Arbeitgeberdarlehen - Verzicht auf die Verjährungseinrede
Leitsatz
1. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB dient der Klarstellung, welche Fristen auf bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits entstandene, jedoch noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung finden, wann der Lauf der Fristen beginnt und auf welche Weise der Fristablauf unterbrochen oder gehemmt werden kann. Für diesen Anwendungsbereich stellt Art. 229 § 6 EGBGB im Verhältnis zu Art. 229 § 5 EGBGB, der eine allgemeine Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz enthält, die speziellere Überleitungsvorschrift dar.
2. Art. 229 § 6 EGBGB findet keine Anwendung auf Vorschriften, die die Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung oder den Verzicht auf die Einrede der Verjährung betreffen.
Gesetze: § 195 BGB, § 195 BGB vom , § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 202 BGB, § 208 BGB vom , § 212 Abs 1 Nr 1 BGB, § 225 BGB vom , § 242 BGB, § 141 Abs 1 BGB, Art 229 § 5 BGBEG, Art 229 § 6 BGBEG, § 888 Abs 2 Nr 3 ZPO
Instanzenzug: Az: 4 Ca 399/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 19 Sa 1398/07 Urteil
Tatbestand
1 Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens in Anspruch.
Der Beklagte hatte von seiner früheren Arbeitgeberin, der Fa. B, Inh. B, ein Arbeitgeberdarlehen erhalten. Zur Rückzahlung trafen Frau B und der Beklagte am eine Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
3 Aufgrund der Vereinbarung wären 94 Raten à 500,00 DM für die Zeit von August 1998 bis Mai 2006 sowie eine Restrate iHv. 41,22 DM im Juni 2006 zu zahlen gewesen. Im Jahre 2001 zahlte der Beklagte die vereinbarten Raten nur für die Monate Januar, März und Mai bis September. Danach stellte er die Ratenzahlungen gänzlich ein. Die Restdarlehensschuld beläuft sich unstreitig auf 14.854,85 Euro.
Mit Schreiben vom wandte sich Frau B an den Beklagten. Dieses hat folgenden Inhalt:
Die Klägerin, an welche der Anspruch auf Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens abgetreten worden war, beantragte am den Erlass eines Mahnbescheides ua. über den Betrag von 14.854,85 Euro gegen den Beklagten. Dieser Mahnbescheid konnte dem Beklagten, der ausweislich des an die Klägerin gerichteten Schreibens der Stadt S vom „unbekannt verzogen“ war und dessen Adresse zunächst ermittelt werden musste, erst am zugestellt werden. Am ging der Widerspruch des Beklagten gegen den Mahnbescheid ein, dem eine handschriftliche Stellungnahme des Beklagten vom beigefügt war. In dieser handschriftlichen Stellungnahme heißt es:
6 Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, jedenfalls die Ansprüche auf Ratenzahlung für den Zeitraum vom bis Juni 2006 iHv. 10.502,56 Euro seien auch nach neuem Recht nicht verjährt. Dem stehe Nr. 5 der unter dem geschlossenen Vereinbarung nicht entgegen. Frau B habe von der Möglichkeit der Fälligstellung der Gesamtvaluta keinen Gebrauch gemacht. Im Gegenteil, sie habe den Beklagten mit Schreiben vom zur weiteren Ratenzahlung aufgefordert. Zu dem Zeitpunkt sei der Beklagte mit der Zahlung von elf Raten iHv. insgesamt 5.500,00 DM in Rückstand gewesen. Ein Rückgriff auf § 199 BGB aF scheide bereits deshalb aus, weil hinsichtlich der einzelnen Raten kalendermäßige Fälligkeiten vereinbart worden seien. Im Übrigen habe der Beklagte unter Nr. 6 der Vereinbarung wirksam auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Die Wirksamkeit dieses Verzichts sei nach § 202 BGB nF zu beurteilen. Des ungeachtet handele der Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf den Eintritt der Verjährung berufe. Die Zustellung des Mahnbescheides im Jahre 2002 sei allein deshalb gescheitert, weil der Beklagte unbekannt verzogen gewesen sei. Er habe den Wohnsitzwechsel bewusst nicht angezeigt, um sich seinen Verpflichtungen zu entziehen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
8 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, der gesamte Rückforderungsbetrag sei bereits im Oktober 2001 fällig gewesen. Dies folge aus Nr. 5 der Vereinbarung vom . Selbst wenn von einem Kündigungserfordernis auszugehen sei, sei die Forderung dennoch verjährt, da Frau B spätestens im Oktober 2001 zur Kündigung berechtigt gewesen sei. Der unter Nr. 6 der Vereinbarung getroffene Verzicht auf die Einrede der Verjährung sei nach § 225 BGB aF unwirksam. Das neue Recht sei diesbezüglich nicht anwendbar. Die Berufung auf den Eintritt der Verjährung sei ihm schließlich auch nicht nach § 242 BGB verwehrt. Die Klägerin selbst habe es unterlassen, die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen. Schließlich liege in seinem Schreiben vom kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung, der nach neuem Recht zu beurteilen wäre. Ein wirksamer Verzicht setze voraus, dass der Verpflichtete wisse oder zumindest mit der Möglichkeit rechne, dass Verjährung eingetreten ist. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren nach Klageabweisung weiter.
Gründe
10 Die zulässige Revision ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Restdarlehensschuld iHv. 14.854,85 Euro war spätestens am , also noch vor Zustellung des Mahnbescheides verjährt. Das Schreiben des Beklagten vom ändert hieran nichts. Der Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben.
11 I. Die Klageforderung war spätestens mit Ablauf des , also noch vor Zustellung des Mahnbescheides am verjährt.
12 1. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin war der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens am in vollem Umfang entstanden, dh. fällig; einer Kündigung der Darlehensvereinbarung bedurfte es nicht. Dies ergibt eine Auslegung der unter dem geschlossenen Vereinbarung. Auf die Fälligkeit der einzelnen Rückzahlungsraten kommt es demnach nicht mehr an.
13 a) Die Vereinbarung vom enthält keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Ausweislich ihrer Nr. 7 hatte Rechtsanwalt K diese Vereinbarung ausschließlich zur Regelung der Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Frau B und damit nicht für eine Vielzahl von Verträgen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB entworfen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung um von einem Dritten, nämlich Rechtsanwalt K, für die Arbeitgeberin, Frau B, vorformulierte Vertragsbedingungen, die - weil arbeitsvertragliche Abreden Verbraucherverträge sind (vgl. BAG25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19) - unter § 310 Abs. 3 BGB fallen.
14 b) Nach welchen Maßstäben eine vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von für einen Einzelfall entworfenen Vertragsbedingungen revisionsgerichtlich zu überprüfen ist, kann dahinstehen; hat nämlich - wie hier - das Landesarbeitsgericht eine gebotene Auslegung unterlassen, darf das Revisionsgericht auch atypische Verträge und Willenserklärungen selbst auslegen, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer Urkunde geht und für deren Auslegung außerhalb der Urkunde liegende Umstände nicht in Betracht kommen (vgl. - BAGE 64, 220).
15 c) Ebenso kann offenbleiben, ob die Vereinbarung vom , weil sie ausschließlich zur Regelung der Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Frau B entworfen wurde und auch nur in diesem Fall zur Verwendung gekommen ist, wie eine Individualvereinbarung, oder ob sie als vorformulierter Vertrag iSd. § 310 Abs. 3, 4 BGB wie Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist. In beiden Fällen führt die Auslegung bereits deshalb zu demselben Ergebnis, weil individuelle Umstände, insbesondere solche außerhalb der Urkunde von den Parteien nicht vorgebracht wurden und auch sonst nicht ersichtlich sind.
16 d) Die Auslegung der unter dem geschlossenen Vereinbarung ergibt, dass die in Nr. 5 enthaltene Regelung, wonach „Frau B berechtigt“ ist, „den dann noch offenen Betrag in einer Summe zuzüglich der Zinsen zu fordern“, als Fälligkeitsabrede zu verstehen ist.
17 Die streitgegenständliche Vereinbarung enthält keine Abrede über die erstmalige Gewährung eines Darlehens und regelt nicht erstmalig Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, sondern nimmt Bezug auf bereits in der Vergangenheit ausgezahlte Darlehensbeträge. Der Beklagte hat eine Rückzahlungsverpflichtung per iHv. insgesamt 43.484,31 DM anerkannt. Ferner hat er anerkannt, dass Frau B berechtigt sein sollte, den Betrag in einer Summe zu fordern. Die Vertragsparteien haben darunter die Befugnis zur „Geltendmachung“ des Betrages in einer Summe verstanden, was Fälligkeit voraussetzt. Für dieses Verständnis spricht auch der weitere Satz der Vereinbarung, in welchem Frau B auf die Geltendmachung des Betrages in einer Summe verzichtet und sich damit einverstanden erklärt hat, dass der Betrag entsprechend den unter Nr. 2 bis 4 getroffenen Vereinbarungen getilgt wird.
18 Unter Nr. 5 enthält die Vereinbarung sodann eine Regelung darüber, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Beklagte mit der Bezahlung von drei aufeinanderfolgenden Raten oder einem Betrag iHv. insgesamt 1.500,00 DM in Rückstand gerät. Dann soll Frau B - wieder wie bei Abschluss der Vereinbarung - berechtigt sein, den dann noch offenen Betrag in einer Summe zzgl. der Zinsen zu fordern. Der dann noch offene Betrag soll von Frau B geltend gemacht werden können, also fällig sein, und zwar, ohne dass es irgendeiner Erklärung zur Fälligstellung bzw. einer Kündigung bedarf. Von einer Kündigung ist an keiner Stelle der Vereinbarung eine Rede; Frau B sollte dann zur Rückforderung des gesamten noch offenen Betrages berechtigt sein, wenn der Beklagte mit der Bezahlung von drei aufeinanderfolgenden Raten oder einem Betrag iHv. insgesamt 1.500,00 DM in Rückstand geriet, ein „Inverzugsetzen“ durch Mahnung war nicht erforderlich.
19 e) Da der Beklagte die monatlichen Raten iHv. 500,00 DM für die Monate Februar, April und Oktober 2001 nicht gezahlt hatte, war er zu Beginn des Monats November 2001 mit der Zahlung von insgesamt 1.500,00 DM in Rückstand geraten. Damit war der gesamte dann noch offene Betrag iHv. 14.854,85 Euro mit Beginn des Monats November 2001 insgesamt zur Rückzahlung fällig geworden.
20 Hieran ändert sich auch nichts durch das Schreiben der Frau B an den Beklagten vom . In diesem Schreiben könnte allenfalls das Angebot auf Abschluss einer Stundungsvereinbarung oder auf Abschluss eines Stillhalteabkommens gesehen werden, was vom Beklagten allerdings nicht angenommen wurde. Dieser hat sich weder auf dieses Schreiben hin geäußert noch weitere Raten gezahlt.
21 2. Die Rückzahlungsforderung der Klägerin unterlag der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB nF. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, wonach die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem geltenden Fassung auf die an diesem Tage bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung finden.
22 a) Obgleich es sich bei der den Anspruch begründenden Vereinbarung vom um ein Dauerschuldverhältnis handelt, beantwortet sich die Frage danach, ob die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der bis zum geltenden Fassung oder in der Fassung Anwendung finden, die das BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz für die Zeit ab dem gefunden hat, nach Art. 229 § 6 EGBGB und nicht nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB dient der Klarstellung, welche Fristen auf bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits entstandene, jedoch noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung finden, wann der Lauf der Fristen beginnt und auf welche Weise der Fristablauf unterbrochen oder gehemmt werden kann (vgl. - Rn. 44, BAGE 122, 304). Art. 229 § 6 EGBGB stellt damit für diesen Anwendungsbereich im Verhältnis zu Art. 229 § 5 EGBGB, der eine allgemeine Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz enthält, die speziellere Überleitungsvorschrift dar.
23 b) Da der Gesamtbetrag - wie ausgeführt - am zur Rückzahlung fällig war, also iSd. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB bestand, konnte er - unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begann - in keinem Fall vor dem verjähren.
24 3. Die Verjährung der Klageforderung ist spätestens mit Ablauf des eingetreten.
25 a) Für den Beginn der Verjährung verweist Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB grundsätzlich auf altes Recht und damit auf § 198 BGB aF, wonach die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs beginnt. Dabei entsteht ein Anspruch iSd. § 198 BGB aF, sobald er fällig wird und notfalls eingeklagt werden kann ( - zu I der Gründe, NJW 1997, 516). Dies war am der Fall.
26 b) Da die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB nF drei Jahre beträgt und nach § 195 BGB aF 30 Jahre betrug, ist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die kürzere Frist maßgeblich. Diese wird von dem an berechnet, soweit der Verjährungsbeginn nicht gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB infolge späterer Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Anspruchsinhaberin verschoben worden ist ( - Rn. 18, BGHZ 171, 1).
27 c) Vorliegend kann offenbleiben, ob die Klägerin bereits am Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen, nämlich vom Rückstand des Beklagten mit einem Betrag von 1.500,00 DM hatte, und ob ihr ggf. die Kenntnis der Frau B zuzurechnen wäre; die Klägerin hat die erforderliche Kenntnis spätestens zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides gehabt. Dies war der , so dass die Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB spätestens am begann. Damit war die Klageforderung spätestens mit Ablauf des verjährt.
28 II. Das Schreiben des Beklagten vom ändert hieran nichts.
29 Es kann offenbleiben, ob hierin überhaupt das Anerkenntnis der Klageforderung gesehen werden kann; selbst ein Anerkenntnis würde die Verjährung nämlich nicht beseitigen. Zwar heißt es in § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nF, dass die Verjährung „erneut beginnt“, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt; allerdings wurde im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung mit dem Begriff des „Neubeginns“ lediglich der Begriff der „Unterbrechung“ iSd. § 208 BGB aF ersetzt. Im Hinblick auf § 208 BGB aF war indes in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein nach Ablauf der Verjährungsfrist abgegebenes Anerkenntnis die Verjährung nicht mehr unterbrechen kann ( - zu II 2 der Gründe, NJW 1997, 516).
30 In dem Schreiben des Beklagten vom kann auch nicht ein neuerlicher Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede gesehen werden. Der Beklagte hat in dem zuvor bezeichneten Schreiben nicht ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtet, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass er Frau B das geliehene Geld gerne zurückzahlen würde, aufgrund seiner finanziellen Situation aber nicht in der Lage sei, den Betrag auf einmal zu zahlen und deshalb mit Frau B bzw. der Klägerin über die Möglichkeit einer Ratenzahlung sprechen wolle. Damit könnte er allenfalls konkludent einen entsprechenden Verzicht erklärt haben. Ein stillschweigender Verzicht setzt jedoch einen rechtsgeschäftlichen Aufgabewillen voraus, der im Allgemeinen nicht zu vermuten ist; aus diesem Grunde ist ein derartiger Verzicht regelmäßig ausgeschlossen, wenn es sich um Rechte handelt, die dem Erklärenden unbekannt sind und mit deren Bestehen er nicht rechnet. Dementsprechend setzt ein konkludenter Verzicht auf die Verjährungseinrede in der Regel voraus, dass der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung den Eintritt der Verjährung gekannt oder zumindest für möglich gehalten hat. Dies ist von keiner der Parteien behauptet worden (vgl. - zu III der Gründe, NJW 1997, 516).
31 Damit konnte die Klägerin das Schreiben des Beklagten vom allenfalls dahingehend verstehen, dass dieser Bereitschaft zeigte, sich auf die Verlängerung einer noch laufenden Verjährungsfrist einzulassen. Wenn sich aber die Erklärung lediglich auf die „Verlängerung“ einer noch laufenden Verjährungsfrist bezog, so war sie schon aus tatsächlichen Gründen gegenstandslos, weil die Verjährung spätestens mit Ablauf des eingetreten war.
32 III. Der Beklagte war auch nicht aufgrund des unter Nr. 6 der Vereinbarung vom erklärten Verzichts an der Erhebung der Einrede der Verjährung gehindert.
33 1. Der in der Vereinbarung erklärte Verzicht auf die Verjährungseinrede ist nach § 225 Satz 1 BGB aF unwirksam. Nach dieser Bestimmung kann die Verjährung durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert werden. Deshalb kann auf die Einrede der Verjährung nicht von vornherein bzw. vor Ablauf der Verjährungsfrist wirksam verzichtet werden. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede, der - wie hier - vorher ausgesprochen wurde, ist ungültig, und zwar auch dann, wenn die Wirkungen des Verzichts erst nach Vollendung der Verjährung eintreten sollen ( - zu II 3 b bb der Gründe, NJW 1998, 902; - VII ZR 126/90 - zu II 1 der Gründe, NJW 1991, 974).
34 2. Die Wirksamkeit des Verzichts beurteilt sich gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB nach § 225 Satz 1 BGB aF.
35 Zwar handelt es sich bei der Vereinbarung vom um ein Dauerschuldverhältnis, auf das an sich gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB seit dem das Bürgerliche Gesetzbuch in der ab dem geltenden Fassung anzuwenden ist. Dies gilt jedoch nicht für vor dem beendete Dauerschuldverhältnisse und nicht für Ansprüche aus einem am fortbestehenden Dauerschuldverhältnis, die - wie hier aufgrund der am eingetretenen Fälligkeit - vor Ablauf dieses Tages zu erfüllen waren. Insoweit trifft der Sinn von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf zuvor begründete Dauerschuldverhältnisse anwendbar zu machen und den Parteien eine Frist zur Anpassung der laufenden Pflichten aus einem Dauerschuldverhältnis auf die am in Kraft getretene Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuräumen, nicht zu ( - Rn. 9, NJW-RR 2008, 172).
36 Art. 229 § 5 EGBGB wird auch nicht durch die in Art. 229 § 6 EGBGB für die Verjährung getroffene Sonderregelung, bei deren Anwendbarkeit sich die Wirksamkeit des Verzichts nach § 202 BGB nF beurteilen würde, verdrängt. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB dient allein der Klarstellung, welche Fristen auf bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits entstandene, jedoch noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung finden, wann der Lauf der Fristen beginnt und auf welche Weise der Fristablauf unterbrochen oder gehemmt werden kann. Dass dabei die Frage, welches Recht zur Kontrolle von Vereinbarungen über die Verjährung wann Anwendung findet, bedacht wurde, ist nicht erkennbar und ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien (vgl. - Rn. 44, BAGE 122, 304). Zudem werden Vorschriften, die die Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung oder gar den Verzicht auf die Verjährung betreffen, in Art. 229 § 6 EGBGB nicht erwähnt. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/6040 S. 273) ist zu entnehmen, dass diese Vorschrift auch für die Kontrolle von Vereinbarungen über die Verjährung Anwendung finden sollte. Solche Vereinbarungen sollen demnach gemäß der hinter Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB stehenden gesetzgeberischen Überlegung den Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragsparteien überlassen werden ( - Rn. 18, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Art. 229 § 6 EGBGB stellt damit nur für seinen Regelungsbereich im Verhältnis zu Art. 229 § 5 EGBGB, der eine allgemeine Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz enthält, die speziellere Überleitungsvorschrift dar (vgl. auch - Rn. 16 f., NJW 2010, 602).
37 3. Die unwirksame Verzichtsvereinbarung ist auch nicht später, insbesondere nicht durch das Schreiben des Beklagten vom gem. § 141 Abs. 1 BGB bestätigt worden. Eine Bestätigung gem. § 141 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die bestätigenden Vertragsparteien den Grund der Nichtigkeit kennen oder zumindest Zweifel an der Rechtsbeständigkeit der Vereinbarung haben ( - zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 129, 371). Dafür, dass diese Voraussetzungen vorgelegen haben, bietet der vorliegende Fall keinerlei Anhaltspunkte. Abweichendes wurde von den Parteien auch nicht vorgetragen.
38 4. Dem Beklagten ist es auch nicht aufgrund § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.
39 Dass der Beklagte nach § 225 BGB aF vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht wirksam auf die Einrede der Verjährung verzichten konnte, bedeutet zwar nicht, dass seinem Verzicht überhaupt keine rechtliche Bedeutung zukäme. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt bei Vereinbarung eines solchen Verzichts der Schuldner mit einer Berufung auf den Eintritt der Verjährung gegen Treu und Glauben, solange er bei dem Gläubiger den Eindruck erweckt oder aufrechterhält, dessen Ansprüche befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen zu wollen, und solange er den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung einer Klage abhält ( - VI ZR 375/96 - zu II 3 b cc der Gründe, NJW 1998, 902; - XI ZR 447/06 - Rn. 19 f., ZIP 2007, 2206; zum Verstoß gegen Treu und Glauben bei der Berufung auf den Verjährungseintritt allgemein vgl. - Rn. 17, AP BGB § 196 Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 242 Rechtsmissbrauch Nr. 4).
40 Nach einhelliger Auffassung ist der auf einem Einredeverzicht beruhende Vertrauensschutz des Gläubigers darauf, dass sein Anspruch nicht an der Verjährung scheitert, jedoch nur solange gerechtfertigt, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände andauern. Entfallen sie, erklärt insbesondere der Schuldner, sich nicht mehr an den Verzicht halten zu wollen, so muss der Gläubiger innerhalb einer angemessenen und ihrerseits nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen, wobei diese Frist von ihrem Zweck her kurz zu bemessen ist ( - zu II 3 b cc der Gründe, NJW 1998, 902; - VII ZR 126/90 - zu II 4 der Gründe, NJW 1991, 974).
Vorliegend reichte der aus § 242 BGB abzuleitende Vertrauensschutz für die Klägerin nur bis zu dem Zeitpunkt, als diese, nachdem der Mahnbescheid nicht zugestellt werden konnte, auf ihre Anfrage vom durch das Schreiben der Stadt S vom erfuhr, dass der Beklagte unbekannt verzogen war. Ab diesem Zeitpunkt musste sie damit rechnen, dass der Beklagte sich seinen Verpflichtungen entziehen und auch nicht weiter an seinem Verzicht auf die Einrede der Verjährung festhalten lassen wollte. Dies hat die Klägerin im Übrigen auch selbst so gesehen; sie hat vorgetragen, der Beklagte habe den Wohnsitzwechsel bewusst nicht angezeigt, um sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Dann hätte sie sich aber nicht auf das Weiterbetreiben des Mahnverfahrens beschränken dürfen, sondern, da eine öffentliche Zustellung des Mahnbescheides, die den Eintritt der Verjährung hätte verhindern können, nach § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht vorgesehen ist, direkt Klage einreichen und diese ggf. öffentlich zustellen lassen müssen. Aus diesem Grunde kann die Klägerin auch aus ihrem weiteren Vorbringen, es sei im Rahmen des § 242 BGB zu berücksichtigen, dass der Beklagte lange Zeit als unbekannt verzogen gegolten habe, nichts zu ihren Gunsten ableiten.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1276 Nr. 21
BB 2010 S. 1735 Nr. 28
DStR-Aktuell 2010 S. 13 Nr. 21
HAAAD-42785