BSG Urteil v. - B 6 KA 26/08 R

Leitsatz

Leitsatz:

1. Im EBM-Ä dürfen Anforderungen an die Qualifikation von Ärzten für die Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen normiert werden, die über berufsrechtliche Anforderungen hinausgehen. Derartige Regelungen sind grundsätzlich rechtmäßig, soweit sie den Arzt nicht von einem Leistungsbereich ausschließen, der zum Kern seines Fachgebiets gehört bzw für dieses wesentlich und prägend ist (Fortführung von = BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, jeweils RdNr 27-29).

2. Setzt eine Abrechnungsgenehmigung für bestimmte Leistungen voraus, dass der Arzt einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt nachweist, so muss ein schwerpunktmäßiger Anteil seines Gesamtpunktzahlvolumens in diesem Leistungsbereich anfallen.

Instanzenzug: LSG Hessen, L 4 KA 1/07 vom SG Marburg, S 12 KA 492/06 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für proktologische Leistungen.

Der Kläger ist im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seine Fallzahl lag im Jahr 2002 ungefähr bei dem Eineinhalbfachen des Fachgruppendurchschnitts, mit der proktologischen Tätigkeit erzielte er im Jahr 2002 ca 11,5 % seines Gesamtpunktzahlvolumens.

Nach der Neufassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen zum (EBM-Ä - der vorliegend relevante Abschnitt 30.6 ist bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben) beantragte der Kläger im Oktober 2005, ihm zu genehmigen, den proktologischen Basiskomplex (Nr 30600 EBM-Ä) abzurechnen. Er machte geltend, nach der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä habe ein Facharzt für Urologie Anspruch auf eine solche Genehmigung, sofern bei ihm ein entsprechender Versorgungsschwerpunkt vorliege. Dies sei bei ihm der Fall, denn seit seiner Niederlassung im Jahr 1989 sei er in zahlreichen Fällen proktologisch tätig.

Die Beklagte lehnte seinen Antrag ab (Bescheid vom ), weil ein Versorgungsschwerpunkt im Sinne der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä nach einem Beschluss ihres Vorstands einen Anteil von 30 % der Gesamtpunktzahl voraussetze, wofür die Zeit vor dem maßgebend sei. Einen so großen Anteil ergäben die proktologischen Leistungen des Klägers nach dem Abschnitt C VI EBM-Ä 1996 jedoch nicht. Den Widerspruch des Klägers, der geltend machte, der absolute Anteil proktologischer Leistungen sei sehr hoch, nur der prozentuale Anteil liege aufgrund seiner ungewöhnlich hohen Fallzahl und Gesamtpunktzahl niedrig, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom ): Die Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä erkenne die Abrechnungsberechtigung für die Leistungen dieses Abschnitts außer den Fachärzten für Chirurgie, Dermatologie und Innere Medizin nur solchen weiteren Fachärzten zu, die "einen durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung genehmigten Versorgungsschwerpunkt nachweisen können". Hiernach habe die jeweilige KÄV die Kompetenz zur näheren Festlegung, was ein Versorgungsschwerpunkt erfordere. Sie - die Beklagte - erkenne einen Versorgungsschwerpunkt an, wenn entweder auf den betroffenen Leistungsbereich ein Anteil von 30 % an der Gesamttätigkeit entfalle oder eine einjährige Weiterbildung für diesen Bereich nachgewiesen sei. Der Kläger erfülle keine dieser Voraussetzungen. Auf Bestandsschutz im Sinne einer Berechtigung, den proktologischen Basiskomplex über den hinaus abzurechnen, könne sich der Kläger nicht berufen. Diese Leistungen würden im Planungsbereich, in dem der Kläger zugelassen sei, in ausreichendem Umfang erbracht.

Mit seiner Klage hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Erfolg gehabt (Urteil vom ). Die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" im Rahmen der Regelungen über die Praxis- und Zusatzbudgets aus der Zeit vom bis zum könne nicht ohne Weiteres auf das Erfordernis eines Versorgungsschwerpunkts gemäß der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä angewendet werden. Ausreichend sei hier vielmehr, dass bei der in Rede stehenden Leistung eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliege, die die Spezialisierung zum Ausdruck bringe, und dass die Leistung auch in absoluten Zahlen in nennenswertem Umfang erbracht werde. Der Nr 30600 EBM-Ä entspreche im EBM-Ä 1996 die Leistung nach Nr 755, die lediglich 17 der insgesamt über 150 urologischen Praxen erbracht hätten. Der Kläger habe sie in den Quartalen I bis III/2002 insgesamt 237- bis 327-mal und, bezogen auf 100 Behandlungsfälle, 14- bis 18-mal erbracht. Dies reiche für die Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes aus.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Die Beklagte habe den Antrag des Klägers, ihm die Abrechnung der Nr 30600 EBM-Ä zu genehmigen, zu Recht abgelehnt. Ein Versorgungsschwerpunkt im Sinne der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä könne beim Kläger nicht anerkannt werden. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Kontext ähnlicher Regelungen zum Erfordernis eines Versorgungs- bzw Praxisschwerpunktes sei im Rahmen der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä auf Anteile am Punktzahlvolumen abzustellen, nicht auf Fallzahlen und auch nicht auf den Gesichtspunkt Sicherstellung der Versorgung. Offen bleiben könne, ob für die Qualifizierung als Schwerpunkt die betroffene Komplexleistung - wie es der Vorstand der Beklagten als Kriterium festgelegt habe - mindestens 30 % des Gesamtpunktzahlvolumens ausmachen müsse oder ob nicht 20 % ausreichten. Der Anteil habe im Falle des Klägers jedenfalls nur zwischen 10,01 % und 12 % in den Quartalen I-IV/2002 betragen. Dabei habe die Beklagte auch die Nr 360 EBM-Ä 1996 einbezogen, obgleich deren Leistungstatbestand einen (auch) urologischen Schwerpunkt habe. Hätte die Beklagte nur auf die spezifisch proktologische Leistung nach Nr 755 EBM-Ä 1996 abgestellt, so hätte sich der Anteil nicht einmal auf 6 % belaufen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger, das LSG habe die Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä falsch ausgelegt. Ein Versorgungsschwerpunkt sei vom Wortlaut her gegeben. Er - der Kläger - stelle die "Versorgung" im Einzugsbereich seiner Praxis auf proktologischem Gebiet sicher. Würde ihm dies zukünftig verwehrt, so müsste er die Patienten für die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen der Proktologie an einen anderen Arzt überweisen, was zusätzliche Kosten verursache. Diese Versorgung stelle auch einen "Schwerpunkt" seiner Praxistätigkeit dar. Für diesen Begriff sei unter der Zielvorgabe Qualitätssicherung darauf abzustellen, ob der Arzt eine ausreichende Mindestzahl solcher Untersuchungen durchführe, weil er nur dann über die erforderliche Erfahrung und "Fingerfertigkeit" verfüge. Er - der Kläger - erfülle die Qualitätssicherungserfordernisse durch die große Zahl an Behandlungsfällen mit proktologischer Tätigkeit. Anteile von 20 % oder 30 % an proktologischen Leistungen könnte er bei der von ihm geführten überdurchschnittlich großen Praxis nur erreichen, wenn alle Patienten aus ganz Hessen zu ihm in proktologische Behandlung kämen. Ausreichend sei, dass bei ihm die Zahl seiner proktologischen Behandlungsfälle weit über den Richtzahlen liege, die aus Sicht der Qualitätssicherung gefordert würden. Nur wenige Praxen hätten die Leistung nach Nr 755 EBM-Ä 1996 überhaupt erbracht, und er habe sie signifikant häufiger erbracht. Deshalb müsse ihm gestattet werden, seinen proktologischen Versorgungsauftrag weiterzuführen. Dementsprechend sei das Urteil des SG wiederherzustellen. Die restriktive Interpretation der Beklagten und des LSG sei nicht nur einfachrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Sie sei unter dem Gesichtspunkt des Art 12 Abs 1 GG nicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe den Begriff Versorgungsschwerpunkt zutreffend ausgelegt. Dessen Interpretation sei auch mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar; denn hier gehe es nicht um die Ausgrenzung von Leistungen, die dem Kernbereich des Urologen zuzurechnen seien. Durchgreifende Bedeutung komme dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt, er habe eine wesentlich größere Zahl an proktologischen Fällen betreut als seine Fachkollegen, nicht zu.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte und das LSG haben die von ihm begehrte Genehmigung zur Abrechnung proktologischer Leistungen zu Recht abgelehnt. Sie haben zutreffend das Vorliegen eines dafür erforderlichen Versorgungsschwerpunkts beim Kläger verneint.

Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist die Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä (in der zum in Kraft getretenen Fassung des EBM-Ä, dessen Abschnitt 30.6 bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist [zur Veröffentlichung siehe DÄ 2004, A 2554 f mit Verweisung auf die dem DÄ beigefügte CD-ROM]). Danach darf die Leistung nach Nr 30600 EBM-Ä außer von Fachärzten für Chirurgie, für Haut- und Geschlechtskrankheiten und für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie auch von solchen Ärzten abgerechnet werden, die einen durch die zuständige KÄV genehmigten Versorgungsschwerpunkt nachweisen können. Solche Qualifikationsvorgaben im EBM-Ä sind rechtlich unbedenklich (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16). Ihre gesetzliche Grundlage ergibt sich aus § 82 Abs 1 SGB V (BSG aaO. RdNr 18 ff), und derartige Qualifikationsvorgaben im EBM-Ä unterliegen weder verfassungsrechtlich-kompetenziellen Bedenken (BSG aaO. RdNr 27), noch sind sie materiellrechtlich zu beanstanden (aaO. RdNr 28 ff).

Materiell unbedenklich sind grundsätzlich insbesondere solche Regelungen, die den Arzt nicht von einem Leistungsbereich ausschließen, der zum Kern seines Fachgebiets gehört bzw für dieses wesentlich und prägend ist (vgl dazu BSG aaO. RdNr 28 und 29 mwN). Ein solcher Ausschluss steht bei dem hier in Frage stehenden Passus der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä erkennbar nicht in Frage. Proktologische Leistungen zu erbringen, mag zwar für Urologen nicht fern liegen, sich vielmehr bei der Gelegenheit urologischer Untersuchungen und Behandlungen mitunter anbieten. Sie gehören aber nicht zum Kern seines Fachgebiets und sind für dieses nicht wesentlich und prägend.

Die Regelung der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä ist auch unter dem Gesichtspunkt der sachgerechten Zuordnung der Leistungen zu den geeigneten Fachärzten materiell unbedenklich (Art 3 Abs 1 GG). Die proktologischen Leistungen gemäß Abschnitt 30.6 EBM-Ä sind in erster Linie den Fachärzten für Chirurgie und denen für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie und auch den Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten zugeordnet, und nur zusätzlich haben auch andere Ärzte wie die Fachärzte für Urologie, nach Maßgabe des Vorliegens eines Versorgungsschwerpunktes, die Möglichkeit zur Abrechnung der proktologischen Leistungen nach Abschnitt 30.6 EBM-Ä. Diese Regelung kann nicht als sachwidrig beanstandet werden. Ein enger Bezug zur proktologischen Tätigkeit ist bei den Fachärzten für Chirurgen und internistische Gastroenterologie ohne Weiteres ersichtlich. Für diese Ärzte ist der Enddarm ohnehin ein Zielorgan ihrer diagnostischen und therapeutischen Tätigkeit. Auch die Zuordnung der Leistungen zu den Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten ist unbedenklich, weil sie diesen schon lange Zeit zugeordnet waren. Der Bezug zur proktologischen Tätigkeit ist hingegen bei den Urologen weniger eng. Diese nutzen lediglich den Enddarm für die Diagnostik des Urogenitalsystems. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Möglichkeit der Abrechnung proktologischer Leistungen für Urologen von einem Zusatzerfordernis abhängig ist, nämlich dass sie einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt nachweisen können.

Aus der Verwendung des Begriffs Versorgungsschwerpunkt ergibt sich, dass - ebenso wie auch sonst bei der Verwendung des Begriffs Versorgungs- bzw Praxisschwerpunkt - ein schwerpunktmäßiger Anteil des Gesamtpunktzahlvolumens des Arztes auf diesen Leistungsbereich entfallen muss. Hierauf abzustellen - und nicht an (Mindest-)Fallzahlen oÄ anzuknüpfen -, ist nicht sachwidrig. Einerseits benachteiligt das Abstellen auf einen Mindestanteil am Gesamtpunktzahlvolumen insofern große Praxen, als diese zur Erreichung des erforderlichen Anteils an ihrem Gesamtpunktzahlvolumen eine wesentlich größere Zahl an entsprechenden Behandlungsfällen aufweisen müssen als kleine Praxen. Andererseits würde im Falle des Abstellens auf absolute Fallzahlen kleinen Praxen die Möglichkeit der Erlangung der Abrechnungsgenehmigung unverhältnismäßig erschwert, möglicherweise auch solchen, die ihre Tätigkeit in erheblichem Umfang auch gerade auf solche Leistungen ausgerichtet haben. Die Abwägung dieser Aspekte durfte der Normgeber des EBM-Ä dahin vornehmen, an einen Mindestanteil am Gesamtpunktzahlvolumen anzuknüpfen, und in der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä einen Versorgungsschwerpunkt als Voraussetzung für die Erbringung proktologischer Leistungen normieren.

Ein Anlass, den Begriff Versorgungsschwerpunkt in der Präambel zum Abschnitt 30.6. EBM-Ä anders auszulegen, als dies sonst - in anderen vertragsärztlichen Rechtsnormen - geschieht, ist nicht ersichtlich. Im Zweifel ist ein eingeführter Begriff, wenn er auch in weiteren Regelungen verwendet wird, jeweils übereinstimmend auszulegen. In der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sind die Begriffe "Versorgungsschwerpunkt" bzw Praxisschwerpunkt so verstanden worden, dass auf den als Schwerpunkt geltend gemachten Leistungsbereich ein bestimmter Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis entfällt (vgl BSGE 87, 112, 117 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 137 für Ausnahmen von der sog Teilbudgetierung gemäß dem EBM-Ä 1996: Anteil von 20 % am Gesamtpunktzahlvolumen; BSG USK 2001-143 S 866 für besondere Abrechnungsgenehmigungen: Festhalten am Abstellen auf einen hohen Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen, aber das konkrete Ausmaß offenlassend). Das Erfordernis eines Versorgungsschwerpunkts wurde ausdrücklich unterschieden von dem des Versorgungsbedarfs und dem hierzu gehörenden Gesichtspunkt der Sicherstellung der Versorgung (vgl BSGE 87, 112, 116 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 136 ff; BSG USK 2001-143 S 866 f; zur Unterscheidung siehe weiterhin - dabei Rückschlüsse vom Versorgungsschwerpunkt auf einen Versorgungsbedarf für möglich haltend - zB BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 178 ff; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 15 ff). Das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Versorgungsschwerpunkts unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung; ein Beurteilungsspielraum der KÄV oder anderer vertragsärztlicher Institutionen besteht nicht (BSG USK 2001-143 S 865; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 176 mwN).

Das demnach maßgebliche Kriterium für einen Versorgungsschwerpunkt im Sinne der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä, ob der Urologe bei seinen proktologischen Leistungen einen hohen Anteil an seinem Gesamtpunktzahlvolumen aufzuweisen hatte, ist im Falle des Klägers nicht erfüllt. Dabei braucht der Senat nicht näher zu konkretisieren, wie hoch der Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen sein muss, um einen Versorgungsschwerpunkt anerkennen zu können (siehe dazu BSGE 87, 112, 117 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 137 für Ausnahmen von der sog Teilbudgetierung gemäß dem EBM-Ä 1996: Anteil von 20 %; BSG USK 2001-143 S 866 für besondere Abrechnungsgenehmigungen: das erforderliche Ausmaß offenlassend; Beschluss des Vorstands der Beklagten zur Konkretisierung der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä: Anteil von 30 %). Denn der Anteil, den der Kläger in seiner Praxis im proktologischen Bereich aufzuweisen hat, liegt noch weit unter einem Anteil von 20 %, wie er bisher für einen Versorgungs- bzw Praxisschwerpunkt mindestens gefordert worden ist. Für ihn ergab sich ein Anteil von max 12 % seines Gesamtpunktzahlvolumens. Dieser Anteil ist jedenfalls zu gering, um einen Versorgungsschwerpunkt zu beschreiben.

Im Übrigen beruht die Annahme eines Anteils von bis zu 12 % schon auf einer sehr wohlwollenden Berechnungsweise: Wie das LSG ausgeführt hat, wurden dabei auch solche Leistungen nach dem EBM-Ä 1996 einbezogen, deren Zugehörigkeit zum proktologischen Bereich nicht eindeutig ist (Nr 360 EBM-Ä 1996: "Digitaluntersuchung des Mastdarms, ggf einschl der Prostata").

Zu keinem anderen Ergebnis führt das Argument des Klägers, mit der Forderung eines 20 %igen oder gar höheren Anteils des Gesamtpunktzahlvolumens laufe die Möglichkeit der Anerkennung eines Versorgungsschwerpunkts gemäß der Präambel zum Abschnitt 30.6 EBM-Ä faktisch leer. Als Folge der Orientierung an der Größe des Anteils am Gesamtpunktzahlvolumen haben gerade auch Urologen mit geringem Gesamtpunktzahlvolumen die Möglichkeit, die Abrechnungsgenehmigung für proktologische Leistungen zu erlangen. Dies würde ihnen beim Abstellen auf absolute Fallzahlen unverhältnismäßig erschwert.

Die Bindung der Erbringbarkeit proktologischer Leistungen durch Urologen an einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt dient auch der Qualitätssicherung. Relativ hohe Standards sind insoweit in der Regel nicht unverhältnismäßig. Das gilt selbst dann, wenn sich als Konsequenz solcher Qualitätsstandards das Risiko von Versorgungslücken ergibt bzw längere Wege für die Patienten notwendig werden (ebenso BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, jeweils RdNr 35 mwN). Ein vorrangiges Prinzip, dass Versorgungslücken auf jeden Fall zu schließen sind, lässt sich aus dem Bundesrecht nicht ableiten (vgl aaO. RdNr 35). Vor diesem Hintergrund kann die Forderung nach einem Anteil von 30 % oder 20 % des Gesamtpunktzahlvolumens nicht grundsätzlich beanstandet werden.

Schließlich unterliegt das Ergebnis der Verneinung eines Versorgungsschwerpunktes - und damit der Versagung der Genehmigung zur Abrechnung der Leistung nach Nr 30600 EBM-Ä - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Die hier in Rede stehende Regelung im EBM-Ä beruht auf einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, wie oben ausgeführt worden ist (s o mit Hinweis auf BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gewahrt, weil die Urologen nicht in einem Leistungsbereich betroffen sind, der zum Kern ihres Fachgebiets gehört bzw für dieses wesentlich und prägend ist (s o mit Hinweis auf BSG aaO. RdNr 28 und 29). Die Vereinbarkeit mit Art 12 Abs 1 GG gilt insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine weit überdurchschnittlich große Praxis mit hohen Fallzahlen und einem insgesamt hohen Umsatz betroffen ist. Der geringe Anteil der proktologischen Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen des Klägers zeigt, dass seine Praxisausrichtung nicht auf die proktologischen Leistungen zugeschnitten ist, sondern diese nur nebenbei erbracht werden.

Aus diesen Gesichtspunkten folgt zugleich, dass in der Konstellation des Klägers kein Ansatzpunkt für das Vorliegen einer unbilligen Härte gegeben ist. Deren Anerkennung kommt im Falle einer weit überdurchschnittlich großen Praxis mit insgesamt hohen Fallzahlen und einem hohen Umsatz im Regelfall nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

Fundstelle(n):
YAAAD-43708