Keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer bei Einbeziehung von Freilosen
Leitsatz
Die dem Teilnehmer an einer "Internet-Sofortlotterie" angezeigten sog. animierten Freilose sind nicht in die Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer gemäß § 17 Satz 3 RennwLottG einzubeziehen, wenn sie dem Teilnehmer von vornherein objektiv keine erneute Gewinnchance und auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des für die Spielteilnahme gezahlten Einsatzes vermitteln.
Das Vorliegen und die Höhe eines Einsatzes bestimmen sich nach objektiven Merkmalen. Die in der Rechtsprechung des BFH für die Frage, ob und inwieweit in einer Leistung ein Einsatz zu erblicken ist, als entscheidend bezeichnete subjektive Auffassung der Teilnehmer an der Veranstaltung ist nur bedeutsam, sofern ein versteckter Einsatz zu erbringen ist. Bei einem offenen Einsatz in Gestalt des zu entrichtenden Lospreises ist die subjektive Auffassung der Spielteilnehmer ohne Bedeutung.
Gesetze: RennwLottG § 17
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) veranstaltete im Jahr 2006 eine staatlich genehmigte Lotterie im Internet („Internet-Sofortlotterie”).
2 Zu jeder Serie mit 1 Million Losen zum Preis von je 0,50 € wurden 150 000 Freilose vergeben. Sie vermittelten dem Teilnehmer den Eindruck, als berechtigten sie zu einem kostenlosen zweiten Spiel. Tatsächlich stand der Gewinnentscheid mit dem Loserwerb sofort fest, indem ein Zufallsgenerator in einer für den Teilnehmer nicht erkennbaren Weise bereits nach dem Kauf eines jeden Loses das Endergebnis (Gewinn oder Niete) und sogleich für knapp 1/7 der Teilnehmer (150 000 zu 1 Million) ein Freilos ermittelte. Bei den Teilnehmern, für die der Zufallsgenerator ein Freilos ermittelte, erschien zunächst die Animation eines Freiloses und nach einigen Sekunden das Ergebnis der eigentlichen Ziehung, während bei den übrigen Teilnehmern sofort der Gewinn oder die Niete angezeigt wurde. Eine Abfolge von zwei oder mehr Freilosen (Freiloskette) war nicht möglich. Die Freilose waren in dem Gewinnplan der Lotterie, der die Ausschüttung von 50 v.H. der Einsätze vorsah, nicht als Gewinn enthalten.
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) bezog die Freilose zu 0,50 € je Los in die Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer ein. Aus der Sicht der Spielteilnehmer stellten die Freilose einen Vermögensvorteil dar, der als weiterer Einsatz für das zweite Spiel gezahlt werde.
4 Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Der Teilnehmer erlange durch das nur animierte „Freilos” keine neue Gewinnchance und damit auch objektiv keinen geldwerten Vorteil. Auf die subjektive Wahrnehmung des Spielteilnehmers, ihm werde durch das „Freilos” eine erneute Gewinnchance vermittelt, komme es nicht an.
5 Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 17 Satz 3 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG).
6 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Freilose nicht in die Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer einzubeziehen sind.
9 1. Die von der Klägerin veranstaltete „Internet-Sofortlotterie” erfüllt die Merkmale einer nach § 17 Satz 1 RennwLottG steuerbaren Lotterie. Eine solche ist eine Veranstaltung, bei der einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen einen bestimmten Geldeinsatz ein vom Eintritt eines zufälligen Ereignisses abhängiges Recht auf einen bestimmten Geldgewinn zu erwerben (Urteil des Reichsfinanzhofs vom II A 608/28, Mrozek-Kartei RennwLottG, § 17, Rechtsspruch Nr. 38; , BFHE 121, 534, BStBl II 1977, 495, m.w.N.).
10 2. Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer ist gemäß § 17 Satz 3 RennwLottG der planmäßige Preis (Nennwert) sämtlicher Lose; dieser umfasst alle vom Spielteilnehmer für den Erwerb des Loses zu bewirkenden Leistungen und insbesondere den von ihm zu leistenden Einsatz. Als (offener oder versteckter) Einsatz kommt jede Leistung —bzw. aus der Sicht des Veranstalters jeder Vermögensvorteil— in Betracht, die bzw. den der Spieler (Teilnehmer) dem Veranstalter einer Lotterie als Entgelt für die Einräumung einer Gewinnhoffnung gewähren muss (, BFHE 74, 444, BStBl III 1962, 166; vom II 6/64, BFHE 94, 87, BStBl II 1969, 46). Das Vorliegen und die Höhe eines Einsatzes bestimmen sich nach objektiven Merkmalen. Die in der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil in BFHE 94, 87, BStBl II 1969, 46, m.w.N.) für die Frage, ob und inwieweit in einer Leistung ein Einsatz zu erblicken ist, als entscheidend bezeichnete subjektive Auffassung der Teilnehmer an der Veranstaltung ist nur bedeutsam, sofern ein versteckter Einsatz zu erbringen ist. Bei einem —wie hier— offenen Einsatz in Gestalt des zu entrichtenden Lospreises ist die subjektive Auffassung der Spielteilnehmer ohne Bedeutung.
11 3. Nach diesen Grundsätzen fehlt es für die im Streitfall lediglich animierten Freilose an einem von dem Teilnehmer insoweit erbrachten (weiteren) Einsatz und damit an einem planmäßigen Preis. Die dem Spielteilnehmer angezeigten Freilose vermittelten diesem von vornherein objektiv keine erneute Gewinnchance und auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des für die Spielteilnahme gezahlten Einsatzes. Die Wirkung des zugelosten Freiloses erschöpfte sich allein darin, dass die Darstellung des schon ermittelten endgültigen Spielergebnisses um eine kurze Zeit verzögert wurde.
12 Ob die Darstellung des Spielablaufs bei einem Spielteilnehmer zu dem subjektiven Empfinden führt, ihm werde durch das angezeigte Freilos tatsächlich eine erneute Spiel- und Gewinnchance eröffnet, ist schon deshalb unerheblich, weil es objektiv an einer erneuten Gewinnchance fehlt.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 952 Nr. 5
UAAAD-39260