BAG Beschluss v. - 2 AZN 889/09

Nichtzulassungsbeschwerde - Alternativbegründung in Berufungsurteil

Gesetze: § 72 Abs 2 ArbGG

Instanzenzug: ArbG Bochum Az: 5 Ca 1365/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 11 Sa 1768/08 Urteil

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG) liegt nicht vor.

3 a) Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag der Beklagten zum Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses vom im streitigen Urteilstatbestand (S. 7 des Berufungsurteils) aufgeführt. Das spricht gegen ein Übergehen des unter I 1 der Beschwerdebegründung (S. 2, 3) angeführten Bestreitens des Klägers. Soweit das Landesarbeitsgericht hierauf in den Entscheidungsgründen nicht nochmals eingegangen ist, lag dies erkennbar daran, dass es diesen Gesichtspunkt wegen der für erwiesen erachteten Durchführung der im „Teil-Interessenausgleich“ vom vorgesehenen Maßnahmen nicht für entscheidungserheblich erachtet hat.

4 b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Massenentlassungsanzeige sei die „Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt gewesen“, lässt keinen Gehörsverstoß erkennen. Dafür, dass diese Feststellung auf einem Übergehen des Vorbringens des Klägers beruht, es sei „unstreitig“, dass die Beklagte „der Anzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt habe“ (vgl. I 2 a der Beschwerdebegründung), fehlt es an genügenden Anhaltspunkten. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts kann durchaus darauf beruhen, dass es das - einfache - klägerische Bestreiten des Vortrags der Beklagten zur ordnungsgemäßen Erstattung der Massenentlassungsanzeige für unbeachtlich gehalten hat, nachdem die zuständige Arbeitsagentur mit dem Bescheid vom eine Unvollständigkeit der Anzeige nicht beanstandet hatte.

5 c) Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht das unter I 2 b und I 2 c der Beschwerdebegründung dargestellte Vorbringen übergangen hätte. Ob außer den angezeigten 20 Entlassungen im maßgebenden Zeitraum weitere - anzeigepflichtige - Entlassungen vorlagen, war für das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die Kündigung des Klägers ersichtlich nicht entscheidungserheblich. Aus seiner Sicht genügte es, dass der Kläger in der der Massenentlassungsanzeige beigefügten Liste zu kündigender Arbeitnehmer individualisierbar aufgeführt war.

6 d) Unter I 3 der Beschwerdebegründung beanstandet der Kläger, das Landesarbeitsgericht habe das Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme unzureichend gewürdigt und deshalb zu Unrecht die Sozialauswahl für ordnungsgemäß erachtet. Damit rügt der Kläger keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern eine unzureichende Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Darin liegt kein iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG beachtlicher Zulassungsgrund (vgl.  - Rn. 19 ff., AP ArbGG 1979 § 78a Nr. 5).

7 e) Einen unbeachtlichen Rechtsanwendungsfehler rügt der Kläger auch insoweit, wie er sich gegen eine unzureichende Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen im Rahmen der Sozialauswahl wendet.

8 f) Es kann offenbleiben, ob das Landesarbeitsgericht Vorbringen des Klägers übergangen hat, soweit es nicht näher auf das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs zwischen der Beklagten und der „EFA“ eingegangen ist. Zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann nur die Nichtbeachtung schlüssigen Vorbringens führen ( - zu III 2 b der Gründe, NJW 1994, 2683). Daran fehlt es. Dem Vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers lassen sich keine äußeren Umstände dafür entnehmen, dass sich die Beklagte und die „EFA“ über die Führung eines gemeinsamen Betriebs geeinigt hätten und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb der organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen Leitungsapparat fortgesetzt verfolgten (zu diesen Voraussetzungen Senat - 2 AZR 327/01 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 101, 321; - 2 AZR 648/95 - zu II 2 der Gründe) . Insbesondere ergeben sich aus seinem Vorbringen keine Anhaltspunkte für einen gemeinsam verfolgten Betriebszweck. Dass die Beklagte im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit Aufgaben für die „EFA“ ausführt, reicht dafür nicht aus. Ebenso wenig ist es ein hinreichendes Indiz, dass die „EFA“ die „Vliesanlage 2“ der Beklagten „übernehmen“ soll. Das spricht nicht für, sondern gegen die gemeinsame Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke.

9 2. Die Revision ist auch nicht, wie geltend gemacht, wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen.

a) Die unter II 1 der Beschwerdebegründung benannten Rechtsfragen:

sind höchstrichterlich geklärt. Die Bildung von Altersgruppen kann, wie der Senat auch für den hier vorliegenden Fall einer nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erklärten Kündigung bereits entschieden hat ( - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82), nach § 10 Satz 1, 2 AGG durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt (Senat - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, aaO).

b) Die unter II 2 der Beschwerdebegründung angeführte Frage,

ist nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit ihr weder auseinandergesetzt, noch hätte es sich mit ihr auseinandersetzen müssen. Es hat sie ausdrücklich dahinstehen lassen, weil der Kläger auch bei Einbeziehung der insoweit in Betracht zu ziehenden Arbeitnehmer in die Sozialauswahl aufgrund der erreichten Punktzahl zu kündigen gewesen wäre. Für eine Zulassung der Revision genügt es nicht, dass sich das Landesarbeitsgericht nach Auffassung des Beschwerdeführers sich mit Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung hätte befassen müssen, die sich nach der vom Gericht gegebenen Begründung nicht stellen ( - Rn. 11, BAGE 118, 247).

c) Der Kläger meint, das Urteil des Landesarbeitsgerichts werfe die Rechtsfrage auf:

Die Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dabei kann dahinstehen, ob sie nicht schon durch die Entscheidung des Senats vom (- 2 AZR 812/05 - Rn. 19, BAGE 120, 137) hinreichend beantwortet ist. Sie ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich.

13 aa) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung dahinstehen lassen, ob die Beklagte die Sozialauswahl nach Altersgruppen vornehmen durfte. Es hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung im Hinblick auf die Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) sowohl unter der Voraussetzung einer zulässigen Bildung von Altersgruppen als auch einer Unwirksamkeit des angewandten Auswahlschemas überprüft. Für beide Alternativen hat es angenommen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da die Beklagte in jedem Fall soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt habe (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Eine solche Alternativbegründung steht hinsichtlich der Beurteilung, ob Zulassungsgründe iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen, einer Mehrfachbegründung gleich. In einem solchen Fall ist die Revision nur zuzulassen, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde jeder der Gründe angegriffen wird und die entsprechenden Rügen hinsichtlich eines jeden von ihnen durchgreifen (zur Doppelbegründung vgl.  - zu B II 2.1.2 der Gründe, BAGE 91, 93). Für eine Alternativbegründung gilt nichts anderes. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss bezüglich beider Alternativen zulässig und begründet sein. Die Beschwerde soll dazu führen, dass das Bundesarbeitsgericht die aufgezeigte Frage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beantworten muss, auf die sie gestützt wird. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn das anzufechtende Urteil - auch - auf einer selbständig tragenden Begründung beruht, die nicht erfolgreich Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde war. Das Bundesarbeitsgericht kann sich dann möglicherweise darauf beschränken, die nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gewordene Begründung zu bestätigen, ohne zu der anderen Stellung zu nehmen (Senat - 2 AZN 446/02 - zu II 2 a der Gründe;  - aaO) .

14 bb) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Selbst wenn der vom Kläger bezeichneten Frage bei einer unzulässigen Altersgruppenbildung grundsätzliche Bedeutung zukommen sollte, hat er hinsichtlich der Alternativbegründung des Landesarbeitsgerichts, derzufolge die Sozialauswahl (erst recht) bei Zulässigkeit der Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden ist, keine Zulassungsgründe dargelegt.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

Fundstelle(n):
DB 2010 S. 1132 Nr. 20
NJW 2010 S. 10 Nr. 22
NJW 2010 S. 2380 Nr. 32
HAAAD-42049