BGH Urteil v. - IV ZR 7/09

Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Wirksamkeitskontrolle für eine Ruhensregelung betreffend die Hinterbliebenenrente

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 38 VBLSa, § 41 Abs 5 VBLSa

Instanzenzug: Az: 12 U 208/08 Urteilvorgehend Az: 6 O 232/07

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ihm eine Witwerrente ohne Anwendung der Ruhensbestimmung des § 41 Abs. 5 ihrer Satzung (VBLS) gewähren müsse.

21. Die Beklagte hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ergeben sich aus § 38 VBLS. Ergänzend verweist § 41 Abs. 5 VBLS (als so genannte Ruhensbestimmung) für die Anrechnung eigenen Einkommens des rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Bestimmungen. Damit wird auf §§ 89 ff. SGB VI und insbesondere § 97 SGB VI verwiesen, der (u.a.) die Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten regelt.

3§ 41 Abs. 5 in der zum neu gefassten Satzung der Beklagten lautete:

"Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit der Maßgabe, dass eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, unberücksichtigt bleibt."

4Mit Urteil vom (IV ZR 304/04 - BGHZ 169, 122) hat der Senat diese Satzungsbestimmung für unwirksam erklärt.

5Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes am im Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum Tarifvertrag Altersversorgung vom (ATV) auf eine Neufassung des § 41 Abs. 5 VBLS, welche mit Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom rückwirkend zum in Kraft gesetzt wurde. Diese 11. Änderung der neuen Satzung der Beklagten wurde vom Bundesministerium der Finanzen als zuständiger Aufsichtsbehörde am genehmigt und anschließend im Bundesanzeiger Nr. 25 vom veröffentlicht (BAnz 2008, 503).

6§ 41 Abs. 5 VBLS lautet nunmehr:

"Für Hinterbliebene gelten die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung über das Zusammentreffen von Rente und Einkommen entsprechend mit folgenden Maßgaben:

a) Eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, bleiben unberücksichtigt.

b) Der/dem Hinterbliebenen werden mindestens 35 Prozent der ihr/ihm nach § 38 zustehenden Betriebsrente gezahlt."

72. Die am geborene frühere Ehefrau des Klägers ist am verstorben. Sie war als Beschäftige im öffentlichen Dienst seit dem bei der Beklagten pflichtversichert.

8Nach dem Tode der Versicherten setzte die Beklagte mit Schreiben vom die Witwerrente des Klägers für die Zeit vom bis zum (das so genannte Sterbevierteljahr) auf monatlich 211 € fest. In der Folgezeit erbrachte sie unter Berufung auf § 41 Abs. 5 VBLS in der vom Senat beanstandeten Fassung zunächst keine Rentenzahlungen mehr. Erst nach der Neufassung der Ruhensbestimmung gewährte sie dem Kläger rückwirkend ab dem mit monatlich 73,85 € den Mindestbetrag von 35% der Witwerrente. Seit hat sich dieser Betrag auf monatlich 74,59 € erhöht.

93. Der Kläger wendet sich gegen die Anwendung des § 41 Abs. 5 VBLS, dessen frühere Fassung im Zeitpunkt des Todes seiner Frau nicht wirksam gewesen sei und dessen Neufassung jedenfalls nicht rückwirkend zum habe in Kraft gesetzt werden dürfen.

10Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

11Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

12I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Ruhensvorschrift des § 41 Abs. 5 VBLS auf seine Witwerrente nicht angewendet werde. In ihrer Neufassung, nach der den Hinterbliebenen mindestens 35% der nach § 38 VBLS ermittelten Betriebsrente erhalten blieben, sei die Satzungsbestimmung wirksam. Sie schließe es nunmehr aus, dass Hinterbliebenenrenten durch die Ruhensregelung vollständig aufgezehrt würden. Die Neuregelung beruhe auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes und überschreite nicht deren Gestaltungsspielraum, weshalb auch der Satzungsgeber insoweit weitgehende Gestaltungsfreiheit genieße. Mit höherrangigem Recht sei § 41 Abs. 5 VBLS n.F. vereinbar. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG genüge die Bestimmung den Voraussetzungen, die der Senat in der Entscheidung BGHZ 169, 122 aufgestellt habe. Im Ergebnis führe die neue Ruhensregelung dazu, dass dem Hinterbliebenen ca. 20% der Rente erhalten blieben, die der verstorbene Versicherte selbst im Zeitpunkt seines Todes hätte beanspruchen können. Das entspreche im Wesentlichen der Rechtslage für die Beamtenversorgung nach § 53 BeamtVG. Eine völlige Entwertung des vom verstorbenen Ehegatten verdienten Versorgungsanspruchs werde nunmehr ausgeschlossen. Auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG würden durch die Neuregelung nicht verletzt.

13Schließlich sei es aus Verfassungsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Neufassung des § 41 Abs. 5 VBLS rückwirkend zum in Kraft gesetzt worden sei. Seit dem Senatsurteil vom (BGHZ 169, 122), mit dem die frühere Fassung des § 41 Abs. 5 VBLS für unwirksam erklärt worden war, hätten die Versicherten zwar auf eine verfassungskonforme, ihnen günstigere Neuregelung vertrauen können, nicht jedoch darauf, dass diese erst später - nach Einigung der Tarifvertragsparteien - in Kraft treten würde. Vielmehr habe schon mit Ablauf des Jahres 2006 kein geschütztes Vertrauen darauf bestanden, dass es nicht alsbald zur Neuregelung käme.

14II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

151. Den rechtlichen Maßstab, anhand dessen § 41 Abs. 5 VBLS in seiner ab dem in Kraft gesetzten Fassung von den Gerichten zu kontrollieren ist, hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127 Tz. 28-38). Ein Vergleich von § 1 Ziffer 4 des Änderungstarifvertrages Nr. 4 vom mit der wortgleichen Regelung in § 41 Abs. 5 VBLS n.F. zeigt, dass die Neufassung der Ruhensbestimmung auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht. Sie haben es sich im Anschluss an die Senatsentscheidung vom (BGHZ 169, 122) vorbehalten, einvernehmlich festzulegen, in welchem Umfang eine Hinterbliebenenrente dem Berechtigten trotz eigener Einkünfte erhalten und insbesondere welcher Mindestbetrag von einer Anrechnung dieser Einkünfte unberührt bleiben soll. Diese Entscheidung entspringt dem Kernbereich der von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Tarifautonomie.Der Grundrechtsschutz ist nicht für alle koalitionsmäßigen Betätigungen gleich intensiv. Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt vielmehr in dem Maße zu, in dem eine Materie aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann, weil sie nach der dem Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Vorstellung des Verfassungsgebers die gegenseitigen Interessen angemessener zum Ausgleich bringen können als der Staat. Das gilt vor allem für die Festsetzung der Löhne und der anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfGE 94, 268, 284 f.). Auch die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst hat Entgeltcharakter, zählt mithin im weiteren Sinne zum Bereich der Löhne und materiellen Arbeitsbedingungen. Die Gewährung (auch) einer Hinterbliebenenversorgung wiederum ist wesentlicher Teil des den über die Beklagte versicherten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegebenen Leistungsversprechens. Vor diesem Hintergrund betrifft die Festlegung genereller Kriterien für die Bestimmung der Höhe von Hinterbliebenenrenten nicht lediglich einen peripheren Regelungsgegenstand, sondern einen wesentlichen Teil der Versorgungszusage. Die dieser tarifvertraglichen Vorgabe folgende Satzungsbestimmung des § 41 Abs. 5 VBLS n.F. ist deshalb der Inhaltskontrolle nach den AGB-rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entzogen (BGHZ 174 aaO Tz. 32 m.w.N.). Bei der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung solcher Entscheidungen der Tarifvertragsparteien genießt auch der Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben (BGHZ 174 aaO m.w.N.). Insoweit wirkt der Schutz der Tarifautonomie fort, die den Tarifvertragsparteien besondere Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet.

16Da andererseits die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Satz 1 VBLS) eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist die gerichtliche Kontrolle ihrer Satzungsbestimmungen nach ständiger Rechtsprechung neben der Prüfung, ob die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft beachtet sind, jedenfalls darauf zu erstrecken, ob ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt (vgl. BGHZ 174 aaO Tz. 33 f. m.w.N.). Da die Rechtssetzung durch Tarifvertrag in Ausübung eines Grundrechts der Tarifvertragsparteien (Art. 9 Abs. 3 GG) erfolgt, es sich um eine privatautonome Gestaltung auf kollektiver Ebene handelt und dabei die auf der einzelvertraglichen Ebene bestehenden Vertragsparitätsdefizite typischerweise ausgeglichen werden, sind den Tarifvertragsparteien allerdings größere Freiheiten einzuräumen als dem Gesetzgeber. Ihre größere Sachnähe eröffnet ihnen Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber verschlossen sind (vgl. dazu BGHZ 174 aaO Tz. 36; BAGE 69, 257, 269 f. unter Hinweis auf BVerfGE 82, 126, 154).

17Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und die sich daraus ergebende Tarifautonomie werden durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt (vgl. u.a. BVerfGE 100, 271, 283 f.; 103, 293, 306 ff.; BAGE 99, 112, 118 ff.). Entgegenstehende, verfassungsrechtlich begründete Positionen können sich insbesondere aus den Grundrechten der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG und die Grundrechte der vom Tarifvertrag erfassten Personen begrenzen sich mithin wechselseitig. Die Grenzen sind durch einen möglichst schonenden Ausgleich zu ermitteln, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Diese Maßstäbe sind auch bei der Überprüfung der Satzungsregelungen der Beklagten heranzuziehen (BGHZ 174 aaO Tz. 38).

182. Gemessen daran hält die Neuregelung des § 41 Abs. 5 VBLS der gerichtlichen Kontrolle stand.

19a) Im Urteil vom (BGHZ 169, 122 Tz. 18, 19) hat der Senat ausgesprochen, dass die Hinterbliebenenrente in der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten vor allem Entgeltcharakter hat und es sich deshalb mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, sie wie eine Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung - oder andere ausschließlich fürsorgerisch motivierte Leistungen (etwa die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - §§ 1, 2, 8 Nr. 2, 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII - oder die Hilfe zum Lebensunterhalt - §§ 1, 2, 8 Nr. 1, 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII) - durch eine Einkommensanrechnung auf Dauer vollständig zum Ruhen zu bringen und damit aufzuzehren. Auch die neue Satzung der Beklagten umfasst weiterhin Leistungen zugunsten von Hinterbliebenen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 25 Nr. 1 c und 2 c VBLS), die als Anspruch ausgestaltet und durch Betriebstreue des Verstorbenen mit erdient worden sind (BGHZ 169 aaO, vgl. auch BAG VersR 1979, 1158, 1159). Insoweit besteht von je her ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Privatversicherungsverhältnis und dem gesetzlichen Rentenversicherungsverhältnis (vgl. BVerfGE 70, 101, 111; 58, 81, 110; BSGE 90, 279, 280, 284; 85, 161, 170), der durch die Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einer aus dem Alimentationsgedanken entwickelten betrieblichen Altersversorgung (vgl. BVerfG FamRZ 1996, 1067 zu § 65 VBLS a.F.) auf ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem eher bekräftigt als beseitigt worden ist.

20b) Mit der zum in Kraft gesetzten Neuregelung des § 41 Abs. 5 VBLS und der darin festgeschriebenen Mindestquote von 35% der nach § 38 VBLS zu ermittelnden Hinterbliebenenrente, welche dem Hinterbliebenen ungeachtet der Anrechnung eigener Einkünfte in jedem Falle verbleibt, haben die Tarifvertragsparteien - und ihnen folgend der Satzungsgeber - den vorgenannten verfassungsrechtlichen Bedenken insoweit ausreichend Rechnung getragen, als es nun nicht mehr zu einem vollständigen Aufzehren der Hinterbliebenenrente kommen kann.

21c) Soweit die Revision beanstandet, die verbleibende Mindestquote von 35% der Hinterbliebenenrente genüge quantitativ noch nicht den Anforderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergäben, weil auch diese Kappung der Anrechnung große Teile der Rente aufzehre, ist dem nicht zu folgen.

22aa) Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Satzung der Beklagten die Höhe der Hinterbliebenenversorgung mit Rücksicht auf eigenes Einkommen des versorgungsberechtigten Hinterbliebenen kürzt. Aus dem Umstand, dass die Hinterbliebenenversorgung vom verstorbenen Versicherten als Einkommen erdient worden ist, folgt aus Verfassungsgründen kein Anspruch des Hinterbliebenen auf eine ungekürzte Auszahlung derjenigen Rente, die dem verstorbenen Versicherten zugestanden hätte. Vielmehr ist die Beklagte als Versicherer im Rahmen der Privatautonomie zunächst frei darin, ihr Leistungsversprechen insoweit einzuschränken. Das ergibt sich schon daraus, dass auch die Hinterbliebenenrente in der Zusatzversorgung der Beklagten - insoweit vergleichbar mit der Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung - ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. insoweit für die gesetzliche Rentenversicherung: BVerfGE 97, 271, 285). Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich mithin lediglich ableiten, dass wegen des Entgeltcharakters der Versicherungsleistung dem Hinterbliebenen selbst dann, wenn er über ausreichende eigene Einkünfte verfügt, ein nennenswerter Rest des vom Verstorbenen erdienten Rentenanspruchs verbleiben muss ( IVa ZR 192/82 - VersR 1985, 759 unter 2 und BGHZ 169, 122 Tz. 18, 19).

23bb) Soweit sich die Tarifvertragsparteien bei der Ruhensregelung auf eine Mindesthinterbliebenenrente von 35% geeinigt haben, hält das der gerichtlichen Kontrolle stand. Insoweit haben sie - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - von ihrem weiten Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Mit dem Erhalt von zumindest mehr als einem Drittel der Hinterbliebenenrente für den Rentenempfänger ist dem Gebot, dass die Rente nicht "aufgezehrt" werden dürfe, ausreichend Genüge getan (zum Begriff der "völligen Entwertung" im Rahmen des § 53 BeamtVG vgl. auch BVerwGE 120, 154, 165). Die Tarifvertragsparteien waren nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (vgl. BGHZ 174, 127 Tz. 35). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass sich - worauf das Berufungsurteil verweist - die Höhe der maximalen Anrechnung eigenen Einkommens im Ergebnis nicht sehr von der Regelung in § 53 Abs. 5 BeamtVG unterscheidet. Denn daraus kann nicht entnommen werden, dass sich die Tarifvertragsparteien in Verkennung der Unterschiede zwischen Beamten- und Zusatzversorgung fehlerhaft an den Vorgaben des Beamtenversorgungsrechts orientiert hätten. Vielmehr haben sie in § 41 Abs. 5 VBLS eine eigenständige Regelung getroffen. Insofern ist es auch nicht von Belang, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die von § 53 Abs. 5 BeamtVG vorgesehenen Anrechnungsmaßstäbe für die Zusatzversorgung der Beklagten nicht unterschritten werden dürfen. Maßstab für die gerichtliche Kontrolle war hier allein, ob die Neuregelung des § 41 Abs. 5 VBLS ein vollständiges Aufzehren der Betriebsrente der Verstorbenen ausreichend vermeidet.

24cc) Die Neuregelung verstößt schon deshalb nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Zusatzversorgung dem Schutzbereich dieses Grundrechts nicht unterfällt (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung BVerfGE 97, 271, 283 ff.). Zwar können zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen auch Ansprüche und Anwartschaften auf Rentenleistungen gehören, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf dessen nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (BVerfG aaO m.w.N.). Es fehlt hier aber bereits an einer ausschließlichen, privatnützigen Zuordnung, denn die Hinterbliebenenleistung aus der Zusatzversicherung der Beklagten erstarkt nicht schon nach Ablauf einer Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht, sondern ist von weiteren Voraussetzungen abhängig. So kann eine Witwerrente nur beansprucht werden, wenn der Versicherte im Todeszeitpunkt mit dem Anspruchsteller in gültiger Ehe gelebt hat. Der Anspruch erlischt sowohl bei Vorversterben wie auch bei Wiederheirat des Anspruchstellers. Es fehlt weiter die Anknüpfung des Rentenanspruchs an eine individuell zurechenbare Eigenleistung des Rentenberechtigten, denn ähnlich wie bei der gesetzlichen Rente wird die Hinterbliebenenrente als Element des sozialen Ausgleichs dem Rentenempfänger ohne eigene Beitragsleistung und ohne erhöhte Beitragslast für den Versicherten gewährt (BVerfGE aaO).

25dd) Auch aus den von der Revision ins Feld geführten europarechtlichen Vorgaben folgt nichts anderes. Dass der Europäische Gerichtshof Leistungen aus einer berufsständischen Versorgung als Entgelt im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom (ABl. EG Nr. L 303 vom S. 16 ff.) sowie der Antidiskriminierungsbestimmung in Art. 141 des EG-Vertrages eingestuft hat ( - Slg. 2008 Seite I-01757-01816), steht nicht in Widerspruch zur Senatsrechtsprechung, welche das Verbot des Aufzehrens solcher Rentenleistungen durch Ruhensbestimmungen ebenfalls aus diesem Entgeltcharakter ableitet (BGHZ 169, 122 Tz. 17). Für die Höhe der zulässigen Kürzung einer Hinterbliebenenrente mit Blick auf eigene Einkünfte des Rentenberechtigten ergeben sich daraus jedoch keine konkreten Vorgaben.

26d) Die rückwirkende Inkraftsetzung der erst am vom Verwaltungsrat der Beklagten beschlossenen Neuregelung des § 41 Abs. 5 VBLS zum verletzt nicht das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Gebot des Vertrauensschutzes.

27aa) Allerdings gebietet die Rechtssicherheit als wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit einer Norm getäuscht wird. Eine verschlechternde Rückwirkung ist deshalb grundsätzlich unvereinbar mit dem insoweit gewährleisteten Vertrauensschutz. Nur in Ausnahmefällen ist eine nachträgliche Verschlechterung der Rechtslage zulässig. Die dazu vom Bundesverfassungsgericht für den Gesetzgeber entwickelten Maßstäbe (BVerfGE 18, 429, 439; 24, 75, 98) sind auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten (BGHZ 174, 127 Tz. 53; BAG NZA 2006, 1285, 1288 m.w.N.).

28bb) Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen liegt dann vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Bestimmung und der Eintritt ihrer Rechtsfolge auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, die vor demjenigen liegt, zu dem die Bestimmung gültig geworden ist, so dass mit ihr nachträglich ändernd in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird (vgl. dazu BVerfGE 25, 371, 404; - veröffentlicht in juris Tz. 44).

29Ob ein solcher abgeschlossener Sachverhalt hier bereits gegeben war, obwohl die Beklagte seit dem unter fortdauernder Berufung auf § 41 Abs. 5 VBLS in der vom Senat als unwirksam beanstandeten früheren Fassung keine Rentenzahlungen geleistet hat, kann offen bleiben. Denn jedenfalls ist selbst eine echte Rückwirkung der Neufassung des § 41 Abs. 5 VBLS ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie insoweit voraussehbar war, als die Bezieher von Hinterbliebenenrenten der Beklagten zu Beginn des Jahres 2007 bereits damit rechnen mussten (vgl. dazu BVerfGE 13, 261, 272; 15, 313, 324 f.; 18, 429, 439; 25, 371, 404), dass es zu einer Neuregelung der Ruhensbestimmung käme, die zwar den Beanstandungen des Senats aus der Entscheidung BGHZ 169, 122 Rechnung tragen, nicht aber auf eine Anrechnung eigenen Einkommens der rentenberechtigten Hinterbliebenen auf die Hinterbliebenenrenten vollständig verzichtete. Der Senat (aaO) hatte am die frühere Ruhensbestimmung des § 41 Abs. 5 VBLS lediglich deshalb für unwirksam erklärt, weil sie infolge der unbegrenzten Anrechnungsmöglichkeit dazu führen konnte, dass eine vom verstorbenen Versicherten erdiente Hinterbliebenenrente vollständig aufgezehrt wurde. Die Einkommensanrechnung als solche hatte der Senat im Grundsatz aber nicht beanstandet. Danach lag es nahe, dass die Tarifvertragsparteien und die Beklagte alsbald im Rahmen einer Neuregelung der Satzung bestrebt sein würden, diesen verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine den Rentenempfängern zwar günstigere Anrechnung eigenen Einkommens Rechnung zu tragen, bei der es nicht mehr zur vollständigen Rentenkürzung kommen konnte. Demgegenüber sprach nichts dafür, dass die Beklagte künftig auf jegliche Anrechnung eigenen Einkommens der Hinterbliebenenrentenberechtigten verzichten würde. Insoweit hatte die Senatsentscheidung vom lediglich vorübergehend dazu geführt, dass die Satzung der Beklagten für Hinterbliebenenrenten keine wirksame Ruhensbestimmung mehr enthielt.

30cc) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bestand spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 auch kein geschütztes Vertrauen der Rentenberechtigten mehr darauf, dass dieser vorübergehende Rechtszustand weiterhin fortbestünde.

31Im Falle des Klägers galt dies im Übrigen auch deshalb, weil die Beklagte die Hinterbliebenenrente nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab dem unter Berufung auf die vom Senat für unwirksam erklärte Ruhensbestimmung nicht auszahlte. Ungeachtet dessen, dass dieses Verhalten zunächst nicht mehr der aktuellen Satzungslage entsprach, konnte der Kläger daraus entnehmen, dass die Beklagte plante, die Ruhensbestimmung binnen kurzer Zeit durch eine verfassungskonforme Neuregelung zu ersetzen und dabei im Grundsatz an einer Einkommensanrechnung festzuhalten.

Terno                                                   Seiffert                                         Wendt

                     Dr. Kessal-Wulf                                         Felsch

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IAAAD-40313