BFH Urteil v. - III R 110/07

Handelsvertreterausgleichszahlung nach § 89b HGB unterliegt der Gewerbesteuer

Leitsatz

Erhält ein Handelsvertreter zehn Jahre nach der Veräußerung seines Einzelunternehmens an eine von ihm beherrschte GmbH eine ihm zustehende Ausgleichszahlung nach § 89b HGB unterliegt diese bei ihm nicht der Gewerbesteuer, wenn er nach der Veräußerung nicht mehr als Handelsvertreter tätig gewesen ist. Durch die bloße Vereinnahmung einer Ausgleichszahlung wird kein neuer, der Gewerbesteuer unterliegender, Betrieb eröffnet.
Stand der Ausgleichsanspruch hingegen der GmbH zu, liegt in der im Einverständnis mit der GmbH erfolgten Auszahlung an den Handelsvertreter eine verdeckte Gewinnausschüttung, deren Zufluss bei ihm zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört und keine Gewerbesteuer auslöst.

Gesetze: GewStG § 2 Abs. 1, GewStG § 7, HGB § 89b

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit 1978 für die X-GmbH (Unternehmer) als Handelsvertreterin tätig. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich.

2 Am errichtete sie die Y-GmbH(GmbH), deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie wurde, und betraute sie als Untervertreterin mit der Vertretung der von ihr betreuten Firmen. Die GmbH sollte die Provisionen erhalten, die die Klägerin von den von ihr vertretenen Unternehmen erhielt.

3 Am veräußerte die Klägerin ihr gesamtes aktives und passives Betriebsvermögen durch einen schriftlichen „Rahmen-Kauf- und Übertragungsvertrag” an die GmbH. Der Saldo zwischen dem übertragenen Aktiv- und Passivvermögen sollte dem bei der GmbH für die Klägerin geführten Kontokorrentkonto gutgeschrieben werden. Das Einzelunternehmen sollte aufgegeben werden und die Klägerin verpflichtete sich, ihre Handelsvertretung unverzüglich abzumelden und sich jeder weiteren Tätigkeit in ihrem Namen zu enthalten. In dem „Rahmen-Kauf- und Übertragungsvertrag” wird weiter ausgeführt, der Unternehmer habe sich mit dem Vertrag vom einverstanden erklärt und der Übernahme der Vertretung durch die GmbH zugestimmt; die folgenden Provisionsabrechnungen/Gutschriften würden auf die GmbH ausgestellt.

4 Dem für die Besteuerung der GmbH zuständigen Finanzamt teilte die Klägerin im Juli 1985 mit, die GmbH sei Gesamtrechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens geworden. In den Folgejahren setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) keine Gewerbesteuermessbeträge mehr für die Klägerin fest.

5 Nach der Auflösung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer erhielt die Klägerin 759.729,49 DM (= 660.634,34 DM zzgl. Umsatzsteuer) auf Grund einer Einigung vom über die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB). Zugrunde gelegt waren die Umsätze der Jahre 1989 bis 1994. Der Anspruch, den „ich laut meinen Unterlagen habe”, war mit Schreiben der GmbH vom geltend gemacht worden. Die Einigung regelte, dass mit der Zahlung „dem Handelsvertreter Frau A” keine weiteren Ansprüche bezüglich des Ausgleichsanspruchs zustünden. Die Klägerin unterzeichnete doppelt, zum einen als „Handelsvertreter” und zum anderen als Geschäftsführerin der GmbH, für die noch eine Restprovision festgelegt wurde. Die GmbH wurde später liquidiert.

6 Das FA berücksichtigte die Ausgleichszahlung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin erklärungsgemäß unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (vgl. § 24 Nr. 1c, § 34 Abs. 2 Nr. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG—).

7 Die Ausgleichszahlung wurde darüber hinaus auch bei der GmbH erfasst. Nach dem Einspruch der GmbH wurde dies rückgängig gemacht. Zur Einspruchsbegründung hatte die GmbH vorgetragen, ihr seien nur Provisionsansprüche, nicht aber der Ausgleichsanspruch übertragen worden.

8 Am erließ das FA gegenüber der Klägerin den streitigen Gewerbesteuermessbescheid 1995, in dem es die Ausgleichszahlung in Höhe von 759.729 DM als Gewinn aus Gewerbebetrieb ansetzte. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

9 Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als die Ausgleichszahlung um die Umsatzsteuer und eine Gewerbesteuerrückstellung vermindert wurde und sich der Messbetrag dadurch ermäßigte. Im Übrigen wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit Urteil vom 8 K 3816/03 G (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1219) ab. Es führte aus, die Klägerin habe auch nach 1985 einen Gewerbebetrieb unterhalten und sei nach Abschluss des Untervertretungsvertrags mit der GmbH und der Übertragung ihres Aktiv- und Passivvermögens als Handelsvertreterin des Unternehmers tätig gewesen.

10 Mit ihrer Revision erhebt die Klägerin sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Rügen.

11 Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil, den Gewerbesteuermessbescheid 1995 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

12 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

13 II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil seine Feststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung ausreichen, ob die Ausgleichszahlung zu Recht dem Gewerbesteuermessbescheid 1995 zugrunde gelegt wurde (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

14 1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des GewerbesteuergesetzesGewStG—). Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag (§ 7 GewStG), das ist grundsätzlich der nach den Vorschriften des EStG bzw. des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8 und 9 GewStG. Veräußerungs- und Aufgabegewinne (§ 16 EStG) sind dabei nicht einzubeziehen, weil dies dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer widersprechen würde (, BFHE 217, 150, BStBl II 2009, 289).

15 2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ausgleichszahlung an den Handelsvertreter i.S. von § 89b HGB auch dann den Gewerbeertrag erhöht, wenn sie auf Grund der Beendigung eines Handelsvertretervertrags geleistet wird, die mit der Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit zusammenfällt. Die Ausgleichszahlung ist —als letzter Geschäftsvorfall— Bestandteil des laufenden Gewinns, wenn der Gewerbebetrieb mit der Beendigung des Vertretervertrags veräußert oder aufgegeben wird; als zusätzlicher Vergütungsanspruch für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste folgt er unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis und setzt keinen besonderen Willensentschluss voraus, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs erfordert (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 149, 188, BStBl II 1987, 570; vom X R 61/06, BFH/NV 2008, 1491; , BFH/NV 2009, 967; kritisch zur Einbeziehung der Ausgleichsansprüche Blümich/ v. Twickel, § 7 GewStG Rz 158).

16 3. Die Feststellungen des FG tragen dessen Schlussfolgerung nicht, die Klägerin habe auch nach 1985 einen eigenen Gewerbebetrieb unterhalten.

17 a) Die steuerliche Handhabung von 1985 bis 1994, die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs auf Firmenbogen der GmbH wie auch die Verpflichtung der Klägerin aus dem Vertrag vom , ihre Handelsvertretung abzumelden und sich jeder weiteren Tätigkeit in ihrem Namen zu enthalten, sprechen dafür, dass Leistungsbeziehungen seit dem Sommer 1985 nur noch zwischen der GmbH und dem Unternehmer bestanden und die Klägerin selbst nicht mehr als Gewerbetreibende, sondern nur als Geschäftsführerin der GmbH tätig geworden ist.

18 b) Das FG hat sich zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht lediglich auf den Untervertretungsvertrag vom zwischen der Klägerin und der GmbH bezogen und nicht geprüft, ob die GmbH nach dem alleinige Vertreterin geworden ist. Auch seine Auffassung, dass die Abrechnung von Provisionen zwischen Unternehmer und GmbH sowohl als Provisionsabrechnung des Unternehmers mit der Klägerin als Hauptvertreterin als auch der Klägerin mit der GmbH als Untervertreterin anzusehen sei, beruht auf der nicht durch ausreichende Feststellungen gedeckten Annahme, dass die Klägerin Hauptvertreterin geblieben sei.

19 4. Falls die Ausgleichsforderung der Klägerin zustand, obwohl sie ihren Betrieb 1985, d.h. zehn Jahre zuvor veräußert hatte, kam der Erlass eines Gewerbesteuermessbescheides nicht in Betracht, wenn sie seitdem nicht mehr als Handelsvertreterin tätig gewesen war. Denn der Gewerbesteuer unterliegen nur tätige Betriebe (BFH-Urteil in BFHE 217, 150, BStBl II 2009, 289). Wurde die werbende Tätigkeit beendet, so sind nachträgliche Betriebseinnahmen oder -ausgaben gewerbesteuerlich nicht mehr zu berücksichtigen (, BFHE 122, 139, BStBl II 1977, 618; Blümich/v. Twickel, § 7 GewStG Rz 154). Durch die bloße Vereinnahmung einer Ausgleichszahlung wird auch kein neuer, der Gewerbesteuer unterliegender, Betrieb eröffnet. Im Streitfall könnte dann die nach den Umsätzen 1989 bis 1994 bemessene und 1995 vereinnahmte Zahlung nicht mehr dem 1985 veräußerten Einzelunternehmen zugerechnet werden.

20 Falls der Ausgleichsanspruch nicht der Klägerin, sondern der GmbH zustand, die das gesamte Aktivvermögen des Einzelunternehmens übernommen hatte, läge in der Auszahlung an die Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung, deren Zufluss bei der Klägerin zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört und keine Gewerbesteuer auslöst.

21 5. Da die Sache zurückverwiesen wird, erübrigt sich eine Entscheidung zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern.

22 6. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die Tatsachen festzustellen und zu würdigen haben, anhand derer beurteilt werden kann, ob die Ausgleichsforderung tatsächlich der Klägerin zustand und ob diese nach 1985 weiterhin ein Einzelunternehmen als „inaktive” Hauptvertreterin betrieben hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EStB 2010 S. 251 Nr. 7
QAAAD-42957