Verwertung von Gegenständen mit Absonderungsrechten im Insolvenzverfahren: Einmalige Pflicht des Insolvenzverwalters zur Information des Gläubigers über die Veräußerungsabsicht
Leitsatz
Hat der Insolvenzverwalter den absonderungsberechtigten Gläubiger über die beabsichtigte Veräußerung des vom Absonderungsrecht betroffenen Gegenstands an einen Dritten informiert und der Gläubiger daraufhin seine Bereitschaft erklärt, den Gegenstand selbst zu übernehmen, muss der Verwalter den Gläubiger im Regelfall nicht erneut informieren, bevor er den Gegenstand auf ein verbessertes Angebot an den Dritten veräußert .
Gesetze: § 60 Abs 1 InsO, § 168 Abs 1 InsO
Instanzenzug: Az: 9 U 147/08 Urteilvorgehend LG Freiburg (Breisgau) Az: 8 O 212/07
Gründe
I.
1 Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Betreiberin einer Gaststätte; die Klägerin war Sicherungseigentümerin eines Teils des Inventars der Gaststätte. Auf die Mitteilung des Beklagten, er beabsichtige, das Inventar durch Veräußerung an einen Dritten zu verwerten, antwortete die Klägerin, sie trete selbst in die Verwertung ein, und bot einen Preis, der geringfügig über dem Angebot des Dritten lag. Der Beklagte veräußerte das Inventar auf ein verbessertes Angebot hin an den Dritten, ohne die Klägerin erneut zu informieren. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten persönlich Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem von ihr behaupteten Zerschlagungswert des Inventars und dem an sie ausgekehrten Teil des Verwertungserlöses. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
II.
2 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
3 1. Die Frage, ob ein Insolvenzverwalter pflichtwidrig im Sinne von § 60 Abs. 1 InsO handelt, wenn er einen absonderungsberechtigten Gläubiger, der nach Mitteilung der Veräußerungsabsicht (§ 168 Abs. 1 InsO) seine Bereitschaft zur Selbstübernahme erklärt hat (§ 168 Abs. 3 InsO), nicht erneut informiert, bevor er die Sache auf ein nachgebessertes Angebot an einen Dritten veräußert, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung. Sie ist mit der in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum fast einhellig vertretenen Meinung im Grundsatz zu verneinen (LG Neubrandenburg ZIP 2006, 1143; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, 2. Aufl. § 168 Rn. 20 und 39; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO 13. Aufl. § 168 Rn. 7b; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 168 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Büchler, 3. Aufl. § 168 Rn. 4; Flöther in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 168 Rn. 7; Undritz/Fiebig in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 168 Rn. 29-31; Haas/Scholl, NZI 2002, 642, 643; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, DStR 2006, 1188, 1189; Gundlach/Frenzel/Jahn, DStR 2008, 1930, 1932; a.A. FK-InsO/Wegener, 5. Aufl. § 168 Rn. 11). Zweck der Mitteilungspflicht nach § 168 Abs. 1 Satz 1 InsO ist es, im Hinblick auf das Verwertungsrecht des Verwalters (§ 166 InsO) das Interesse des absonderungsberechtigten Gläubigers zu wahren, eine Veräußerung der Sache unter Wert zu verhindern und einen möglichst hohen, der gesicherten Forderung nahe kommenden Verwertungserlös zu erzielen. Hierfür genügt im Regelfall eine einmalige Information des Gläubigers über die beabsichtigte Veräußerung. Die Mitteilungspflicht des Verwalters hat hingegen nicht den Zweck, dem Gläubiger zu ermöglichen, mit dem interessierten Dritten in einen Wettstreit einzutreten mit dem Ziel, die Sache möglichst günstig selbst zu erwerben. Ein solcher Wettstreit könnte zudem zu einer Verzögerung führen, die durch die Regelung in § 168 InsO gerade vermieden werden soll. Dem Gläubiger ist zuzumuten, auf eine Mitteilung des Verwalters über eine beabsichtigte Veräußerung sogleich einen Betrag anzubieten, der aus seiner Sicht angemessen ist.
4 2. Die damit übereinstimmende Rechtsansicht des Berufungsgerichts trägt das angegriffene Urteil. Auf die weitere, von der Beschwerde ebenfalls für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob der vom Insolvenzverwalter im Falle einer Verletzung der in § 168 Abs. 1 Satz 1 InsO normierten Mitteilungspflicht nach § 60 InsO zu ersetzende Schaden entsprechend der Ausgleichspflicht der Masse nach § 168 Abs. 2 InsO zu begrenzen ist, kommt es deshalb nicht an.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 1173 Nr. 21
DB 2010 S. 7 Nr. 21
DStR-Aktuell 2010 S. 12 Nr. 23
NJW 2010 S. 8 Nr. 25
StBW 2010 S. 520 Nr. 11
WM 2010 S. 1038 Nr. 22
ZIP 2010 S. 1089 Nr. 22
KAAAD-44031