BFH Beschluss v. - I B 58/09

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (hier: Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes)

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 4

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Streitpunkt ist die Bemessung der Kirchensteuer bei glaubensverschiedener Ehe.

2 Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (2004 bis 2008) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kläger war in den Streitjahren Mitglied der evangelischen Kirche in Thüringen; die Klägerin gehörte keiner steuererhebenden Kirche an.

3 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte gegenüber dem Kläger für die Streitjahre Kirchensteuer und Kirchensteuervorauszahlungen fest. Als Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer legte das FA unter Berufung auf § 5 Abs. 2 Satz 1 des Thüringer Gesetzes zur Regelung des Kirchensteuerwesens (Thüringer Kirchensteuergesetz —ThürKiStG—) vom (Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen 2000, 12) den Teil der gemeinsamen Einkommensteuer der Kläger zugrunde, der bei (fiktiver) getrennter Veranlagung auf den Kläger entfallen würde.

4 Die Kläger halten diese Berechnungsweise für verfassungswidrig, weil sie dazu führe, dass die Einkünfte der Klägerin, welche den einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrag in den Streitjahren nur geringfügig überschritten bzw. unterschritten hätten, im Ergebnis größtenteils zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer des —über höhere Einkünfte verfügenden— Klägers hinzugerechnet würden; dadurch würden der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG verletzt.

5 Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg; das klageabweisende Urteil des ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1250 abgedruckt.

6 Die Kläger beantragen mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil. Sie stützen ihr Begehren auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts.

7 Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

8 II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend dargetan.

9 1. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer zunächst eine für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Erforderlich ist des Weiteren ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890; vom VIII B 50/98, BFH/NV 1999, 1220).

10 Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung ein an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierter Vortrag erforderlich (, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (Senatsbeschluss vom I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, m.w.N.). Entsprechende Anforderungen sind an die Begründung des Zulassungsgrunds der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zu stellen, bei dem es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision handelt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 38).

11 2. Dem werden die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.

12 a) Es fehlt bereits an der Ausformulierung konkreter Rechtsfragen, deren grundsätzliche Bedeutung geprüft werden könnte. Die Kläger tragen in erster Linie —in der Manier einer Revisionsbegründung und in teilweise wörtlicher Wiederholung ihrer Klagebegründung— vor, warum aus ihrer Sicht die Abweisung der Klage der Klägerin als unzulässig „nicht nachvollziehbar” sei und aus welchen Gründen sie die vom FG bestätigte Berechnung der Kirchensteuer des Klägers durch das FA für verfassungswidrig halten. Zum Schluss der Beschwerdebegründung leiten sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts allgemein und ohne nähere Eingrenzung aus der „verfassungsrechtlichen Relevanz” und daraus ab, dass die Grenzen der Ermessensausübung des Gesetzgebers „in diesen Fallkonstellationen” noch nicht geklärt seien.

13 Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Ihm kann nicht entnommen werden, ob und in welchem Umfang die Kläger eine bestimmte Gesetzesnorm zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stellen wollen —die Bestimmung des § 5 Abs. 2 ThürKiStG wird in der Beschwerdebegründung nicht erwähnt— oder ob sich die verfassungsrechtlichen Bedenken auf die Auslegung und Umsetzung des Thüringer Kirchensteuergesetzes durch FA und FG beziehen. Allenfalls indirekt lässt sich aus dem Umstand, dass die Kläger mehrfach auf die Grenzen des „Ermessensspielraums” des Gesetzgebers abstellen, darauf schließen, dass sie offenbar —zumindest teilweise— die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung infrage stellen.

14 b) Darüber hinaus fehlt es an jeglicher —an der Rechtsprechung des BVerfG orientierten— Befassung mit den Anwendungs- und Schutzbereichen der geltend gemachten Grundrechte und deren Verhältnis zu der von BVerfG und BFH dem Gesetzgeber zugestandenen Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung bei der Ordnung steuerrechtlicher Massenerscheinungen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214; vom 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; vom 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom I R 76/08, BFHE 225, 566), zu denen auch die Erhebung und Festsetzung der Kirchensteuer gehört.

15 Des Weiteren setzen sich die Kläger nicht mit den Entscheidungen des BVerfG und des BFH auseinander, die das FG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils für die Verfassungsmäßigkeit der im Streitfall vorgenommenen Bemessung der Kirchensteuer ins Feld geführt hat. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das Urteil des beschließenden Senats vom I R 114/98 (BFH/NV 2000, 1245), das eine Bemessung der Kirchensteuer betrifft, die strukturell der hier in Rede stehenden ähnlich ist. Die Kläger grenzen zwar die im Streitfall gegebene Konstellation von derjenigen des bei glaubensverschiedener Ehe in einigen Bundesländern erhobenen besonderen Kirchgelds ab, welches nach der die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen betreffenden Senatsrechtsprechung nicht verfassungswidrig ist (z.B. Senatsurteil vom I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274). Daraus lassen sich aber keine Folgerungen in Richtung einer Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Berechnungsweise der Kirchensteuer des Klägers ziehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 905 Nr. 5
OAAAD-39583