BGH Beschluss v. - II ZR 271/07

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: AG Berlin-Schöneberg, 6 C 71/06 vom LG Berlin, 53 S 6/07 vom

Gründe

I. Der Antrag des Beklagten zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Der Senat müsste seine Revision nach § 552 a ZPO zurückweisen.

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revisionen liegen nicht vor; sie haben auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).

1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Da die Beklagten bereits aus Prospekthaftung im engeren Sinn haften, ist die bankrechtlichte Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der M. AG & Co. KG (im Folgenden: M. ) nicht entscheidungserheblich und im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Im Übrigen ist aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 130, 262 ff.; BVerwG, ZIP 2009, 1899 ff.), der sich der Senat in den ebenfalls die M. betreffenden Urteilen vom (II ZR 15/08, 33/08, 41/08, 58/08, 115/08, 122/08, 139/08, 205/08 und 32/09) angeschlossen hat, inzwischen geklärt, dass Kommanditgesellschaften, die mit Geldern von Kapitalanlegern Wertpapiere und Fondsanteile rechtlich auf eigene Rechnung erwerben, halten und veräußern, zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin am keine erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte betrieben. Klärungsbedürftige Fragen zur Prospekthaftung im engeren Sinn stellen sich nicht.

Eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht ist hinsichtlich der Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im engeren Sinn nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen.

2.

Die Revisionen haben auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass beide Beklagten aus Prospekthaftung im engeren Sinne haften, da der für die M. erstellte Emissionsprospekt unrichtig war und sie prospektverantwortlich sind.

a) Der Prospekt war unrichtig, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat. Ein Emissionsprospekt hat dem Anleger ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können, zutreffend, verständlich und vollständig dargestellt werden (Senat, BGHZ 123, 106, 109 f.; Sen.Urt. v. - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 7; v. - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; v. - II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106). Zu den für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umständen gehört, sofern die Anlagegesellschaft - wie hier in den ersten Jahren - im Wesentlichen in eine Beteiligung an einem dritten Unternehmen investiert, die Darstellung des Geschäftsmodells dieses Unternehmens sowie der damit verbundenen Chancen und Risiken.

Der Prospekt stellte das Geschäftsmodell der I. GmbH & Co. KG (im Folgenden: I. ), in die die M. in den ersten Jahren im Wesentlichen investierte, nicht richtig dar. Der Emissionsprospekt sah den Aufbau eines Vertriebs durch Exklusivvertreter vor, während tatsächlich mit den Anlagegeldern Mehrfachagenten geworben und geschult werden sollten. Entgegen der Auffassung der Revisionen lässt sich daraus, dass die Vertriebsmitarbeiter in den von der I. vermittelten Produktionsbereichen exklusiv für die I. tätig werden "sollen", nicht entnehmen, dass ihre ausschließliche Tätigkeit für die I. erst als am Ende des Vertriebsaufbaus erreichbares Ziel vorgesehen war. Auch wenn - wie die Revisionen meinen - ein Vertriebsnetz mit Exklusivvertretern im Regelfall nur über ein Vertriebsnetz von Mehrfachvertretern entwickelt werden könnte, rechtfertigt dies die Fehlinformation nicht, sondern erforderte selbstverständlich die Offenlegung gegenüber den Anlegern. Für die Bewertung der mit dem Geschäftsmodell der I. verbundenen Chancen und Risiken, insbesondere den Ertrag der eingesetzten Mittel, ist es von Bedeutung, ob es als so zugkräftig einzuschätzen ist, dass die mit den eingeworbenen Anlegergeldern geschulten Mitarbeiter ausschließlich Produkte der I. vertreiben können, oder ob sie daneben auch andere Vermögensanlagen vermitteln, so dass die von den Anlegern aufgebrachten Mittel für die Schulung ihren Zweck möglicherweise verfehlen und der zu erwartende Ertrag für die I. entfällt oder jedenfalls geringer ausfällt.

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht beide Beklagte für prospektverantwortlich gehalten.

aa) Nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne haften die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 12; 123, 106, 109 f.; 83, 222, 223 f.; 79, 337, 340 ff.; 72, 382, 387; 71, 284, 287 ff.; außerdem BGHZ 115, 213, 217 f.). Der Beklagte zu 1 bildete als Vorstand der DP. AG (im Folgenden: DP.), der einzigen Komplementärin der M. , das Management der Gesellschaft.

bb) Prospektverantwortlicher ist aber auch der Beklagte zu 2. Neben den Initiatoren, Gründern und Gestaltern der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 12; 123, 106, 109 f.; 83, 222, 223 f.; 79, 337, 340 ff.; 72, 382, 387; 71, 284, 287 ff.; BGHZ 115, 213, 217 f.), haften auch die Personen, die hinter der Gesellschaft stehen, auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (Senat, BGHZ 79, 337, 340/348; BGHZ 158, 110, 115; 115, 213, 217 f.; , NJW-RR 2007, 1479 Tz. 11; v. - XI ZR 37/03, ZIP 2004, 606, 609; v. - III ZR 93/93, WM 1995, 344, 345). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Hintermänner nach außen in Erscheinung getreten sind (Senat, BGHZ 79, 337, 340; 72, 382, 387; aaO).

Das Berufungsgericht hat im Beklagten zu 2 zutreffend einen Hintermann gesehen. Er stand hinter der M. und hatte auf ihr Geschäftsgebaren besonderen Einfluss. Er hatte bereits aufgrund seiner Beteiligung an den hinter der M. stehenden Gesellschaften eine so einflussreiche Stellung, dass gegen seinen Willen keine Entscheidungen getroffen werden konnten. Er war mit 50 % an der D. GmbH (im Folgenden: D. GmbH) beteiligt, die ihrerseits mit 50 % an der D. AG (im Folgenden: D. AG) beteiligt war, der Alleingesellschafterin der DP. , der einzigen Komplementärin der Anlagegesellschaft. Über die schon durch seine Beteiligung vermittelte starke Stellung hinaus sicherte dem Beklagten zu 2 besonderen Einfluss, dass er in den hinter der Anlagegesellschaft stehenden Gesellschaften Organ war und so die Geschicke der Anlagegesellschaft mittelbar lenken konnte. Er war Vorstand der D. AG, der einzigen Gesellschafterin der DP., und - zusammen mit seinem Mitgesellschafter in der D. GmbH - Aufsichtsrat der DP., der Komplementärin der M. . Als Vorstand der D. AG kontrollierte der Beklagte zu 2 zugleich den Vertrieb über deren hundertprozentige Tochter, die DV. AG. Da es für die Prospektverantwortlichkeit genügt, zu den Hintermännern zu gehören, entfällt die Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2 nicht, wenn es neben ihm weitere "Hintermänner" gab und er nicht als einziger hinter der Anlagegesellschaft stand. Dass der Beklagte zu 2 sich selbst in einer einflussreichen Stellung sah, zeigt sein Schreiben vom an die Vertriebsmitarbeiter, in dem er sich ausdrücklich als zu den Initiatoren zählend bezeichnete.

c) Die unzureichende Information über die Vertriebsstruktur der I. war für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächlich. Entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten zu 2 muss der Anleger nicht darlegen und beweisen, dass eine Entscheidung gegen die Anlage das einzig aufklärungsrichtige Verhalten war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, entspricht es vielmehr der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 19; 79, 337, 346; Sen.Urt. v. - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 16; v. - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; v. - II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106; v. - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1653). Diese Vermutung sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht (Senat, BGHZ 123, 106, 112 ff.), und gilt grundsätzlich bei allen Kapitalanlagen (Sen.Urt. v. - II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Tz. 6; , ZIP 2009, 1264 Tz. 22 zur Anlageberatung).

Fundstelle(n):
AAAAD-42796