Voraussetzungen für die Beiladung eines Dritten i.S.v. § 174 Abs. 5
Gesetze: FGO § 60, AO § 174 Abs. 4, AO § 174 Abs. 5
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1998 alleiniger Aktionär einer Aktiengesellschaft (AG); aus unternehmerischen Erwägungen entschlossen sich der Kläger und seine Ehefrau (die Beigeladene), den zwischen ihnen bestehenden Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufzuheben und den bisher erworbenen Zugewinn auszugleichen. Zu diesem Zweck vereinbarten und vollzogen der Kläger und die Beigeladene mit notariell beurkundetem Vertrag vom die Übertragung von 50 % der Aktien des Klägers an der AG. Im Hauptsacheverfahren ist streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Übertragungsvorgang im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom zu Recht als Veräußerung i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes gewertet hat.
2 Mit Schriftsatz vom beantragte das FA, die Ehefrau des Klägers nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) zum Hauptsacheverfahren beizuladen. Das FA vertrat die Auffassung, dass —ausgehend von der seitens des Finanzgerichts (FG) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geäußerten Rechtsauffassung— der Übertragungsvorgang auch als (teilweise) unentgeltliches Rechtsgeschäft zwischen den Ehegatten angesehen werden könnte. Sollte auch im Hauptsacheverfahren eine dahingehende Entscheidung des FG ergehen, seien die richtigen schenkungsteuerrechtlichen Folgen gegenüber der beizuladenden Ehefrau zu ziehen.
3 Mit Beschluss vom hat das FG die Ehefrau des Klägers zum Hauptsacheverfahren beigeladen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers; er vertritt die Auffassung, dass eine Beiladung im Streitfall wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung des vermeintlichen Schenkungssteueranspruchs nicht mehr zulässig sei. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
4 II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO angenommen.
5 1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist eine Beiladung —unabhängig von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO)— zulässig, wenn ein Steuerbescheid i.S. des § 174 Abs. 4 AO wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts möglicherweise aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem Dritten zu ziehen sind. Um diese Korrekturmöglichkeit zu gewährleisten, kann das FA die Beiladung des Dritten in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Für diese Beiladung genügt es, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht; sie kann nur unterbleiben, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 137/04, BFH/NV 2005, 835; vom XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308).
6 2. Im Streitfall besteht die Möglichkeit, dass der Kläger mit seiner Auffassung durchdringt, die Übertragung des Aktienpakets an der AG auf die Beigeladene stelle entgegen der Auffassung des FA keinen (oder lediglich einen teil-)entgeltlichen Vorgang dar. Dies führt möglicherweise dazu, dass der bezeichnete Übertragungsvorgang bei der Beigeladenen unter schenkungsteuerrechtlichen Aspekten zu würdigen ist. Das FG musste bei dieser Sachlage dem Beiladungsbegehren folgen, selbst wenn das FA —wie der Kläger vorträgt— mit der Beiladung die Möglichkeit verfolgen sollte, bisher gegenüber der Beigeladenen unterlassene und mittlerweile auch verjährte Schritte nachzuholen; es genügt, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 308).
7 Eine Beiladung des Dritten i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 4 AO kann deshalb nur dann unterbleiben, wenn dessen Interessen durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können; mit Blick auf den erhobenen Verjährungseinwand könnte eine Beiladung mithin nur dann unterbleiben, wenn dem Erlass von auf § 174 Abs. 5 Satz 1 AO gestützten erstmaligen Schenkungssteuerbescheiden gegenüber der Beigeladenen zweifelsfrei der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstünde. Dies ist indes nicht der Fall. Zwar spricht manches dafür, dass, wie der Kläger vorträgt, das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt in die seinerzeit von dem beklagten FA, der Oberfinanzdirektion sowie dem Finanzministerium angestellten schenkungsteuerrechtlichen Überlegungen eingebunden war. Andererseits hat das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt im Hauptsacheverfahren mit Schreiben vom mitgeteilt, in den dortigen Akten lägen keine Erkenntnisse oder Unterlagen über Schenkungen des Klägers an die Beigeladene im Streitjahr vor. Vor diesem Hintergrund steht nicht eindeutig und zweifelsfrei fest, dass etwaige Folgeänderungen nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 4 AO gegenüber der Beigeladenen wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr vorgenommen werden könnten. Diese Entscheidung darf die Beiladung auch nicht vorwegnehmen; sie ist nicht im Beiladungsverfahren, sondern in einem etwaigen Folgeänderungsverfahren zu entscheiden (, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 210 Nr. 7
BFH/NV 2010 S. 832 Nr. 5
OAAAD-40094