BSG Urteil v. - B 2 U 4/09 R

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsstreit zwischen gesetzlichem Krankenversicherungsträger und Berufsgenossenschaft - Ausschlussfrist gem § 111 S 2 SGB 10 - Auslegung: Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht - Differenzierung: Versicherungsfall - Leistungsfall - verschiedene Leistungsfälle - Heilbehandlung)

Gesetze: § 105 SGB 10, § 111 S 1 SGB 10, § 111 S 2 SGB 10 vom , § 111 S 2 SGB 10 vom , § 7 Abs 1 SGB 7, § 8 SGB 7, § 9 SGB 7, § 26 SGB 7, §§ 26ff SGB 7

Instanzenzug: Az: S 17 U 3743/07 Urteil

Tatbestand

1 Umstritten ist ein Erstattungsanspruch. Der bei der klagenden Krankenkasse versicherte S. P. (im Folgenden: P.) wurde in den Jahren 2003 bis 2005 wiederholt wegen eines Harnblasentumors stationär behandelt. Aufgrund einer ärztlichen Anzeige wegen des Verdachts einer Berufskrankheit (BK) führte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) entsprechende Ermittlungen durch und teilte mit Schreiben vom der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden ebenfalls: Klägerin) sowie dem P. mit, bei P. liege eine BK nach Nr 1301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (im Folgenden: BK 1301) mit "Versicherungsfalltag" vor. Mit Bescheid vom gegenüber P. erkannte die Beklagte die BK 1301 nach der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung an und ihm ein Recht auf eine Rente auf unbestimmte Zeit zu.

2 Zwischenzeitlich hatte die Klägerin mit Schreiben vom bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 10.140,48 Euro für wiederholte stationäre Behandlungen des P. wegen seines Harnblasenkarzinoms in der Zeit vom bis zum geltend gemacht. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab.

3 Auf die am von der Klägerin erhobene Zahlungsklage über 10.140,48 Euro hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des Erstattungsbegehren seien gemäß § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfüllt. Der Anspruch sei auch nicht wegen verspäteter Geltendmachung nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, obwohl die Leistungen in der Zeit bis zum erbracht worden seien. Der Lauf der Frist zur Geltendmachung habe nach § 111 Satz 2 SGB X erst mit dem Zugang des Schreibens der Beklagten vom begonnen und die Klägerin habe ihren Erstattungsanspruch mit Schreiben vom geltend gemacht. Die Grundsätze aus dem - SozR 4-1300 § 111 Nr 3) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In jenem Fall sei eine Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X zwischen zwei Krankenkassen verneint worden, wenn der erstattungspflichtige Träger über die Leistung keine Entscheidung getroffen habe und auch nicht mehr treffen dürfe. Vorliegend habe die beklagte BG aber eine Entscheidung getroffen, ob diese in dem Schreiben an die Klägerin vom oder dem Bescheid vom gesehen werde, könne dahingestellt bleiben. Auch aus der Bundestags-Drucksache (BT-Drucks 14/4375) zur Begründung der heutigen Fassung des § 111 SGB X werde deutlich, dass die Gesichtspunkte der Beschleunigung und der Rechtssicherheit in Fällen der vorliegenden Art zurücktreten sollten, damit der erstattungsberechtigte Leistungsträger die Möglichkeit habe, seinen Anspruch fristgerecht geltend zu machen. Daher stehe die Entscheidung auch nicht im Widerspruch zum - über einen Erstattungsanspruch zwischen einem überörtlichen Sozialhilfeträger und einer Krankenkasse.

4 Die Beklagte rügt mit ihrer Sprungrevision, in deren Einlegung die Klägerin im Laufe der Revisionsfrist eingewilligt hat, eine Verletzung des § 111 SGB X. Zwar seien die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 105 SGB X erfüllt. Der Erstattungsanspruch sei aber nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Nach dem von dem SG angeführten Urteil des 1. Senats des BSG zum Krankenversicherungsrecht solle ein Erstattungsanspruch für eine Leistungserbringung, die mehrere Jahre zurückliege, ausgeschlossen sein und dies müsse auch für die gesetzliche Unfallversicherung gelten. Der Bedarf des P. hinsichtlich der stationären Behandlung sei erfüllt und eine Entscheidung darüber könne nicht mehr herbeigeführt werden.

5 Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6 Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt sei mit dem Beispiel aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4375) vergleichbar, auch wenn vorliegend keine konkreten Leistungsansprüche bewilligt wurden. Der Klägerin sei aufgrund des gegliederten Sozialversicherungssystems kein Recht eingeräumt, die Anspruchsvoraussetzungen des § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) selbstständig zu prüfen, oder eine diesbezügliche Entscheidung gegenüber P. zu treffen.

Gründe

8Die Sprungrevision der Beklagten ist zulässig (vgl § 161 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) . Die schriftliche Erklärung der Revisionsgegnerin, dass sie der Sprungrevision unter Übergehung der Berufungsinstanz zustimme, ist am und damit innerhalb der Revisionsfrist beim BSG eingegangen.

9Einer Beiladung des P. nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG bedurfte es nicht, weil die Entscheidung über die Kostenerstattung für seine stationäre Heilbehandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten keine Auswirkungen auf seine Rechtsposition hat und die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X nicht von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern eigenständige Ansprüche sind (vgl schon - BSGE 57, 146 ff = SozR 1300 § 103 Nr 2; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB X, Loseblatt, Stand Oktober 2009, Vorbem §§ 102 ff RdNr 17 ff; Roos in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, Vorbem § 102 RdNr 4) .

10Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Erstattungsanspruch aufgrund der Kosten für die wiederholten stationären Behandlungen des P. in der Zeit vom bis zum in Höhe von 10.140,48 Euro, weil ein solcher Anspruch nach § 111 SGB X ausgeschlossen ist.

11Ob die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X zwischen der klagenden Krankenkasse und der beklagten BG gegeben sind, wie das SG angenommen hat, kann dahingestellt bleiben. Zumindest sind die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 102 bis 104 SGB X nicht gegeben.

12Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch anwendbar ist, weil der Erstattungsanspruch des erstangegangenen Trägers nach dessen Abs 4 Satz 1 und 3 nicht ausgeschlossen ist ( vgl - RdNr 13 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen ).

13Die Klägerin ist mit dem von ihr geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 111 Satz 1 SGB X erfüllt sind (dazu 1) und sich aus § 111 Satz 2 SGB X nichts anderes ergibt (dazu 2).

14(1) Nach § 111 Satz 1 SGB X in der seit seinem Inkrafttreten am ( Gesetz vom , BGBl I 1450) geltenden Fassung ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Die Zwölfmonatsfrist lief spätestens am ab, weil der letzte Tag, an dem eine stationäre Behandlung für P. seitens der Klägerin erbracht wurde, auf die sich deren Erstattungsbegehren bezieht, der war und der nächste auf den Sonntag, den folgende Werktag der war (vgl zur Fristberechnung nur § 26 Abs 1, 3 SGB X iVm §§ 187 bis 193 Bürgerliches Gesetzbuch, sowie im Übrigen Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB X, § 111 RdNr 7 ff). Diese Frist hat die Klägerin nicht eingehalten, weil sie gegenüber der Beklagten ihr Erstattungsbegehren erst mit Schreiben vom angemeldet hat.

15Anhaltspunkte für eine Ausnahme entsprechend dem Urteil des 10. Senats des - BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4 = SGb 2008, 373 mit Anmerkung Böttger) wegen eines grob rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten, das einen Verstoß gegen die Pflicht der Leistungsträger untereinander (§§ 86 ff SGB X) beinhaltet, sind nicht zu erkennen.

16(2) Die Klägerin kann sich zu ihren Gunsten auch nicht auf die Ausschlussfrist des § 111 Satz 2 SGB X in der seit dem geltenden Fassung des Vierten Euro-Einführungsgesetzes vom (BGBl I 1983) berufen, der lautet: "Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat".

17Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung des SG nicht erfüllt. Das SG hat als "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht", auf deren Kenntniserlangung durch die Klägerin als erstattungsberechtigte Leistungsträgerin abzustellen sei, die Schreiben der Beklagten vom an die Klägerin sowie den P. angesehen, in denen mitgeteilt wurde, bei P. liege eine BK 1301 vor. Dass die Beklagte in einem dieser Schreiben über ihre Leistungspflicht hinsichtlich der stationären Heilbehandlungen des P., für die die Klägerin Erstattung begehrt, entschieden habe, hat das SG nicht festgestellt. Auch hinsichtlich des Inhalts des Bescheides der Beklagten vom an den P. über die Anerkennung einer BK 1301 und die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit oder des Schreibens der Beklagten vom an die Klägerin, in dem sie diese über den Bescheid informierte, hat das SG keine dahingehende Feststellung getroffen.

18Die Entscheidung über die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier einer BK 1301, und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund dieser BK beinhaltet jedoch keine Entscheidung über eine Leistungspflicht hinsichtlich zB einer stationären Heilbehandlung.

19Zwischen der Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers über das Vorliegen eines Versicherungsfalls nach § 7 Abs 1, §§ 8, 9 SGB VII und der oder ggf den Entscheidungen über die aufgrund dieses Versicherungsfalles zu gewährende(n) Leistung(en) nach §§ 26 ff SGB VII, den sog Leistungsfällen, ist zumindest seit dem SGB VII grundsätzlich zu unterscheiden, wie sich vor allem aus der Systematik des SGB VII ergibt (vgl nur Urteil des Senats vom - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14 zu den Tatbestandsmerkmalen einer Listen-BK; vgl zu den prozessualen Folgen: - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 ff = SGb 2005, 600 ff). Ebenso ist zwischen Entscheidungen über verschiedene "Leistungsfälle" zu unterscheiden, weil diese verschiedene Voraussetzungen haben (vgl zur stationären Heilbehandlung § 33 SGB VII, zur Verletztenrente § 56 SGB VII usw) . Dem wird die allgemeine Erwägung, wenn ein Unfallversicherungsträger nach langdauernden Ermittlungen einen Körperschaden als Folge eines Arbeitsunfalls oder eine BK anerkenne, sei diese Feststellung der früheste Zeitpunkt, ab dem die Frist für den Erstattungsanspruch einer Krankenkasse für die erbrachten Behandlungskosten zu laufen beginne (so von Wulffen in von Wulffen, SGB X, § 111 RdNr 9) nicht gerecht, sodass ihr nicht gefolgt werden kann.

20Entsprechendes gilt für das vom SG angeführte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom (L 18 U 181/03) , das im Übrigen nicht rechtskräftig wurde, weil die Klage im Laufe des Revisionsverfahrens zurückgenommen wurde. Die eine Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X bejahende Begründung des LSG überzeugt in der Sache nicht, weil es sich auf allgemeine Überlegungen zum Zweck und der Anwendbarkeit des § 111 Satz 2 SGB X stützte, obwohl nach seinen eigenen Feststellungen gerade die im Wortlaut des § 111 Satz 2 SGB X geforderte "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht" nicht vorlag (vgl RdNr 22 des Urteils des LSG).

21Entgegen den Ausführungen des SG wird diese Auslegung des Senats durch die Entstehungsgeschichte des - neuen - § 111 Satz 2 SGB X bestätigt: Die ursprüngliche bis zum geltende Fassung des § 111 Satz 2 SGB X lautete: "Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit der Entstehung des Anspruchs" (§ 111 Satz 2 SGB X idF des Gesetzes vom , BGBl I 1450) . Als Zeitpunkt der Entstehung wurde der Zeitpunkt angesehen, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen für den jeweiligen Anspruch erfüllt waren, auf die Erteilung eines Bescheides durch den erstattungspflichtigen Leistungsträger kam es nicht an (vgl Urteil des 1. Senats des - SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 10 f mwN sowie Urteil des erkennenden Senats vom - 2 RU 22/95 - SozR 3-1300 § 111 Nr 4). Zur Begründung für diese Rechtsprechung wurde darauf verwiesen, dass damit innerhalb einer kurzen Frist für den erstattungsberechtigten und den erstattungspflichtigen Leistungsträger Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eintrete.

22Die Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz beruhte auf dieser Auslegung und der an ihr geäußerten Kritik mit dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4375 S 60) formulierten Ziel, dass Erstattungsansprüche auch Leistungen des Erstattungsberechtigten für Zeiträume erfassen können, deren Ende länger als 12 Monate zurückliegt. In solchen Fällen auf die möglicherweise mehrere Jahre zurückliegende Entstehung des Erstattungsanspruchs abzustellen, sei nicht sachgerecht, weil der erstattungsberechtigte Träger in solchen Fällen keine Möglichkeit habe, seinen Erstattungsanspruch fristgerecht geltend zu machen. Als Beispiel wurde (angelehnt an das Urteil des Senats vom - 2 RU 22/95 - SozR 3-1300 § 111 Nr 4) eine ehemalige Arbeitslosenhilfeempfängerin genannt, der über ein Jahr nach Ende des Bezugs der Arbeitslosenhilfe für die Zeit des Arbeitslosenhilfe-Bezugs rückwirkend Verletztenrente bewilligt wurde. Das BSG habe einen Erstattungsanspruch als ausgeschlossen angesehen.

23Ausweislich dieser Entstehungsgeschichte des heutigen § 111 Satz 2 SGB X sollte der erstattungsberechtigte Leistungsträger, der keine Kenntnis von der Entstehung eines Erstattungsanspruchs hatte, weil ihm die zur Leistungspflicht des anderen Trägers führenden Umstände verborgen waren, ab der Kenntnis von der Entscheidung des anderen Trägers über dessen Leistungspflicht innerhalb einer weiteren Zwölfmonatsfrist einen Erstattungsanspruch geltend machen können. Voraussetzung für die Geltendmachung ist jedoch die vorliegend nicht gegebene Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht.

24Bei dieser Auslegung des § 111 Satz 2 SGB X verbleibt entgegen der Ansicht des SG sehr wohl ein Anwendungsbereich für die Vorschrift. Zu denken ist insbesondere an die zahlreichen Fallgestaltungen, die dem in der Gesetzesbegründung angeführten Beispiel "nachträgliche Leistungsbewilligungen an Versicherte über Leistungen, die bei Leistungen anderer Leistungsträger, die der Versicherte von diesen erhalten hat, zu berücksichtigen gewesen wären" entsprechen (vgl aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: zum Verhältnis Verletztenrente und Arbeitslosenhilfe oder eine andere einkommensabhängige Leistung das Urteil des Senats vom - 2 RU 22/95 - SozR 3-1300 § 111 Nr 4; zur Anrechnung von Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 93 SGB VI das Urteil des Senats vom - B 2 U 15/03 R - SozR 4-1300 § 111 Nr 1; oder bei Feststellung einer BK die nachträgliche Bewilligung von Verletztengeld, wenn zuvor schon Krankengeld gezahlt wurde) . In diesen Fällen ist eine Erstattung auch für länger zurückliegende Zeiträume schon deswegen sinnvoll, weil so eine Doppelleistung an den Versicherten vermieden wird.

25Einer näheren Erörterung der Entscheidungen des 1. Senats des BSG ( aaO RdNr 13 und vom - B 1 KR 13/07 R) bedarf es nicht, weil in diesen Erstattungsansprüche umstritten waren, deren materiellrechtliche Grundlage im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung lag. Ferner kann aus den Darlegungen von Kater (Der Beginn der Ausschlussfrist für Erstattungsansprüche - § 111 SGB X, SGb 2007, 400 ff) nichts zu Gunsten der Klägerin hergeleitet werden, weil dieser bei Erstattungsansprüchen nach § 105 SGB X eine Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X verneint.

26Entgegen der Revisionserwiderung der klagenden Krankenkasse folgt aus dem gegliederten Sozialversicherungssystem keine andere Beurteilung. Es ist nicht zu erkennen, wieso ein Leistungsträger unabhängig von der Regelung des § 111 Satz 2 SGB X und der danach erforderlichen Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers nicht in der Lage sein soll, entsprechend § 111 Satz 1 SGB X innerhalb eines Jahres nach Erbringung der Leistung zu prüfen, ob ggf ein anderer Leistungsträger zuständig ist, und zumindest vorsorglich einen Erstattungsanspruch anzumelden. Eine Krankenkasse kann das Vorliegen der Voraussetzungen einer Listen-BK bei einem ihrer Versicherten sehr wohl prüfen, auch wenn sie kein Recht hat, über das Vorliegen einer BK bei einem Versicherten eine ggf andere Leistungsträger bindende Entscheidung zu treffen. Im Übrigen hat sie sogar die Pflicht, bei einem Verdacht auf das Vorliegen einer BK bei einem Versicherten dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen (vgl heute: § 20b Abs 1 Satz 3 SGB V, in den vorliegend relevanten Jahren 2003 bis 2006: § 20 Abs 2 Satz 3 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom , BGBl I 2626). Es war der Klägerin unbenommen angesichts der Diagnose Harnblasentumor bei P. - zumindest vorsorglich - einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten anzumelden, weil dies eine typische Erkrankung der BK 1301 ist, wie sich schon aus deren Bezeichnung ergibt, zumal andere Krankenkassen zur Anmeldung solcher Erstattungsansprüche entsprechend organisatorisch Vorkehrungen getroffen haben ( vgl Löffler ua, Ökonomischer Nutzen der Beratung gesetzlicher Krankenkassen in Berufskrankheitenfragen, Gesundheitswesen 2003, 438 ff ).

27Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:160310UB2U409R0

Fundstelle(n):
LAAAD-44103