BSG Urteil v. - B 13 R 14/09 R

Leitsatz

Leitsatz:

1. Die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch dann nicht verfassungswidrig, wenn letztere (teilweise) auf freiwilligen Beiträgen beruht (Abgrenzung zu = BSGE 82, 83 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).

2. In einem derartigen Fall besteht selbst dann kein Anspruch auf Rückzahlung der "nutzlos" aufgewendeten freiwilligen Beiträge, wenn der Rentenversicherungsträger den Versicherten vor Beitragsentrichtung pflichtwidrig nicht auf die Anrechnungsregelung hingewiesen hat.

Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 14 R 236/06 vom SG Duisburg, S 25 R 27/06 vom

Gründe

I

Der Kläger begehrt - im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - die Auszahlung seiner Regelaltersrente ohne Anrechnung der von ihm bezogenen Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, hilfsweise die Erstattung der von ihm entrichteten freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung.

Der im Jahre 1934 geborene Kläger hat von 1949 bis 1962 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht, von 1962 bis 1969 Pflichtbeiträge zur Handwerkerversicherung und ab 1969 bis April 1995 freiwillige Beiträge. Aufgrund eines 1961 erlittenen Arbeitsunfalls bezieht er von der Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH. Im April 1995 bat er um Beendigung der freiwilligen Versicherung, teilte der Beklagten (damals: LVA Rheinprovinz) mit, er beziehe eine Unfallrente, und fragte an, ob die Rente (oder ein Teil davon) ruhen werde. Eine Probeberechnung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab ergab eine monatliche Rente in Höhe von 2.642,68 DM, die sich aufgrund des Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung um 265,81 DM auf 2.376,87 DM minderte.

Seit erhält der Kläger Regelaltersrente (Rentenbescheid vom ). Der Bruttobetrag verminderte sich aufgrund des Zusammentreffens mit der Verletztenrente aus der Unfallversicherung in Höhe von 1.335,45 DM (Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - nach einer MdE um 40 vH: 297 DM) von 2.779,93 DM um 312,82 DM auf einen Zahlbetrag von 2.467,11 DM. Seinen Widerspruch gegen den Rentenbescheid begründete der Kläger nicht, die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom zurück.

In der Folgezeit wies der Kläger mit mehreren eigenen Schreiben (ua vom ) sowie einem Anwaltsschreiben vom darauf hin, dass er über einen langen Zeitraum in einer beträchtlichen Höhe freiwillige Beiträge gezahlt habe, ohne dafür in irgendeiner Weise eine Gegenleistung zu erhalten. Die Beklagte habe es versäumt, ihn auf den entsprechenden Missstand hinzuweisen; vielmehr habe man ihn jahrelang ohne jeglichen Rechtsgrund Beiträge erbringen lassen bzw von ihm vereinnahmt. Anlässlich einer Anfrage vom April 1982 hinsichtlich der begehrten Zahlung von Höchstbeiträgen zur freiwilligen Versicherung hätte er jedoch - auch ohne Kenntnis von einem Arbeitsunfall - auf die eventuelle Anrechnung von Unfallrenten hingewiesen werden müssen. In einem Telefongespräch der damaligen Zeit habe er der Beklagten deutlich zu verstehen gegeben, dass er nur dann einen höheren Beitrag zahlen werde, wenn er dadurch einen Rentenvorteil hätte. Vom Sachbearbeiter sei ihm lediglich mitgeteilt worden, dass mit der Zahlung von Höchstbeiträgen sich der Rentenanspruch auf jeden Fall verbessern würde, auf die Auswirkungen beim Zusammentreffen einer Versichertenrente mit einer Unfallrente sei er nicht näher eingegangen. Ein Rentenverlust wäre jedoch nicht eingetreten, wenn er die monatliche Beitragszahlung in Höhe von 720 DM auch über den hinaus beibehalten hätte. Zum hätte dann seine Altersrente, wie sein Rentenberater errechnet habe, 2.379,87 DM betragen und damit unter dem Grenzwert gelegen. Vom bis zum habe er insgesamt 63.068,80 DM (32.246,57 Euro) an Beiträgen oberhalb von 720 DM/Monat entrichtet, die er - verzinst - zurückfordere.

Mit Bescheid vom , bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers hinsichtlich des Bescheides vom ab. Eine falsche Beratung liege nicht vor; eine Erstattung nach § 26 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nicht möglich, da die Beiträge nicht zu Unrecht gezahlt worden seien.

Im Klageverfahren S 11 RJ 143/02 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg vernahm dieses die Ehefrau des Klägers als Zeugin über das 1982 geführte Telefonat zwischen dem Kläger und einem Sachbearbeiter der Beklagten und wies mit Urteil vom die Klage ab. Es führte aus, dass dem Kläger kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zustehe; der Beklagten sei erst Anfang 1995 bekannt geworden, dass er eine Unfallrente beziehe, sodass sie nicht zuvor bereits einen konkreten Anlass gehabt habe, auf die Auswirkungen dieser Rente auf die Höhe einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hinzuweisen. Vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (L 8 RJ 86/04) einigten sich die Beteiligten im Termin vom auf Vorschlag des Senats zur Beendigung des Berufungsverfahrens darauf, dass die Beklagte das Schreiben des Klägers vom auch als einen Antrag auf Neuüberprüfung hinsichtlich der Frage der Anrechnung der Verletztenrente auf die gewährte Altersrente ansehe; zur Begründung wies der Senat darauf hin, dass der 4. Senat des ) ausdrücklich offen gelassen habe, ob die in § 93 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelte Anrechnung der Verletztenrente auch dann verfassungsmäßig sei, wenn die Beitragsleistung zur Rentenversicherung ganz oder zum Teil auf freiwilligen Beiträgen beruhe.

Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag vom erneut ab; die Anrechnung der Unfallrente sei zu Recht erfolgt, auch die Erstattung der nach Ansicht des Klägers zu viel gezahlten freiwilligen Beiträge auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei nicht möglich (Widerspruchsbescheid vom ).

Das SG hat die Klage (auf teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom und Aufhebung des Bescheides vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom sowie ungekürzte Gewährung der Regelaltersrente, hilfsweise Erstattung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung) mit Urteil vom abgewiesen.

Mit Urteil vom hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Regelung des § 93 SGB VI sei auch dann verfassungsmäßig, wenn die Beiträge zur Rentenversicherung (teilweise) freiwillig entrichtet worden seien. Ebenso wenig stehe dem Kläger die hilfsweise begehrte Erstattung freiwilliger Beiträge aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Zwar gehe der Senat davon aus, dass dieser im Telefongespräch des Jahres 1982 beiläufig auch die Frage angesprochen habe, ob Höchstbeiträge für ihn günstig seien, dh zu einer höheren Rente führten. Es sei jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies bejaht habe. Es würde eine Überspannung der Anforderungen an die Beratungspflicht der Versicherungsträger bedeuten, in einem solchen Fall eine umfassende Beratung über alle rentenrechtlich denkbaren Fallkonstellationen zu erwarten. Der Kläger habe damals bereits über viele Jahre freiwillige Beiträge entrichtet, und es sei ihm nach seinem vorherigen Schreiben letztlich darum gegangen, möglichst rückwirkend auch noch Höchstbeiträge entrichten zu können. Im Übrigen seien nach der Rechtslage des Jahres 1982 Renten aus der Unfallversicherung noch in wesentlich geringerem Maße auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet worden.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, die Anrechnungsregelung gemäß § 93 Abs 1 bis 4 iVm Abs 5 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB VI verstoße für Anwartschaften, die auf freiwillig geleisteten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beruhten, gegen Art 3 Abs 1 sowie Art 14 Abs 1 GG; für den Fall, dass die entsprechenden Regelungen für verfassungskonform angesehen würden, habe das LSG zu Unrecht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf Erstattung der freiwillig geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung nebst Verzinsung verneint. Zum Verfassungsrecht trägt der Kläger vor, freiwillige Beiträge genössen einen verfassungsrechtlich höheren Schutz als Pflichtbeiträge, weil sie durch einen besonderen personalen Bezug des Anteils eigener Leistungen des Versicherten geprägt seien. Demgemäß rechtfertige der Aspekt "Verhinderung einer Doppelversorgung durch funktionsgleiche Leistungen aus verschiedenen Versicherungszweigen" nicht die Verfassungsmäßigkeit der streitigen Anrechnungsregelung. Denn mit den geleisteten Beiträgen würden freiwillig zusätzliche Anwartschaften erkauft, um eine bessere altersmäßige Absicherung zu erreichen. Die freiwilligen Beiträge träten damit in Konkurrenz zur Alterssicherung in anderen Sicherungssystemen. Hinsichtlich des Herstellungsanspruchs trägt der Kläger vor, die Beklagte habe ihn aufgrund des Telefonats im Jahre 1982 falsch beraten. Einen Rentenversicherungsträger treffe auf eine Nachfrage, ob die Leistung freiwilliger Beiträge für einen Versicherten vorteilhaft sei, eine allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht, dass dies eventuelle Vor-, aber auch Nachteile haben könne und es deshalb geboten sei, sich umfassend von sachkundiger Stelle dazu näher beraten zu lassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Duisburg vom aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verpflichten, den Rentenbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom teilweise zurückzunehmen und die Regelaltersrente ohne Anrechnung der Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise, unter Abänderung der vorgenannten Bescheide freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 31.246,57 Euro nebst 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Berufungsurteil und trägt vor, dass die Gleichbehandlung aller Versicherten in der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre, wenn man dem Begehren des Klägers folgte, seine Rente aus der Unfallversicherung nicht auf die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen, soweit diese auf freiwilligen Beiträgen beruhe. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Erstattung der freiwilligen Beiträge stehe dem Kläger nicht zu, weil sie (die Beklagte) nicht über die erforderlichen Erkenntnisse verfügt habe, durch die eine konkrete Beratung erfüllbar geworden wäre.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) einverstanden erklärt.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Berechnung seiner Regelaltersrente ohne Anrechnung seiner Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; der bindende Rentenbescheid vom erweist sich nicht als iS des § 44 Abs 1 SGB X rechtswidrig (1). Ebenso wenig kann der Kläger aus dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Rückzahlung der angeblich "überzahlten" freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verlangen (2).

(1) (a) Generell begegnet die Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach näherer Maßgabe des § 93 SGB VI keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl SozR 3-2600 § 93 Nr 9 S 90; BSGE 82, 83, 86 ff = SozR 3-2600 § 93 Nr 7; s ferner, noch zum alten Recht, die Nichtannahmebeschlüsse des SozR Nr 69 zu Art 3 GG; vom , SozR 2200 § 1278 Nr 11, und vom - 1 BvR 1259/84).

Hierdurch wird eine Überversorgung durch die Summierung zweier zweckähnlicher Versicherungsleistungen aus zwei Zweigen der Sozialversicherung des SGB vermieden ( BSGE 82, 83, 90 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7). Jegliche Anrechnung aber auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt folgerichtigerweise dazu, dass - für die konkrete Rentenart - Beiträge vergebens entrichtet wurden, denn dieselbe Gesamtleistung hätte auch mit weniger Beiträgen erreicht werden können. Nicht nur für freiwillig Versicherte wie den Kläger, sondern auch für Pflichtversicherte lässt sich dann die Höhe "überzahlter" Beiträge ermitteln.

Verfassungsrechtliche Bedenken folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass nicht die Rentenversicherungs- auf die Unfallversicherungsleistungen angerechnet werden, sondern umgekehrt die Unfallversicherungs- auf die (uU durch Art 14 Abs 1 GG noch stärker geschützten) Rentenversicherungsleistungen.

Denn jedenfalls wäre verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber zur Vermeidung eines Doppelbezugs von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung (hierzu SozR 2200 § 1278 Nr 11) nicht die Regelaltersrente, sondern die Verletztenrente kürzen würde. Dieser Anspruch ist der Gestaltung durch den Gesetzgeber in stärkerem Maße zugänglich als der Anspruch auf Regelaltersrente. Denn er beruht - auch im Falle des Klägers, der im Zeitpunkt seines Arbeitsunfalls abhängig beschäftigt und deshalb gesetzlich unfallversichert war - auch nicht teilweise auf eigenen Beiträgen, sondern auf denen seines damaligen Arbeitgebers (zum Schutz der Verletztenrente durch Art 14 Abs 1 GG s jedoch Bulla, SGb 2007, 653, 660 f). Damit aber würde - "unter dem Strich" - der Kläger dieselbe Gesamtleistung beziehen wie nach der von ihm beanstandeten Gesetzeslage.

Diese bewirkt, dass Berechtigte wie der Kläger im Ergebnis mindestens den Betrag erhalten, der ihnen als Regelaltersrente zusteht, sowie jenen Teil der Verletztenrente, der nicht dem Ausgleich des Erwerbsschadens dient (§ 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 3 Satz 2 SGB VI; zu den immateriellen Schäden s zB Keller, SGb 2009, 391, 392). Der Kläger selbst erhält noch eine weitaus höhere Gesamtleistung: Aus dem Rentenbescheid vom (Anlage 7), ergibt sich, dass nicht der genannte Mindestgrenzbetrag herangezogen wurde (dieser hätte 2.779,93 DM betragen), sondern der Grenzbetrag (nach § 93 Abs 3 Satz 1 SGB VI) in Höhe von 70 vH eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zu Grunde liegt, in Höhe von 3.505,56 DM, also weit über dem oa Mindestgrenzbetrag (der aaO erwähnte Rentenartfaktor ist bei einer Regelaltersrente, wie sie der Kläger bezieht, mit 1,0 anzusetzen und demgemäß unbeachtlich).

Wie aber der Gesetzgeber den Doppelbezug beseitigt, unterliegt weitgehend seiner Gestaltungsfreiheit. Selbst wenn man die Lösung in § 93 SGB VI als eigentlich unsystematisch ansieht (so auch BSG 4. Senat vom , BSGE 82, 83, 98 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7; vgl ferner BSG 8. Senat vom , SozR aaO Nr 10 S 99; im Einzelnen streitig, vgl Kranig, SF 1999, 18, 20 ff), kann dies allein nicht dazu führen, sie als verfassungswidrig anzusehen (BSG 4. Senat aaO; zu einer ähnlichen Problematik beim Zusammentreffen von Altersruhegeld mit Arbeitslosengeld BVerfGE 31, 185, 190 ff = SozR Nr 18 zu Art 14 GG).

(b) Dies gilt nicht nur für die Renten aus Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch für die vom Kläger problematisierte Anwendung dieser Vorschrift auf Renten, die - wie in seinem Fall - teilweise auf freiwilligen Beiträgen beruhen.

Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers kommt weder freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ein erhöhter Schutz gegen Beeinträchtigungen, zB durch Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, zu als Pflichtbeiträgen (aa), noch muss aus Gleichheitsgründen der Regelung des § 93 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB VI auch bei der Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, spiegelbildlich Rechnung getragen werden (bb).

(aa) Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, wenn er meint, dass diejenigen, die freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten, nicht in gleichem Maße solchen Leistungseinschränkungen ausgesetzt werden dürften, wie sie bei Versicherungspflichtigen anfallen. Zwar ist aus seiner Sicht das Argument durchaus nachvollziehbar, für einen erhöhten Schutz von Anwartschaften aufgrund freiwilliger Beitragsentrichtung spreche, dass bei der Entrichtung freiwilliger Beiträge der personale Bezug gegenüber dem sozialen Bezug Vorrang haben müsse, und die freiwillige Beitragsentrichtung in Konkurrenz zur Alterssicherung anderer Systeme trete.

Einer entsprechenden Argumentation hat sich jedoch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht angeschlossen. Es hat vielmehr durchgehend eine Schlechterstellung der in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig Versicherten gegenüber den Pflichtversicherten als verfassungsgemäß angesehen (s BVerfGE 36, 102 = SozR Nr 97 zu Art 3 GG: für Selbstständige mit freiwilligen Beiträgen zur Angestelltenversicherung kein Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld und auf Anrechnung von Ausfallzeiten; BVerfGE 47, 168 = SozR 2200 § 1246 Nr 28: Ermittlung des "bisherigen Berufs" für die Rente wegen Berufsunfähigkeit bei freiwillig Weiterversicherten nur aus deren pflichtversicherter Tätigkeit; BVerfGE 59, 287 = SozR 2200 § 1255 Nr 14: Rentenminderung durch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in bestimmten Fallkonstellationen; SozR 2200 § 1246 Nr 156: erneut zum "bisherigen Beruf" freiwillig Versicherter; SozR 5755 Art 2 § 7a Nr 2: keine Gleichstellung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge mit Zeiten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung; NZS 1994, 226: Ausschluss von freiwillig Versicherten beim Arbeitslosenruhegeld; SozR 3-2200 § 1255a Nr 6: Nichtberücksichtigung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung für die Bewertung der Zurechnungszeit bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit; BVerfGK 5, 125 = SozR 4-2200 § 1248 Nr 1: Beschränkung des Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit auf rentenversicherungspflichtige Beschäftigte; zuletzt, soweit ersichtlich, ua, Juris-RdNr 72: Bevorzugung der Zeiten mit Pflichtbeiträgen bei der Vertrauensschutzregelung hinsichtlich der Rentenabschläge).

Denn Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung haben in der Regel nach Beitragszeit, Beitragsdichte und Beitragshöhe in wesentlich stärkerem Maße zur Versichertengemeinschaft beigetragen und konnten dabei im Gegensatz zu freiwillig Versicherten ihren Verpflichtungen nicht ausweichen. Freiwillig Versicherte haben dagegen nicht nur die Möglichkeit, über die Höhe ihrer Beitragszahlungen - zumindest innerhalb des von der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage einerseits und der Beitragsbemessungsgrenze andererseits vorgegebenen Rahmens (§ 161 Abs 2 SGB VI) - selbst zu bestimmen. Sie können Beitragszahlungen auch jederzeit einstellen. Die Pflichtversicherten, mit deren Beiträgen die Rentenversicherung dauerhaft und kalkulierbar rechnen kann, sind insofern die tragende Säule der Finanzierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber Pflichtversicherte begünstigt (so zusammenfassend aaO).

Wenn aber damit die Schlechterstellung freiwillig Versicherter gegenüber Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, umso weniger können entsprechende Bedenken einer Gleichbehandlung von freiwillig und Pflicht-Versicherten - wie hier - entgegengehalten werden. Auch Pflichtversicherte leisten (s oben unter a) infolge der teilweisen Anrechnung der Verletztenrente auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge "umsonst"; eine zusätzliche Beeinträchtigung von Pflichtversicherten kann darin gesehen werden, dass diesen die Möglichkeit einer alternativen Sicherung anstelle der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zur Verfügung steht.

Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, als eine Aufklärung der freiwillig Versicherten über "Chancen und Risiken" - und darin eingeschlossen ein Hinweis auf die mögliche Anrechnung einer Verletztenrente auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - wünschenswert erscheint. Der Senat hat jedoch nicht geprüft, ob diese Information, etwa durch ein "Begrüßungsschreiben" bei der erstmaligen Entrichtung eines freiwilligen Beitrags oder im Rahmen der nach § 109 SGB VI zu erteilenden Renteninformation bzw Rentenauskunft dem Kläger zugegangen ist. Denn selbst wenn die Beklagte ihre Pflicht zur Aufklärung über die Rechte des Versicherten (§ 13 SGB I) verletzt hätte, würde hieraus kein Anspruch des Klägers - etwa auf Leistung der Altersrente ohne Anrechnung der Verletztenrente oder auf Rückzahlung unnütz aufgewendeter Beiträge - folgen (stRspr, s zB BSGE 67, 90, 93 = SozR 3-1200 § 13 Nr 1; Senatsurteil vom , SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 15 S 50; zum Herstellungsanspruch s unter [2]).

(bb) Der 4. Senat des (BSGE 82, 83, 104 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7) darauf hingewiesen, das "Gesetz zum weiteren Abbau der Notverordnungen in der Rentenversicherung" vom (RGBl I 793) habe geregelt, dass beim Zusammentreffen von Renten aus der Renten- und der Unfallversicherung solche Rentenbestandteile der Alters- und Invalidenrente anrechnungsfrei bleiben sollten, die auf freiwilliger Beitragsleistung beruhten; gleichsam symmetrisch hierzu sollten entsprechende Tatbestände der gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls nicht zur Anrechnung der Verletztenrente auf die Rente aus der Rentenversicherung führen. Letzteres habe schließlich zur Regelung in § 93 Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB VI (Wortlaut bis : wenn die Rente aus der Unfallversicherung "auf eigener Beitragsleistung des Versicherten oder seines Ehegatten beruht") geführt; diese wiederum sei (so der 4. Senat) jedoch verfassungskonform einengend so auszulegen, dass hierunter keine Versicherungspflicht kraft Gesetzes oder kraft Satzung falle, sondern lediglich die freiwillige Versicherung (iS des § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VII]).

Es kann dahinstehen, ob diese Auslegung mit der heutigen Gesetzesfassung (wenn die Rente aus der Unfallversicherung "ausschließlich nach dem Arbeitseinkommen des Unternehmers oder seines Ehegatten oder Lebenspartners oder nach einem festen Betrag, der für den Unternehmer oder seinen Ehegatten oder Lebenspartner bestimmt ist, berechnet wird": § 93 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB VI idF ab ; die Formulierungen über den "Lebenspartner", hinzugefügt mit Wirkung ab ) in Übereinstimmung zu bringen ist. Jedenfalls kann mit dem Hinweis auf die Rechtslage des Jahres 1939 kein verfassungsrechtliches Argument für eine Gleichbehandlung "freiwillig" Unfallversicherter mit freiwillig Rentenversicherten seit 1992 (Inkrafttreten des § 93 SGB VI) gewonnen werden. Dies gilt insbesondere auch angesichts dessen, dass es primär dem Gesetzgeber überlassen bleibt, welche Rechtslagen er einander gleichstellen oder voneinander unterscheiden will ( BVerfGE 53, 313, 329 = SozR 4100 § 168 Nr 12; BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6).

Überdies beruht die Abschaffung der Privilegierung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung im Zuge der Rentenreform 1957 auf dem sachlichen Argument, dass nach der neuen Rentenformel bei der Anwendung der Ruhensvorschriften die Gleichstellung aller Rentenversicherungsbeiträge geboten war. Denn die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurden, auch soweit sie auf (freiwilligen) Selbst- oder Weiterversicherungsbeiträgen beruhten, nicht mehr beitrags-, sondern entgeltbezogen berechnet (BT-Drucks II/2437 S 78, zu § 1282 des Entwurfs; VerbKomm, § 1278 RVO Anm 12 - Stand 1985). Dem entspricht, dass die Leistungen aus der Höherversicherung, die aus der Beitragshöhe zu berechnen waren, in das Ruhen nicht einbezogen wurden (§ 1285 Reichsversicherungsordnung [RVO]).

(c) Schließlich geht der Kläger fehl, soweit er behauptet, die von ihm abgeführten Beitragsanteile, die aufgrund der Anwendung der Vorschrift des § 93 SGB VI nicht zur Rentenleistung führten, seien vergebens aufgewendet worden.

Dies gilt schon für den Fall nicht, dass die Verletztenrente des Klägers (durch Behebung oder Heilung der Unfallfolgen) hätte wegfallen können. Dann hätte ihm seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ungekürzt zugestanden. Selbst wenn jedoch vorhersehbar gewesen wäre, dass der Kläger auch im Rentenalter seine Verletztenrente weiter beziehen würde, können auch aus heutiger Sicht die vom Kläger nach seiner Auffassung zu hoch entrichteten Beiträge nicht als von vornherein wirkungslos angesehen werden:

Denn mit ihnen hat der Kläger nicht nur für Zeiten eigener Erwerbsminderung oder für das eigene Alter vorgesorgt, sondern auch für den Fall seines Todes. Bei einer Hinterbliebenenrente (Witwen- oder Waisenrente) aber ergibt sich keine Anrechnungsproblematik, wenn keine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht. Dann wäre die Hinterbliebenenrente ohne Kürzung aus den vollen Beiträgen, auch den vom Kläger freiwillig entrichteten Höchstbeiträgen, zu berechnen gewesen. Jedenfalls insoweit waren die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung nicht nutzlos. Diese Argumentation wird auch nicht dadurch entkräftet, wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt unwahrscheinlich sein dürfte, dass die Ehefrau des Klägers die behauptete "Überzahlung" von ca 32.000 Euro an Beiträgen durch den Bezug einer in der Zukunft beginnenden - höheren - Witwenrente wieder ausgleicht.

(2) Dem Kläger steht auch keine Beitragserstattung aufgrund des hilfsweise geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu.

Ein Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (zu den Einzelheiten s zB Senatsurteil vom , BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr 3, RdNr 19 mwN).

Im vorliegenden Fall wäre auf dieser Grundlage selbst beim Bestehen eines Herstellungsanspruchs die vom Kläger behauptete Rechtsfolge (Erstattung rechtmäßig gezahlter Beiträge) nicht möglich (a). Damit kann dahinstehen, ob sich aus den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG die weiteren Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs ergeben (b).

(a) Rechtsfolge eines Herstellungsanspruchs kann nicht die Erstattung von rechtmäßig entrichteten Beiträgen sein.

Da das Sozialrechtsverhältnis so hergestellt werden soll, wie es dem Versicherten ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte, lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs ein (hier: unterstellt) pflichtwidriges Verwaltungshandeln nur insoweit berichtigen, als die begehrte Amtshandlung rechtlich zulässig, zumindest nach ihrer wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen ist (vgl zB BSGE 55, 261, 263 = SozR 2200 § 1303 Nr 27, vom , SozR 4100 § 103 Nr 36 S 85). Daran mangelt es im Fall des Klägers.

Selbst wenn ein fehlerhaftes Verhalten eines am Beitragseinzug Beteiligten vorliegt, kann der Versicherte keine Erstattung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen ( BSGE 50, 129, 132 = SozR 2600 § 121 Nr 2). Denn ein früheres Fehlverhalten des Versicherungsträgers ändert an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Beitragsentrichtung nichts ( BSGE 55, 40, 43 f = SozR 2100 § 27 Nr 2; die entgegenstehende Aussage des früheren Urteils vom , SozR 1200 § 14 Nr 9 ist damit nicht mehr maßgebend). Eine teilweise Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge der Art nach ist jedoch im Gesetz nicht vorgesehen (§ 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI) und eine vollständige (in der Höhe, wie sie vom Versicherten getragen wurde: § 210 Abs 3 Satz 1 SGB VI) nur dann, wenn eine Wartezeit nicht erfüllt und die Erfüllung typischerweise nicht mehr erreichbar ist (§ 210 Abs 1 SGB VI). Die für Fälle des Herstellungsanspruchs postulierte Ausnahme bei Beiträgen, die aufgrund besonderer Vorschriften für längere Zeiträume rückwirkend vor Rentengewährung nachentrichtet worden sind ( BSGE 61, 175, 179 = SozR 1200 § 14 Nr 24), greift im Fall des Klägers nicht ein.

(b) Damit kann unentschieden bleiben, ob aus den vom LSG festgestellten Tatsachen folgt, dass der Beklagten eine für einen Herstellungsanspruch relevante Verletzung einer ihr aus dem Sozialversicherungsverhältnis obliegenden Pflicht unterlaufen ist und dem Kläger daraus ein Schaden entstanden ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
DAAAD-43699