Einkünfteerzielungsabsicht bei nur halbjähriger Vermietung einer Ferienwohnung
Leitsatz
Wird ein Ferienobjekt nicht durchweg im ganzen Jahr an wechselnde Feriengäste vermietet und können ortsübliche Vermietungszeiten nicht festgestellt werden, muss die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschuss-Prognose überprüft werden.
Das gilt gleichermaßen, wenn das Ferienobjekt (z.B. in der Wintersaison) überhaupt nicht genutzt und damit auch nicht zur Vermietung bereitgehalten wird. Als maßgebender Zeitpunkt für die Prognose ist auf den Erwerb des Objekts bzw. den Beginn der Vermietung abzustellen.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1, EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Jahren 1992 bis 2000 (Streitjahre) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind Eigentümer eines Ferienhauses mit fünf Betten. Für den Ausbau des Hauses nahmen sie 1993 einen zweckgebundenen Kredit in Anspruch; die Kreditbedingungen sahen ein Verbot der privaten Nutzung des Objektes vor. Die Kläger schlossen Ende September 1996 einen Vermittlungsvertrag mit einem Heimat- und Verkehrsverein (HVV) der Region, wonach dieser die ganzjährige Vermittlung des Ferienhauses gegen ein Entgelt pro vermitteltem Gast übernahm.
2 Die Kläger erklärten in den Streitjahren aus der Vermietung des Ferienhauses ausschließlich Verluste, die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) zunächst erklärungsgemäß veranlagt und im Anschluss an eine Außenprüfung mangels durchgehender Fremdvermietung nur teilweise anerkannt wurden. Nach erfolglosen Einsprüchen gegen die zwischenzeitlich geänderten Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1999 und den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2000 gab das Finanzgericht (FG) der Klage (1. Rechtsgang) statt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des FG mit Beschluss vom IX B 64/07 (BFH/NV 2008, 242) wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache an das FG zurück.
3 Das FG gab im vorliegenden 2. Rechtsgang der Klage erneut statt (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 107). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten die Kläger das Ferienhaus in den Streitjahren ausschließlich fremd vermietet. Für die Streitjahre nach 1993 sei jedoch im Ergebnis nach den nur unvollständig gemachten Angaben und Unterlagen nur eine unterdurchschnittliche Auslastung des Ferienhauses im Vergleich zur Region anzunehmen. Daher sei aufgrund einer Prognose zu prüfen, ob die Kläger einen Totalüberschuss mit ihrem Ferienhaus erzielen können. Dabei sei zu erwarten, dass die Zinsaufwendungen in den weiteren Veranlagungszeiträumen gänzlich entfielen, wenn das Darlehen vollständig getilgt sei. Auch könne davon ausgegangen werden, dass ein Totalüberschuss möglich sei, denn die Erhaltung des Vermietungsobjektes sei für die Kläger unvermeidbar. Bei Steigerung der Bemühungen um die Bekanntheit des Urlaubsgebietes und erwartbarer Änderung des Urlaubsverhaltens erscheine es möglich, dass die Kläger dauerhaft höhere Einnahmen als Werbungskosten erzielen können. Daher sei in den Streitjahren von einer vorhandenen Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen.
4 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5 Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
6 Sie sind der Ansicht, das FG habe aufgrund zutreffender Prognoseentscheidung einen Totalüberschuss über einen Zeitraum von 30 Jahren für möglich gehalten. Dabei würden die Kläger überwiegend die ortsüblichen Vermietungszeiten erreichen, wie auch die Umsatzzahlen der Kläger und die neueren Auslastungszahlen des HVV belegten.
7 II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur (erneuten) Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zu Unrecht hat das FG sein Urteil aufgrund einer nicht den BFH-Grundsätzen entsprechenden Prognose gefällt und daher § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verletzt. Mangels entsprechender Feststellungen des FG ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt.
8 1. a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Dies gilt bei ausschließlich an Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen/Ferienhäuser, wenn deren Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit —abgesehen von Vermietungshindernissen— nicht erheblich (d.h. um mindestens 25 %) unterschreitet (ständige Rechtsprechung, s. , BFHE 215, 112, BStBl II 2007, 256, m.w.N.; zur Vergleichbarkeit von ganzjähriger Ferienvermietung mit einer auf Dauer angelegten Vermietung s. , BFHE 222, 478, BStBl II 2009, 138; eingehend , BFHE 208, 151, BStBl II 2005, 388, unter II.2.c, m.w.N.).
9 b) Hat der Steuerpflichtige das Ferienobjekt indes neben der Vermietung auch selbst genutzt oder hat er sich (z.B. bei der Vermietung durch einen Dritten) eine Selbstnutzung vorbehalten, sind die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 nicht anwendbar. In diesen Fällen ist anhand einer Überschussprognose zu prüfen, ob der Steuerpflichtige das Ferienobjekt gleichwohl mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat (, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726).
10 Ob eine Selbstnutzung vorliegt oder die Ferienwohnung ohne jegliche Selbstnutzung dauernd zur Vermietung angeboten und bereitgehalten worden ist, ist Sache der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, das nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.h). Dabei sind auch spätere Tatsachen und Ereignisse zu berücksichtigen (vgl. , BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650; vom IX R 30/05, BFH/NV 2008, 202, unter II.1.b), wenn sie bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren; die Verhältnisse bereits abgelaufener Zeiträume können wichtige Anhaltspunkte liefern (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.e). Den Steuerpflichtigen trifft im Zweifel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht (vgl. , BFH/NV 2006, 720; BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) in gleicher Weise wie für die Voraussetzungen der Typisierung (BFH-Urteil in BFHE 222, 478, BStBl II 2009, 138).
11 c) Wird daher ein Ferienobjekt nicht durchweg im ganzen Jahr an wechselnde Feriengäste vermietet und können ortsübliche Vermietungszeiten nicht festgestellt werden, ist das Vermieten mit einer auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit nicht vergleichbar. Die Einkünfteerzielungsabsicht muss dann durch eine den Anforderungen des BFH-Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 entsprechende Prognose überprüft werden. Das gilt gleichermaßen, wenn das Ferienobjekt (z.B. in der Wintersaison) überhaupt nicht genutzt und damit auch nicht zur Vermietung bereitgehalten wird. Als maßgebender Zeitpunkt für die Prognose ist auf den Erwerb des Objekts bzw. den Beginn der Vermietung abzustellen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.d,g; vom IX R 51/07, BFH/NV 2009, 157).
12 2. Diesen Maßstäben widerspricht die Vorentscheidung, insbesondere die vom FG angestellte Prognose; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Mangels ordnungsgemäß durchgeführter Prognose kann der Senat nicht abschließend über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger bezüglich ihres Ferienhauses entscheiden; die Überschussprognose hat das FG als Tatsacheninstanz nachzuholen.
13 a) Das FG ist —ungeachtet fehlender Feststellungen zu örtlichen Vermietungszeiten im Unterschied zur regionalen Bettenauslastung— im Ergebnis zu Recht von der Notwendigkeit einer Überschussprognose ausgegangen. Denn trotz der ganzjährigen Vermittlungsverpflichtung des HVV und der achtjährigen Bindung des erhaltenen Darlehens für nur touristische Zwecke war —schon nach den eigenen Angaben der Kläger— in der jeweiligen Wintersaison eine ausschließliche Vermietung an Feriengäste oder ein Bereithalten dafür nicht vorgesehen. Im Übrigen war jedenfalls im Streitjahr 2000 nach Aussage des Zeugen eine Selbstnutzung des Ferienhauses anlässlich der Geburtstagsfeier der Klägerin gegeben.
14 b) Entsprechend hat das FG eine Überschussprognose durchzuführen, und zwar nach den im BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 (dort unter II.1.e) niedergelegten Grundsätzen. Maßgebender Zeitpunkt für die Prognose ist hier der Beginn der Vermietung Ende 1993, Anfang 1994. Auch spätere Tatsachen und Ereignisse (z.B. aus bereits abgelaufenen Zeiträumen) sind als Anhaltspunkte zu berücksichtigen. Das trifft indes für die von den Klägern aufgezählten Vorgänge in den Jahren 2000 bis 2007 (Einbruch, Hochwasser, Brand) mangels Vorhersehbarkeit nicht zu. Auch die vom FG angestellten vagen Vermutungen (zum Entfallen der Zinsaufwendungen, „Steigerung der Bemühungen um die Bekanntheit des Urlaubsgebietes”, „erwartbare Änderung des Urlaubsverhaltens”) können nur dann in die Prognose Eingang finden, wenn sie aus der Sicht des maßgebenden Prognosezeitpunktes auf eine belastbare Tatsachengrundlage gestellt werden.
15 Damit das FG nicht erneut —trotz deutlicher Hinweise schon im ersten Zurückverweisungsbeschluss (in BFH/NV 2008, 242)— ohne hinreichende Feststellungen entscheidet, wird die Sache an den Vollsenat des FG zurückverwiesen.
16 c) Hat die Revision schon aus materiellen Gründen Erfolg, braucht über die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht entschieden zu werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 850 Nr. 5
StBW 2010 S. 487 Nr. 11
CAAAD-40098