BGH Beschluss v. - IX ZB 196/09

Insolvenzverfahren: Anfechtbarkeit einer verweigerten Anberaumung eines Schlusstermins bei Laufzeitende einer Abtretungserklärung; amtswegige Entscheidung über einen Antrag auf Restschuldbefreiung

Gesetze: § 75 Abs 1 InsO, § 287 Abs 2 InsO

Instanzenzug: Az: 5 T 200/09 Beschlussvorgehend Az: 5 T 424/09 Beschlussvorgehend Az: 60 IN 2/03

Gründe

I.

1Der Schuldner beantragte im November 2002 Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und Restschuldbefreiung. Er trat seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den vom Gericht in diesem Verfahren zu bestimmenden Treuhänder ab. Am eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren und bestellte die weitere Beteiligte zu 1 zur Insolvenzverwalterin.

2Mit Schriftsatz vom hat der Schuldner beantragt, zum Ablauf der Sechsjahresfrist des § 287 Abs. 2 InsO Schlusstermin anzuberaumen und über seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden. Diese Anträge hat das Insolvenzgericht am zurückgewiesen. Eine vom Schuldner dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner das Ziel weiter, eine Entscheidung über seinen Antrag auf Restschuldbefreiung herbeizuführen.

II.

3Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist unstatthaft.

41. Allerdings ist dem Schuldner auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO), weil er - nachdem der Senat ihm auf seinen fristgemäß gestellten Antrag hin Prozesskostenhilfe gewährt hat - rechtzeitig die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet hat.

52. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Beschwerde statthaft war (BGHZ 158, 212, 214; , NZI 2009, 553 Rn. 5). Dies ist nicht der Fall, wenn ein schlichtes Untätigbleiben des Insolvenzgerichts vorliegt. Es fehlt eine Entscheidung des Insolvenzgerichts, die mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden könnte (OLG Zweibrücken NZI 2001, 471, 472; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 6 Rn. 14; Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 6 Rn. 9; Uhlenbruck/I. Pape, InsO 13. Aufl. § 6 Rn. 4).

6a) Die Weigerung des Insolvenzgerichts, nach Ablauf der Frist des § 287 Abs. 2 InsO einen Termin anzuberaumen, um über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu entscheiden, stellt keine Entscheidung dar. Der Schuldner gehört nicht zu dem Personenkreis, der nach § 75 Abs. 1 InsO berechtigt ist, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu beantragen (Jaeger/Gerhardt, InsO § 75 Rn. 10; Uhlenbruck, aaO § 75 Rn. 3; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 75 Rn. 3 mit Einschränkung für den hier nicht einschlägigen Fall der Entscheidung über die Gewährung von Unterhalt). Eine Beschwerdebefugnis gemäß § 75 Abs. 3 InsO scheidet aus.

7b) Ein Beschwerderecht folgt auch nicht aus § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO. Die Weigerung, Termin zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung anzuberaumen, kommt einer Versagung derselben nicht gleich. Das Insolvenzgericht hat es abgelehnt, sich mit dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung zu befassen. Der Antrag ist deshalb noch offen.

III.

8Für das weitere Verfahren weist der Senat ungeachtet der fehlenden Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde des Schuldners auf Folgendes hin:

9Das Insolvenzgericht ist nach der - zum Zeitpunkt der Ablehnung des Terminierungsgesuchs des Schuldners noch nicht bekannten - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, unverzüglich das Verfahren zur Erteilung der Restschuldbefreiung einzuleiten (vgl. , ZInsO 2009, 102, z.V.b. in BGHZ). Über den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ist auch dann von Amts wegen zu entscheiden, wenn das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen werden kann (BGH aaO). Den Beteiligten muss wie bei einem Schlusstermin Gelegenheit gegeben werden, zum Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung Stellung zu nehmen und Versagungsanträge nach § 290 InsO zu stellen. Es kommt nicht darauf an, ob der Schuldner in dem nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu Ende zu führenden Insolvenzverfahren Versagungsgründe verwirklicht. Die Möglichkeit einer späteren Einstellung des Insolvenzverfahren nach § 207 InsO steht der (vorzeitigen) Erteilung der Restschuldbefreiung nicht entgegen. Mit Ablauf der Abtretungserklärung entfallen die Ankündigung der Restschuldbefreiung, die Wohlverhaltensphase und die dort zu beachtenden Obliegenheiten des Schuldners. Der Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs des Schuldners entfällt ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung, wenn dem Schuldner im laufenden Insolvenzverfahren entsprechend den vorstehenden Grundsätzen Restschuldbefreiung erteilt wird. Der Insolvenzverwalter/Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren ist verpflichtet, den Neuerwerb des Schuldners vom Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung an treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten. Kommt es zur Erteilung der Restschuldbefreiung, hat er diesen an den Schuldner auszukehren. Wird die Restschuldbefreiung versagt, fällt der Neuerwerb weiter in die Insolvenzmasse.

Ganter                              Raebel                              Kayser

                     Pape                                 Grupp

Diese Entscheidung steht in Bezug zu


Fundstelle(n):
WM 2010 S. 1082 Nr. 23
TAAAD-44028