum R des beklagten Landes vom bis zum als Assistenzarzt beschäftigt. Vom bis zum befand er sich in Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis richtete sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem TV-Ärzte/TdL. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte/TdL) vom lautet:
In § 16 TV-Ärzte/TdL heißt es:
4 Der Kläger hat gemeint, die Zeit seiner Tätigkeit als AiP sei bei der Stufenzuordnung nach § 5 TVÜ-Ärzte/TdL iVm. § 16 TV-Ärzte/TdL zu berücksichtigen. Er habe bereits während dieser Zeit ärztliche Tätigkeiten ausgeübt und einschlägige Berufserfahrung gesammelt. Mit dem ersatzlosen Wegfall der Regelungen hinsichtlich der Tätigkeit als AiP im Jahre 2004 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass die Tätigkeit als AiP der Tätigkeit eines vollapprobierten Arztes gleichwertig sei. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/TdL gebiete zwingend die Berücksichtigung der Zeit als AiP bei der Stufenzuordnung. Da im Geltungsbereich des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom die AiP-Zeit bei der Stufenzuordnung angerechnet werde, würden innerhalb der Ärzteschaft zwei Gruppen von Normadressaten unterschiedlich behandelt, wenn die Tätigkeit als AiP im Geltungsbereich des TV-Ärzte/TdL bei der Stufenzuordnung nicht berücksichtigt würde.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
6 Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Tätigkeit als AiP sei keine ärztliche Tätigkeit im Tarifsinne. Den Tarifvertragsparteien sei dies bei der Regelung der Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bewusst gewesen. Der Marburger Bund habe sich bei den Tarifvertragsverhandlungen mit seiner Forderung, die Tätigkeit als AiP bei der Stufenzuordnung einer ärztlichen Tätigkeit gleichzustellen, anders als bei den Verhandlungen über den TV-Ärzte/VKA nicht durchsetzen können.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Gründe
8 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
9 I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird (vgl. Senat - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN).
10 II. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Land ist nicht nach § 5 TVÜ-Ärzte/TdL iVm. § 16 TV-Ärzte/TdL verpflichtet, dem Kläger für die Monate Juli 2006 bis Juni 2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5 (Arzt ab dem 5. Jahr), TV-Ärzte/TdL zu zahlen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Zeit seiner Tätigkeit als AiP weder als Zeit mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/TdL noch als Zeit von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/TdL bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen.
11 1. Der Vierte Senat des - 4 AZR 382/08 - ZTR 2010, 142) unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der ärztlichen Tätigkeit im Tarifsinne ( - 4 AZR 200/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 218) eingehend ausgeführt, aus welchen Gründen die Zeit einer Tätigkeit als AiP keine Vorzeit ärztlicher Tätigkeit iSv. § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/TdL ist. Er hat angenommen, die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL hätten mit dem Begriff der ärztlichen Tätigkeit an das einschlägige Medizinalrecht angeknüpft. Danach sei die Approbation als Arzt Voraussetzung der Ausübung des ärztlichen Berufs. Dem entspreche die frühere Tätigkeit als AiP nicht. An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr nach der Geschäftsverteilung für das Bundesarbeitsgericht für die Zuordnung zu den Stufen einer Vergütungsgruppe zuständige Sechste Senat fest. Die Revisionsbegründung des Klägers und die rechtlichen Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten in der Revisionsverhandlung rechtfertigen nicht die Annahme, die Zeit einer Tätigkeit als AiP sei nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien ärztliche Tätigkeit.
12 a) Die Erwägung des Klägers, ein AiP sei approbiert, nur nicht vollapprobiert, trägt nicht. Dies gilt auch für das Argument, nach der Tätigkeit als AiP habe für die Erteilung der Vollapprobation keine Prüfung mehr mit Erfolg abgelegt werden müssen. Maßgebend ist, dass die Tätigkeit als AiP als praxis- und patientenbezogene Ausbildung ausgestaltet war und die Ausübung des ärztlichen Berufs die Erteilung der Vollapprobation voraussetzt.
13 b) Auch der Hinweis des Klägers, wonach die Zeit als AiP bei der Weiterbildung zum Facharzt als Weiterbildungszeit zählt, hilft ihm nicht weiter. Selbst wenn die bis zum vor der Vollapprobation verlangte Pflichtzeit als AiP nach Maßgabe bestimmter Vorschriften für die Weiterbildung von Ärzten als Weiterbildungszeit angerechnet werden könnte, wären die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL an eine solche Entscheidung der für das Weiterbildungsrecht der Ärzte zuständigen Normgeber nicht gebunden. Vielmehr oblag es ihrer autonomen Regelungsmacht festzulegen, welche Zeiten bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen sind. Wenn sie in § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/TdL bestimmt haben, dass Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung und damit grundsätzlich nur Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit anzurechnen sind, haben sie die Grenzen ihrer Regelungsmacht nicht überschritten.
14 2. Entgegen der Ansicht des Klägers kann die Zeit seiner Tätigkeit als AiP auch nicht als Zeit von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/TdL bei der Stufenzuordnung angerechnet werden. Seine Rüge, wonach das beklagte Land sein Ermessen bei der Berücksichtigung von Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit nicht ausgeübt habe, geht fehl. Eine Ermessensausübung setzt eine Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit voraus. Daran fehlt es. Ausbildungszeit ist grundsätzlich keine Zeit der Berufserfahrung ( - ZTR 2010, 142).
15 3. Der ersatzlose Wegfall der Regelungen zur Tätigkeit als AiP zum gibt entgegen der Auffassung des Klägers kein anderes Auslegungsergebnis vor. Der Umstand, dass die Berufsausbildung zum Arzt geändert wurde und eine Ausbildungszeit als AiP vor der Erteilung der Vollapprobation nicht mehr vorgesehen ist, zwang die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL nicht dazu, bei der Stufenzuordnung die Tätigkeit als AiP der Tätigkeit einer vollapprobierten Ärztin oder eines vollapprobierten Arztes gleichzustellen oder diese Ausbildungszeit im Wege der Fiktion als Zeit der Berufserfahrung zu bewerten.
16 4. Soweit der Kläger den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG anzieht und geltend macht, dass im Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA die AiP-Zeit bei der Stufenzuordnung angerechnet wird, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Es trifft zwar zu, dass die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/VKA in § 19 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA geregelt haben, dass eine Tätigkeit als AiP als ärztliche Tätigkeit gilt. Wegen der unterschiedlichen Tarifvertragsparteien und der unterschiedlichen Geltungsbereiche der Tarifverträge liegt jedoch darin, dass die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL für die im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags beschäftigten Ärztinnen und Ärzte von einer solchen Fiktion abgesehen und die Ausbildungszeit als AiP bei der Stufenzuordnung nicht der Tätigkeit als Ärztin oder Arzt gleichgesetzt haben, kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 2000 Nr. 36
VAAAD-44600