Öffentlich-rechtlicher Vertrag und Grundsatz der Urkundeneinheit oder Einheitlichkeit der Urkunde
Leitsatz
Aus dem Grundsatz der Urkundeneinheit oder Einheitlichkeit der Urkunde (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB), soweit er auf öffentlich-rechtliche Verträge anwendbar ist (§ 57, § 62 Satz 2 VwVfG), folgt nicht, dass ein (hier: aus einem Erschließungs-, einem Ablöse- und einem Umlegungsvertrag) bestehendes komplexes Vertragswerk wegen des zwischen diesen Verträgen bestehenden Sachzusammenhangs in einer einzigen Urkunde zusammengefasst werden muss.
Gesetze: § 126 Abs 2 BGB, § 311b Abs 1 BGB, § 125 BGB, § 313aF BGB, § 124 Abs 1 BauGB, § 124 Abs 2 BauGB, § 57 VwVfG, § 62 VwVfG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 6 A 11224/08 Urteilvorgehend VG Mainz Az: 3 K 274/08
Gründe
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu. Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam:
"Verstößt die Aufspaltung eines einheitlichen öffentlich-rechtlichen Erschließungsvertrages in einen notariell zu beurkundenden grundstücksbezogenen Teilvertrag (eigenständige Urkunde) und in nicht der notariellen Beurkundung unterliegende übrige Teilverträge (eigenständige Urkunden) gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Urkunde im Sinne des § 124 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit § 57 VwVfG und § 126 BGB ?"
2Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzes und bereits vorliegender Rechtsprechung beantwortet, nämlich verneint werden kann und im Übrigen nicht entscheidungserheblich ist.
31. Die Frage beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des Grundsatzes der Urkundeneinheit oder Einheitlichkeit der Urkunde. Dieser aus § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB folgende und über §§ 57, 62 Satz 2 VwVfG auch auf öffentlich-rechtliche Verträge anwendbare Grundsatz betrifft die Frage, ob bei einem Vertragsschluss die U n t e r s c h r i f t e n auf d e r s e l b e n Urkunde geleistet werden müssen oder ob - im Gegensatz und als Minus dazu - auch von einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein getragene, mit Bindungswillen abgegebene schriftliche Vertragserklärungen durch S c h r i f t w e c h s e l einen formgültigen öffentlich-rechtlichen Vertrag zustande bringen können (vgl. BVerwG 11 C 14.93 - BVerwGE 96, 326 <333> und vom - BVerwG 3 A 3.04 - Buchholz 300 § 164 GVG Nr. 2 S. 3; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 57 Rn. 19). Aus § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB folgt dagegen nicht, dass ein komplexes Rechtsgeschäft, das aus mehreren miteinander zusammenhängenden Verträgen besteht und bei dem sich die Unterschriften der Vertragspartner jeweils auf derselben Urkunde befinden, in einer e i n z i g e n Urkunde gegenständlich z u s a m m e n g e f a s s t werden muss. Formvorschriften sind kein Selbstzweck und deshalb unter Berücksichtigung ihres Sinngehalts auszulegen und anzuwenden. Der Sinngehalt des § 57 VwVfG und der in Bezug genommenen Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts liegt in der Warn- und Beweisfunktion der Schriftform (Urteile vom und , jeweils a.a.O.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Warn- und Beweisfunktion vereitelt oder erschwert wird, wenn ein umfangreiches und komplexes Vertragswerk nicht in einer Urkunde zusammengefasst ist, zumal wenn - wie hier - die drei Vertragsurkunden (des Erschließungs-, des Ablöse- und des Umlegungsvertrags) am gleichen Tage bei derselben Veranstaltung unterzeichnet wurden.
4Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Beschwerde angeführten Gerichtsentscheidungen und Literaturstimmen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allein nicht formbedürftiger Vertrag, der mit einem notariell zu beurkundenden Grundstücksvertrag (§ 313 Satz 1 BGB a.F., § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.) rechtlich zusammenhängt, weil die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien miteinander "stehen und fallen", ebenfalls notariell zu beurkunden sein (vgl. - BGHZ 101, 393 <396 f.> und vom - VII ZR 230/07 - NJW-RR 2009, 953 <954>). Doch folgt daraus lediglich die Ausweitung der Beurkundungsbedürftigkeit auch auf den weiteren Vertrag, nicht aber, dass die Verträge in einer einzigen Urkunde zusammengefasst werden müssten.
5Auch insoweit besteht im Streitfall kein Klärungsbedarf. Der Erschließungsvertrag vom , der selbst keine Verpflichtung zur Übereignung von Grundeigentum enthält, ist nicht notariell beurkundet worden. Selbst wenn man annimmt, dass dieser Vertrag wegen des Sachzusammenhangs mit dem notariellen Umlegungsvertrag vom selben Tage, in dem sich die Vertragsparteien zur Übertragung von Grundstücken verpflichtet haben, ebenfalls der notariellen Beurkundung bedurft hätte, wovon das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugunsten des Klägers ausgeht, wäre dieser - unterstellte - Formmangel gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) durch die nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zwischenzeitlich erfolgte Auflassung der fraglichen Grundstücke und Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch geheilt worden (vgl. BVerwG 8 C 77.83 - BVerwGE 70, 247 <257>).
62. Aus dem Vorstehenden folgt weiter, dass die aufgeworfene Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Selbst wenn man der Ansicht der Beschwerde folgte, wäre der von ihr angenommene Verstoß gegen § 126 BGB durch die Auflassung und Eintragung im Grundbuch geheilt. Denn die Heilung gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) erfasst nicht nur Formmängel nach Satz 1 (notarielle Beurkundung), sondern auch Verstöße gegen andere Formvorschriften, die - wie hier - keinen weitergehenden Schutzzweck verfolgen ( - NJW 1978, 1577; Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl. 2007, § 311b Rn. 42), mithin auch einen - hier behaupteten - Verstoß gegen § 126 BGB.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DNotZ 2010 S. 549 Nr. 7
LAAAD-39237