Steuerbegünstigte Zwecke (§ 10b EStG); Anwendung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom in der Rechtssache C-318/07 „Persche”
Bezug:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom in der Rechtssache C-318/07 „Persche” (BStBl 2010 II S. 440) zur steuerlichen Abziehbarkeit von Spenden an eine gemeinnützige Organisation in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß § 10b Absatz 1 und Absatz 1a Einkommensteuergesetz Folgendes entschieden:
Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
Artikel 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.
Der Bundesfinanzhof, der den angerufen hatte, hat daraufhin in dem Nachfolgeverfahren X R 46/05 das Urteil am verkündet.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:
Die Urteile werden bis zur Verkündung einer gesetzlichen Neuregelung aufgrund dieses BMF-Schreibens in allen noch nicht bestandskräftig veranlagten Fällen angewendet.
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass das EuGH-Urteil ausschließlich Spenden in einen anderen Staat der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums betrifft und demgemäß auch nur insoweit anzuwenden ist. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Staaten gegenseitig zwischenstaatliche Amtshilfe [1] im Bereich der Steuerfestsetzung und gegenseitig Unterstützung bei der zwischenstaatlichen Beitreibung [2] von Steuerforderungen leisten.
Aufgrund des Ergebnisses der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist beabsichtigt, die Modalitäten der Nachweiserbringung für die Berechtigung zum Spendenabzug in einem weiteren BMF-Schreiben zu regeln. Grundlage dafür werden vor allem die Aussagen des EuGH in dem Urteil „Persche” sein, die sich der BFH in seinem Urteil vom vollinhaltlich zu Eigen gemacht hat. Der BFH führt aus:
„Der EuGH-Entscheidung entsprechend hat der Steuerpflichtige unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, auch Spenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, abzuziehen. Das ist der Fall, wenn die begünstigte Einrichtung die Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften (also die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO) für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt (EuGH-Urteil). Können Spenden an eine Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats als gemeinnützig anerkannt werden, was die nationalen Stellen des Mitgliedstaats des Steuerpflichtigen einschließlich der Gerichte zu beurteilen haben, kann der Abzug nicht allein aus dem Grund verwehrt werden, dass die Einrichtung nicht im Inland ansässig ist (EuGH-Urteil). Die beteiligten Steuerbehörden können vom Steuerpflichtigen alle Belege verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob die Voraussetzungen für die Abziehbarkeit der Ausgaben nach den einschlägigen Rechtsvorschriften erfüllt sind und der verlangte Abzug dementsprechend gewährt werden kann (EuGH-Urteil). Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden einschließlich der Gerichte zu überprüfen, ob der Nachweis für die Einhaltung der von diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der fraglichen Steuervergünstigung aufgestellten Voraussetzungen gemäß den Regeln des nationalen Rechts erbracht worden ist (EuGH-Urteil). Erweist sich die Nachprüfung der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Auskünfte als schwierig, insbesondere wegen der in Artikel 8 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl EG 1977, Nummer L 336, S. 15) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl EG 1994, Nummer C 241, S. 21, und ABl EG 1995, Nummer L 1, S. 1) geänderten Fassung vorgesehenen Grenzen des Auskunftsaustauschs, sind die Finanzbehörden nicht daran gehindert, bei Nichtvorlage der Nachweise, die sie für die zutreffende Steuerfestsetzung als erforderlich ansehen, den beantragten Steuerabzug zu verweigern (EuGH).”
Zusätzlich weise ich auf das
BMF-Schreiben „Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen” – BStBl 2006 I S. 26 und das
BMF-Schreiben „Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung)” – BStBl 2004 I S. 66 hin.
BMF v. - IV C 4
-S 2223/07/0005
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 I Seite 386
StB 2010 S. 143 Nr. 5
StBW 2010 S. 359 Nr. 8
WPg 2010 S. 543 Nr. 10
CAAAD-41365
1Amtshilfe” ist der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer (ABl. L 336 vom , S. 15), die zuletzt durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom (ABl. L 363 vom , S. 129) geändert worden ist, einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes.
2„Beitreibung” ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (ABl. L 150 vom , S. 28) einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes.