Fortführung einer Arztpraxis durch den Insolvenzverwalter: Wirksamkeit von Vorausverfügungen über ärztliche Vergütungsansprüche
Leitsatz
Vorausverfügungen des Schuldners über Ansprüche, die sich gegen eine ärztliche Abrechnungsstelle richten, sind für die Zeit nach Verfahrenseröffnung auch nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO unwirksam, sofern der Verwalter die Arztpraxis fortführt (Bestätigung von BGH, , IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363) .
Gesetze: § 35 Abs 2 InsO, § 91 Abs 1 InsO, § 114 Abs 1 InsO
Instanzenzug: Az: 22 U 107/08 Urteilvorgehend Az: 3 O 447/07 Urteil
Gründe
1 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil sie keinen Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO aufdeckt.
2 1. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob die Unwirksamkeit von Verfügungen, durch die der Schuldner Forderungen auf Vergütung von ärztlichen Leistungen abgetreten oder verpfändet hat, die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten ärztlichen Leistungen beruhen (BGHZ 167, 363), auch nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO weiter gilt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Zweck des § 35 Abs. 2 InsO ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu eröffnen, eine für die Masse verlustbringende Betriebsfortführung an den Schuldner freizugeben (BT-Drucks. 16/3227 S. 17). Ist die Tätigkeit ertragreich, soll er sie mit der Masse fortführen können. Den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind, bezweckt die Regelung nicht. Den von der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hergestellten Zusammenhang zwischen der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO und der der §§ 91, 114 Abs. 1 InsO gibt es nicht. Die gegenteilige Sicht hätte zur Folge, dass sich der Verwalter ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Schuldners für eine Freigabe entscheiden müsste, weil er anderenfalls die Fortführung finanzieren müsste, ohne - jedenfalls für die Dauer von zwei Jahren - die Gegenleistung zur Masse ziehen zu können.
3 2. Die Entscheidung BGHZ 167, 363 ist in Rechtsprechung und Schrifttum auf breite Zustimmung gestoßen (vgl. OLG Düsseldorf ZVI 2008, 429; LG Mosbach ZInsO 2009, 198, 200; Bräuer InvO 2006, 413, 416; Ries ZVI 2007, 398, 399; Runkel ZVI 2007, 45, 51; HK-InsO/Linck, 5. Aufl. § 114 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Ahrendt, 3. Aufl. § 114 Rn. 3; Moll in Kübler/Prütting/Bork, § 114 Rn. 19 f). Soweit es an dem Urteil vereinzelte Kritik gegeben hat (MünchKomm-InsO/Löwisch/Caspers, 2. Aufl. § 114 Rn. 4), sieht der Senat keinen Anlass, sich mit der Rechtsfrage erneut zu befassen. Der Grundgedanke der Entscheidung, dass die Erträge einer auf Kosten der Masse durchgeführten Betriebsfortführung nicht einem einzelnen Zessionar zufließen dürfen, gilt ungeachtet des Hinweises auf mögliche Schwierigkeiten der Angehörigen freier Berufe, Betriebsmittelkredite zu erlangen. Die Anerkennung des Absonderungsrechts nach Verfahrenseröffnung würde nur dazu führen, dass die Fortführung der Praxis sofort beendet werden müsste (vgl. Bräuer aaO S. 416).
4 Im Übrigen wird von einer Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 6 Nr. 12
DStR-Aktuell 2010 S. 14 Nr. 15
NJW-RR 2010 S. 860 Nr. 12
WM 2010 S. 567 Nr. 12
ZIP 2010 S. 587 Nr. 12
JAAAD-39939