Private Fahrzeugnutzung als Arbeitslohn oder vGA
Leitsatz
1. Die nachhaltige „vertragswidrige” private Nutzung eines betrieblichen PKW durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht stets als vGA zu beurteilen.
2. Unterbindet die Kapitalgesellschaft die unbefugte Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung (vGA oder Arbeitslohn) bedarf der wertenden Betrachtung im Einzelfall (Anschluss an , BFHE 225, 33).
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids wegen der Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer.
2An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) waren zunächst A mit 45 %, seine Lebensgefährtin B mit 50 % sowie C mit 5 % beteiligt. Am erwarb A den Geschäftsanteil des C. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin sind A und B.
3Die Klägerin stellte A während des Streitzeitraumes Januar 2003 bis Juli 2005 jeweils folgende PKW zur Verfügung:
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Typ | BMW 750IL | BMW 745I | BMW 760Li |
Bruttolistenpreis
| 105.000 €
| 85.000 €
| 150.800 €
|
Zeitraum | bis 09/2003 | bis 06/2005 | Juli 2005 |
5In dem Anstellungsvertrag mit A ist vereinbart, dass dieser den PKW ausschließlich für geschäftliche Zwecke nutzen darf.
6Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, eine Privatnutzung durch A sei nicht auszuschließen, da weder ein Fahrtenbuch geführt worden sei noch sonst eine Überwachung der Einhaltung des Nutzungsverbots stattgefunden habe. Zudem verfüge A privat nur über ein Saab Cabrio mit Erstzulassung vom und Saisonkennzeichen für April bis Oktober.
7Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte der Auffassung des Lohnsteuer-Außenprüfers, dass die Privatnutzung ab 2001 im Rahmen der 1 %-Regelung als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug zu versteuern sei, und erließ —nachdem sich die Klägerin mit der Übernahme der Lohnsteuer einverstanden erklärt hatte— einen entsprechenden Haftungsbescheid über Lohnsteuer 32.631,88 €, Kirchensteuer 2.936,91 € und Solidaritätszuschlag 1.794,79 €.
8Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Es beurteilte den Vorteil aus der PKW-Nutzung nicht als Lohn, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).
9Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
10Das FA beantragt,
das Urteil des aufzuheben.
11Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
12Die Revision ist begründet. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vertragswidrige Privatnutzung eines betrieblichen PKW durch den Gesellschafter-Geschäftsführer stets als vGA und nicht als Arbeitslohn der Besteuerung zu unterwerfen ist.
131. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890; vom VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; vom VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269).
14a) Sachlohn und damit ein lohnsteuerlich erheblicher Vorteil ist immer dann anzusetzen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer das betriebliche Fahrzeug nicht vertragswidrig privat nutzt, sondern sich auf eine im Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassene Nutzungsgestattung stützen kann (vgl. , BFHE 220, 276; vom I R 83/07, BFH/NV 2009, 417, und vom VI R 81/06, BFHE 225, 33).
15b) Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen den Betriebs-PKW ohne entsprechende Gestattung der Gesellschaft für private Zwecke, liegt eine vGA und kein Arbeitslohn vor. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat keinen Lohncharakter. Denn ein Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, wird nicht „für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG. Vielmehr ist die ohne Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung erfolgende oder darüber hinausgehende, aber auch die einem ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mit veranlasst (BFH-Urteil in BFHE 225, 33).
16c) Allerdings ist in einem solchen Fall der Nutzungsvorteil nicht stets als vGA zu beurteilen. Bei einer nachhaltigen „vertragswidrigen” privaten Nutzung eines betrieblichen PKW durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer liegt der Schluss nahe, dass Nutzungsbeschränkung oder -verbot nicht ernstlich, sondern lediglich formal vereinbart sind, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet. Unterbindet der Arbeitgeber (Kapitalgesellschaft) die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung bedarf dann der wertenden Betrachtung aller Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der immer auch zu berücksichtigen ist, dass die „vertragswidrige” Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit im Arbeitsverhältnis wurzeln kann.
172. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zunächst —u.U. unter Zuhilfenahme des Anscheinsbeweises (, BFHE 223, 12, BStBl II 2009, 280, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300, und vom VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292)— zu untersuchen, ob der betriebliche PKW von A privat genutzt worden ist, und sodann —falls eine private Nutzung festgestellt werden konnte— den Vorteil aus der Privatnutzung der betrieblichen PKW wertend dem Gesellschafts- oder, sofern A Arbeitnehmer der Klägerin i.S. von § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) ist, dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 33).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2012 II Seite 266
BB 2010 S. 1648 Nr. 27
BB 2010 S. 921 Nr. 16
BBK-KN Nr. 63/2010 (Vertragswidrige Pkw-Privatnutzung durch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitslohn )
BFH/NV 2010 S. 1016 Nr. 5
BFH/PR 2010 S. 209 Nr. 6
BStBl II 2012 S. 266 Nr. 6
DB 2010 S. 1484 Nr. 27
DB 2010 S. 6 Nr. 14
DB 2010 S. 762 Nr. 14
DStR 2010 S. 643 Nr. 13
DStR-Aktuell 2010 S. 7 Nr. 13
DStRE 2010 S. 510 Nr. 8
EStB 2010 S. 163 Nr. 5
FR 2010 S. 624 Nr. 13
GStB 2010 S. 22 Nr. 6
GmbH-StB 2010 S. 124 Nr. 5
KÖSDI 2010 S. 16952 Nr. 5
NJW 2010 S. 1488 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2010 S. 1032
StB 2010 S. 138 Nr. 5
StBW 2010 S. 297 Nr. 7
StC 2010 S. 10 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2010 S. 369
YAAAD-40257