BAG Urteil v. - 8 AZR 370/07

Leitsatz

Leitsatz:

1. Eine fehlerhafte Unterrichtung über einen beabsichtigten Betriebsübergang (§ 613a Abs. 5 BGB) setzt die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Lauf. Das fortbestehende Recht, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zu widersprechen, kann jedoch verwirken.

2. Ein Arbeitnehmer verwirklicht dann das Umstandsmoment im Sinne der Verwirkung, wenn er eine ihm vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angreift, den Widerspruch auch nicht anlässlich einer ihm später erteilten Abfindungszusage erklärt und schließlich mit dem Betriebserwerber einen Aufhebungsvertrag sowie mit einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einen neuen (befristeten) Arbeitsvertrag abschließt.

3. Eine nach Eintritt der Verwirkung erfolgte Erklärung, der Widerspruch "werde vorbehalten", ist ohne rechtliche Bedeutung.

Gesetze: BGB § 242; BGB § 613a

Instanzenzug: LAG Düsseldorf, 7 (11) Sa 783/06 vom ArbG Solingen, 3 Ca 143/06 lev vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger war seit dem bei der Beklagten als Chemiearbeiter im Geschäftsbereich C I (CI) beschäftigt; er erzielte im Quartal eine durchschnittliche Bruttovergütung iHv. 11.005,00 Euro.

Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:

"...

die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum auf die A GmbH zu übertragen.

Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

Diese Bestimmungen lauten:

,Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

2. den Grund für den Übergang,

3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.'

Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem auf A GmbH übergehen.

...

1. Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs: Das Datum des geplanten Übergangs ist der .

2. Zum Grund für den Übergang:

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

...

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

3. Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben A-G AG, A GmbH, Gesamtbetriebsrat der A-G AG sowie die örtlichen Betriebsräte am eine Überleitungsvereinbarung 'zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen' abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

- Die bei der A-G AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei A GmbH anerkannt.

- Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei A GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.

...

5. Zu Ihrer persönlichen Situation:

Ihr Arbeitsverhältnis ist nicht von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4, sondern von einer früheren Personalabbau-Entscheidung des Unternehmens betroffen. Wir beabsichtigen, Ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zu kündigen. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen die in unserem Sozialplan vorgesehenen Leistungen zu. Die geplante Kündigung wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus. Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei A GmbH fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.

6. Zum Widerspruchsrecht:

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen.

Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:

...

7. Zu den Folgen eines Widerspruchs:

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis im gekündigten Zustand bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.

Da nach dem Übergang des Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.

Wir weisen Sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH.

Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen. ..."

Mit Wirkung zum wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

Die A GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen mit Schreiben vom zum und nahm dabei Bezug auf einen Interessenausgleich vom . Gegen diese Kündigung erhob der Kläger fristgerecht beim Arbeitsgericht Solingen Kündigungsschutzklage (- 5 Ca 2741/04 lev -). Eine weitere, vorsorgliche Kündigung der Betriebserwerberin vom beantwortete er mit einer Klageerweiterung vom . Zudem leitete er unter dem beim Arbeitsgericht Solingen ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein, um die Besetzung eines freien Arbeitsplatzes mit einem anderen Arbeitnehmer zu verhindern (- 5 Ga 9/05 lev -). In diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schlossen der Kläger und die A GmbH am einen Beendigungsvergleich, mit dem sich die A GmbH verpflichtete, an den Kläger eine über dem Sozialplan liegende Abfindung zu zahlen.

Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet wurde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH.

Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Januar 2006 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. Insoweit rügt er insbesondere eine falsche Information über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin und über die Haftungsverteilung zwischen der Beklagten und der A GmbH. In der Frage der Verwirkung könne lediglich darauf abgestellt werden, ab welchem Zeitpunkt Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Information habe bestehen können. Dieser Zeitpunkt sei frühestens auf den anzusetzen, weil an diesem Tage eine Gläubigerversammlung für die insolvente A GmbH stattgefunden habe, auf der der Insolvenzverwalter die wahre wirtschaftliche Lage erörtert habe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat ihr Informationsschreiben vom als den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügend angesehen. Der Widerspruch des Klägers sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Im Januar 2006 konnte der Kläger dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin nicht wirksam widersprechen, da er sein Widerspruchsrecht verwirkt hatte.

A. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB sei wegen fehlerhafter Unterrichtung der Beklagten über den Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen gewesen. Daher sei der Widerspruch des Klägers nicht verfristet, eine absolute Ausschlussfrist sehe das Gesetz nicht vor. Der Kläger habe das Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Auch für das Zeitmoment gebe es keine Mindest- bzw. Höchstfrist. Der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung beginne frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung. Damit habe der Kläger frühestens aus der Beantragung eines Insolvenzverfahrens für die A GmbH Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass die Unterrichtung über den Betriebsübergang möglicherweise fehlerhaft gewesen sei. Unwidersprochen habe er vorgetragen, dass er die Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens erst durch die Gläubigerversammlung am erkannt habe. Der danach bis zum Widerspruch noch verstrichene Zeitraum von weiteren drei Monaten reiche trotz der grundsätzlich eilbedürftigen Klärung, ob ein Arbeitsverhältnis bestehe, nach Auffassung der Berufungskammer nicht aus, um das Zeitmoment zu erfüllen. Jedenfalls sei aber ein Umstandsmoment nicht gegeben. In der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochene Kündigung sei ein solches nicht zu sehen, da der Kläger lediglich eine ihm zustehende rechtliche Möglichkeit wahrgenommen habe, der kein weiterer Erklärungswert zukomme. Dies gelte auch hinsichtlich des im April 2005 abgeschlossenen Beendigungsvergleichs. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie darauf ein schützenswertes Vertrauen gegründet habe. Der Inhalt des Vergleichs sei der Beklagten nicht einmal bekannt gewesen. Die Beklagte habe kurz nach Beantragung des Insolvenzverfahrens für die A GmbH eine größere Anzahl von Widersprüchen anderer Arbeitnehmer erhalten. Daher habe sie auch mit den Widersprüchen weiterer Arbeitnehmer rechnen müssen, die wie der Kläger von dieser Möglichkeit erst später Gebrauch machten. Der Kläger habe im Übrigen durch den Beendigungsvergleich auch keinen Verzicht auf sein Widerspruchsrecht erklärt. Insoweit sei zwar § 144 BGB analog anzuwenden und der Kläger habe durch Abschluss des Beendigungsvergleichs gegenüber der Erwerberin erklärt, dass er sie als Vertragspartnerin akzeptiere. Dies sei allerdings nicht in Kenntnis eines bestehenden Widerspruchsrechts erfolgt, denn jedenfalls vor Stellung des Insolvenzantrags habe der Kläger keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Informationsschreiben der Beklagten fehlerhaft sein könnte. Auch sei der Widerspruch nicht nach allgemeinen Grundsätzen rechtsmissbräuchlich.

B. Dem folgt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen für die Verwirkung des Widerspruchsrechts rechtsfehlerhaft verkannt.

I. Die Unterrichtung des Klägers durch die Beklagte mit Schreiben vom über den am erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 zu einer im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtung). Daher war dessen Widerspruch nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit dem Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - aaO.).

II. Als der Kläger unter dem den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklären ließ, hatte er jedoch sein Widerspruchsrecht verwirkt.

1. Der Senat hat mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers grundsätzlich verwirken kann (vgl. zB - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

2. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO.).

3. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen vor.

a) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (so zB - DB 2007, 1034). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil aber darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beginnt die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment nicht erst mit Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung zu laufen (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).

Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Textform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet (Senat - 8 AZR 166/07 -; - 8 AZR 1020/06 -). Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war.

Der Kläger hat jedoch seit dem , dh. einen Monat nach der erfolgten Unterrichtung, bis zur Einlegung seines Widerspruchs am fast 14 Monate verstreichen lassen. Dieser Zeitraum erfüllt insbesondere deshalb das Zeitmoment, weil der Kläger durch den Abschluss des Beendigungsvergleichs ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte.

c) Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass ein Arbeitnehmer dadurch, dass er über sein Arbeitsverhältnis disponiert, das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt. Eine derartige Disposition kann in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem Betriebserwerber zu sehen sein ( - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) oder auch darin, dass der Arbeitnehmer eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht angreift ( - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347). Vorliegend hat zwar der Kläger gegen die ihm von der A GmbH unter dem ausgesprochene und bereits von der Beklagten vor dem Betriebsübergang angekündigte betriebsbedingte Kündigung zum Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist am ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die A GmbH eingeleitet, um die Besetzung eines freien Arbeitsplatzes mit einem anderen Arbeitnehmer zu verhindern und dergestalt seine Chancen für die auf Abwehr einer betriebsbedingten Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage und seine Weiterbeschäftigung bei der A GmbH zu erhöhen. Jedoch hat er den gesamten Streit über die schon von der Beklagten angekündigte betriebsbedingte Kündigung, die dann die A GmbH unter dem ausgesprochen hat, und schließlich den Streit um die Freihaltung eines Arbeitsplatzes bei der A GmbH durch einen Beendigungsvergleich am abgeschlossen, mit dem sich im Gegenzug die A GmbH verpflichtete, an ihn eine über dem Sozialplan liegende Abfindung zu zahlen. Der Kläger hat also sein zunächst nachhaltig bekundetes Interesse an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses im Wege des Beendigungsvergleichs aufgegeben und im Gegenzug einen Anspruch auf eine überplanmäßige Abfindung akzeptiert.

4. Aufgrund des Beendigungsvergleichs zwischen dem Kläger und der A GmbH sowie des Gesamtverhaltens des Klägers durfte die Beklagte davon ausgehen, dieser werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Es ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unerheblich, ob und ggf. ab wann die Beklagte von dem Abschluss des Beendigungsvergleichs Kenntnis hatte.

Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstands zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären kann. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen "Umstände" subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, "ein anderes" normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6; so auch Gaul/Niklas DB 2009, 452).

5. Der Annahme des Umstandsmoments steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger bereits in dem Unterrichtungsschreiben vom mitgeteilt hatte, eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei unabhängig vom Betriebsübergang aufgrund des bereits geplanten Personalabbaus beabsichtigt. Auch wenn der bisherige Arbeitgeber zwar eine Kündigung geplant, eine solche aber nicht ausgesprochen hat und erst der Betriebserwerber, hier also die A GmbH das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, kann das Umstandsmoment vorliegen, wenn der Arbeitnehmer diese Kündigung nicht angegriffen hat (vgl. Senat - 8 AZR 225/07 -) oder wenn er wie vorliegend eine zunächst entschieden betriebene Rechtsverteidigung gegen einen überdurchschnittlichen Abfindungsanspruch aufgibt. Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf die Verwirkung und damit auf die Grundsätze von Treu und Glauben zu berufen, weil sie sich selbst unredlich verhalten hätte und dadurch die Erklärung des Widerrufs verhindert hätte ( - VersR 1996, 315). Die Beklagte hat vielmehr mit dem Unterrichtungsschreiben zutreffend dargestellt, dass auch sie eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger plant und dass diesem in einem solchen Fall ein Sozialplananspruch zustehen würde. Es lag daher in der Hand des Klägers, durch Erklärung eines Widerspruchs die Beklagte als solventere Schuldnerin - allerdings nur eines Sozialplan-Anspruchs - zu gewinnen. Der Kläger hat sich anders entschieden und mit der Betriebserwerberin eine höhere Abfindung gegen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Dies hat die Beklagte nicht in unredlicher Weise veranlasst.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
IAAAD-42335