BVerwG Beschluss v. - 8 B 107.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: VG Dresden, 6 K 42/07 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Divergenzrügen ergeben eine die Revision eröffnende Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht; denn eine solche wird nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ( BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz noch denen einer Grundsatzrüge ( BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).

Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht berücksichtigt, dass durch Zustellung eines Mahnbescheides rechtzeitig Klage im Sinne des § 74 VwGO erhoben werden könne und mit der alsbaldigen Abgabe der Streitsache nach Einreichung des Widerspruchs im Mahnverfahren (§ 696 Abs. 3 ZPO) diese rechtshängig ist und im Falle der Verweisung die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen bleiben (§ 17b Abs. 1 Satz 2 GVG). Einen solchen generalisierenden, insbesondere auch die Einhaltung der Klagefrist bei einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage betreffenden Rechtssatz enthält die Entscheidung des nicht - BVerwG 4 C 15.04 - (Buchholz 406.11 § 11 BauGB Nr. 10 Rn. 32 = BVerwGE 124, 385). In der genannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtshängigkeitsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO für die Fallkonstellation für anwendbar gehalten, dass die öffentliche Hand einen Leistungsanspruch gegen den Bürger zunächst mit Mahnbescheid geltend macht, dem sich eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage anschließt. Für die vorliegende Fallvariante, dass der Bürger gegen die öffentliche Hand mit Mahnbescheid einen reinen Zahlungsanspruch geltend macht und sich nach Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht mit Hinweis auf § 696 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG auf die gewahrte Klagefrist des § 74 Abs. 2 VwGO beruft, obwohl nicht Leistungs-, sondern Verpflichtungsklage zu erheben wäre und inzwischen ein ablehnender Versagungsbescheid ergangen ist, ergibt die Entscheidung keinen Aufschluss.

Auch die Entscheidung des BVerwG 2 C 37.00 - (Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 38) verhält sich nicht zu der Frage, ob durch Zustellung eines Mahnbescheids rechtzeitig Klage im Sinne des § 74 VwGO erhoben werden kann und die Wirkungen der Rechtshängigkeit durch Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Verwaltungsgericht bestehen bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat sich mit seiner Entscheidung schon mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts auch nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des BVerwG 1 WB 228.77 - (BVerwGE 63, 187) und vom - BVerwG 1 WB 4.03 - (Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 31) gesetzt. Da das Verwaltungsgericht die Unzulässigkeit der Klage - als selbstständig tragenden Grund - neben der Versäumung der Klagefrist auch darauf gestützt hat, dass der Kläger den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids vor Ergehen des Bescheids vom gestellt hat, und die hiergegen gerichtete (Divergenz-)Rüge nicht durchgreift, kann die Beschwerde insgesamt keinen Erfolg haben. Denn bei einer Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden Begründungen des Verwaltungsgerichts ein Beschwerdegrund geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt. Diese Voraussetzung wird von der Beschwerde nicht erfüllt.

Die fehlerhafte Verneinung der Wahrung der Klagefrist kann einen Verfahrensmangel darstellen (vgl. BVerwG 3 B 93.84 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 66; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 132 VwGO Rn. 110). Die für eine Verpflichtungsklage gemäß § 74 Abs. 2 VwGO einzuhaltende einmonatige Klagefrist könnte nur dann gewahrt sein, wenn die Rechtshängigkeitsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO auch in der vorliegenden Fallkonstellation gilt und die Wirkungen der Rechtshängigkeit auch in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden infolge der Rechtswegverweisung nach § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG erhalten geblieben sind. Das ist hier nicht der Fall, weil der Kläger einerseits mit seinem Mahnantrag vor dem Zivilgericht und andererseits im nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren verschiedene Streitgegenstände geltend gemacht hat. Mit seinem Mahnantrag hat er einen reinen Zahlungsanspruch gegen die öffentliche Hand geltend gemacht (vgl. § 688 Abs. 1 ZPO), während im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Streitgegenstand der Verpflichtungsklage die Rechtsbehauptung des Klägers ist, er sei durch die rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), verbunden mit dem Begehren, bezogen auf die Anspruchs- bzw. Ermächtigungsgrundlage eine positive Entscheidung der Behörde herbeizuführen ( BVerwG 6 C 22.84 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 18 S. 17; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006 Rn. 28 zu § 121 VwGO).

An den unterschiedlichen Streitgegenständen ändert es entgegen der Auffassung des Klägers nichts, dass in dem Mahnbescheid vom die Forderung als "Entschädigungsanspruch aus Vermögen der ehemaligen PGH ..." bezeichnet und das Aktenzeichen des - mit Schreiben des Sächsischen Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom übersandten - beabsichtigten Bescheids angegeben ist. Denn der geltend gemachte Zahlungsanspruch lässt nicht erkennen, dass sich der Kläger gegen die seiner Ansicht nach rechtswidrige Versagung des beantragten Bescheids wendet, wie es für eine Verpflichtungsklage erforderlich ist. Erst seiner "Klage in der Mahnsache" vom , die beim Amtsgericht H. am eingegangen ist, kann im Wege der Auslegung das Ziel einer Verpflichtungsklage entnommen werden. Die Einführung des neuen Streitgegenstandes stellt prozessual eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO dar. Für die Einhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 74 VwGO gegen die Versagung des beantragten Bescheids kommt es auf den Zeitpunkt der Klageänderung, d.h. der Einführung des neuen Streitgegenstandes in das gerichtliche Verfahren, an (vgl. - ZBR 1982, 254 nur Leitsatz). Unabhängig von den dazu vertretenen unterschiedlichen Auffassungen (zum Streitstand vgl. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 90 VwGO Rn. 5) kommt als frühester Zeitpunkt die Prozesserklärung des Klägers über den neuen Streitgegenstand in Betracht. Die Rechtshängigkeit des neuen Streitgegenstandes wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Erhebung der ursprünglichen Klage oder der Zustellung des Mahnbescheids zurück (vgl. BVerwG 3 C 132.70 - BVerwGE 40, 25 <32 f.> = Buchholz 427.3 § 338 LAG Nr. 15; im Ergebnis ebenso VIII ZR 4.87 - BGHZ 103, 20). Nach den Angaben des Klägers ist der Bescheid vom dem Kläger am zugestellt worden. Die einmonatige Klagefrist war mithin zum Zeitpunkt des Eingangs seiner "Klage in der Mahnsache" vom verstrichen.

Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird abgesehen, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
LAAAD-39250