Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen, L 13 AS 210/08 vom SG Oldenburg, S 47 AS 238/08
Gründe
I
Streitig ist, ob dem Kläger vom bis höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zustehen.
Der Kläger mietete zum eine 49,31 qm große Zweizimmerwohnung in W. (Mietvertrag vom ), nachdem er sich von seiner Freundin getrennt und aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Die Bruttokaltmiete für die neue Wohnung betrug 291,90 Euro (Kaltmiete 216,50 Euro, Betriebskosten 75,40 Euro) und die Heizkostenvorauszahlung 70 Euro. Auf seinen Erstantrag - ebenfalls vom - bewilligte der Beklagte dem Kläger neben der Regelleistung Leistungen für KdU in Höhe von 319 Euro für den Monat Dezember 2007 und 324 Euro für die Monate Januar bis Mai 2008. Der Beklagte begründete die Höhe der Leistungen für KdU damit, dass nur die angemessenen Aufwendungen zu übernehmen seien. Der Kläger sei ohne vorherige Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten in die neue Wohnung umgezogen. Die Mietobergrenze für Einpersonenhaushalte nach dem SGB II betrage in W. für Kaltmiete plus Nebenkosten 259 Euro (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ).
Das SG Oldenburg hat den Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum neu zu bescheiden sowie der Leistungsgewährung einen Betrag von 355,64 Euro im Monat als Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legen. Dahinstehen könne, ob der Kläger verpflichtet gewesen sei, vor dem Umzug eine Zusicherung von dem Beklagten einzuholen. Jedenfalls habe er Anspruch auf höhere Unterkunftsleistungen. Es sei nicht erkennbar, wie der Beklagte zu der von ihm angenommenen Mietobergrenze gekommen sei. In einem solchen Fall sei auf die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz - für W. auf einen Betrag von 280 Euro abzustellen. Hinzu komme ein Zuschlag von 10 %, weil die Werte nach der Wohngeldtabelle seit 2001 nicht erhöht worden seien. Die Mietobergrenze betrage daher 308 Euro, die vorliegend nicht überschritten werde. Zudem habe der Beklagte für die Warmwasserbereitung nicht 6,72 Euro, sondern unter Beachtung der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG nur 6,26 Euro in Abzug bringen dürfen. Daher seien dem Kläger Leistungen für Heizkosten in Höhe von 63,74 Euro (70 - 6,26 = 63,74 Euro) zu gewähren (Urteil vom ). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung des Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Der Kläger habe Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe der tatsächlich bruttokalt von ihm zu zahlenden 291,90 Euro sowie der zutreffend vom SG ausgewiesenen 63,74 Euro für Heizung. Der Beklagte habe zwar bei ausreichender Datengrundlage ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenze angewandt. Er habe jedoch unzutreffende Schlüsse gezogen, indem er die sich aus der Ermittlung ergebenden Durchschnittsmieten als angemessene Mieten erachtet habe. Dies stehe zur Produkttheorie im Widerspruch. Es habe vielmehr ein Quadratmeterpreis abgeleitet werden müssen (Urteil vom ).
Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er habe für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur ein schlüssiges Konzept angewandt, sondern hieraus auch zutreffende Schlüsse gezogen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und des Sozialgerichts Oldenburg vom aufzuheben sowie die Klage abzuweisen, soweit dieser stattgegeben wurde.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Der Senat vermochte nicht abschließend über den Anspruch des Klägers auf Leistungen für KdU in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen (abzüglich eines Anteils für Warmwasserbereitung von 6,26 Euro monatlich) zu entscheiden. Zwar ist der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nur verpflichtet, die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Die Absenkung der Leistung für KdU von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten setzt jedoch voraus, dass den Hilfebedürftigen eine Kostensenkungsobliegenheit iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II trifft. Sie trifft ihn nur, wenn er Kenntnis von dieser Obliegenheit hat. Dieses gilt auch, wenn der Hilfebedürftige kurz vor Beginn des Leistungsbezugs eine neue Wohnung zu einem unangemessenen Mietzins anmietet. Der Grundsicherungsträger ist daher zunächst verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Wohnung - in der Regel für längstens sechs Monate - zu tragen, es sei denn der Hilfebedürftige hatte bei Abschluss des Mietvertrags ihm zurechenbar Kenntnis von der Unangemessenheit der Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Einer Zusicherung iS des § 22 Abs 2 SGB II bedarf es im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten vor der Erstantragstellung jedoch nicht.
Zur Höhe der Leistungen für KdU fehlt es an Feststellungen des LSG.
1. Streitig sind im vorliegenden Fall alleine Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Der Beklagte hat - nach Auslegung des Antrags in Verbindung mit seinem Vorbringen - Berufung und Revision zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt (vgl B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Streitig ist der Zeitraum vom bis . Der Kläger hat mit seiner Klage vor dem SG Oldenburg den diesen Zeitraum betreffenden Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom angefochten. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Folgebescheide, die andere Zeiträume betreffen, nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind. § 96 SGG ist bei einer derartigen Konstellation nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht anwendbar (s nur B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; B 7b AS 4/06 R; B 11b AS 45/06 R).
2. Der Kläger ist Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom (BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist er - trotz der von ihm angegebenen gesundheitlichen Einschränkungen - erwerbsfähig. Zum gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers mangelt es zwar an ausdrücklichen Feststellungen des LSG. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen ist jedoch zu ersehen, dass auch die Voraussetzungen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II gegeben waren. Der Kläger war auch hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.
3. Zwar sind als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur die angemessenen Aufwendungen des Hilfebedürftigen zu übernehmen. Der Senat kann nach dem Stand des Verfahrens hier jedoch unentschieden lassen, ob die tatsächlich entstandenen Kosten als angemessene KdU anzusehen sind. Denn ein Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten kann sich hier aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ergeben.
Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft, soweit sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen ... so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen ... nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Vorliegend könnte es an der subjektiven Möglichkeit der Kostensenkung iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II mangeln.
Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl - BSGE 102, 263; so wohl auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/09, § 22 RdNr 63). Dieses entspricht ständiger Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG. So ist nach Auffassung des 14. Senats die erforderliche Kenntnis der Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft zu verneinen, wenn der Grundsicherungsträger bezüglich der Erforderlichkeit einer Kostensenkungsmaßnahme ein widersprüchliches Verhalten gezeigt hat. Ohne diese Kenntnis könnten Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden (). Auch der erkennende Senat sieht, wie schon in der "Münchenentscheidung" angedeutet, den Hilfebedürftigen an Kostensenkungsmaßnahmen gehindert, wenn er durch das Verhalten des Grundsicherungsträgers irregeführt wird ( - BSGE 102, 263). Nichts anderes kann in einer Situation gelten, in der der Hilfebedürftige erstmals Leistungen nach dem SGB II beantragt hat und diese nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur "abgesenkt" bewilligt werden, ohne dass der Hilfebedürftige seine Obliegenheit zur Kostensenkung kennt. Bevor er nicht von dem zuständigen Träger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der vom Hilfebedürftigen gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (so auch im Falle der mietvertraglich unwirksam vereinbarten Miethöhe ).
Dem steht nicht entgegen, dass § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer Kostensenkungsaufforderung enthält ( B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Nach der Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG hat der Hinweis auf die Rechtslage nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zwar allein Aufklärungs- und Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit allerdings, dass der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält (vgl B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff). § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II normiert damit keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Andererseits erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (vgl hierzu auch B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion (vgl hierzu ). Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten (; - BSGE 102, 263) ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen.
Dieses gilt auch dann, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor dem Beginn des Leistungsbezugs eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch sind und er keine Kenntnis von der Unangemessenheit der Mietkosten hat. Der Senat folgt insoweit der abweichenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nicht. Das BVerwG ging bei seiner Rechtsprechung zu § 3 Abs 1 Satz 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) davon aus, dass derjenige, der im Zeitpunkt des Wohnungswechsels Hilfe zum Lebensunterhalt nicht bezieht und eine Wohnung anmietet, hinsichtlich deren Miete er weiß, dass er sie nicht aus eigenen Mitteln werde bestreiten können (vgl - BVerwGE 75, 168; 5 C 14.95 - BVerwGE 101, 194; - 5 C 4/95), von vornherein nicht in den Schutzbereich der genannten Regelung falle. Nach § 3 Abs 1 Satz 2 der RegelsatzVO waren die Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs 1 BSHG zu berücksichtigen war, so lange anzuerkennen, als es dieser Person nicht möglich oder nicht zuzumuten war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Eine derartige Begrenzung der Leistungserbringung für Unterkunftskosten bereits mit Leistungsbeginn ist nach der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht mehr zu rechtfertigen. Danach sind unangemessene Aufwendungen für Unterkunft "in der Regel" für längstens sechs Monate zu übernehmen. Das Gesetz wird damit nun beiden Seiten gerecht. Einerseits zieht es eine zeitliche Regelgrenze für die Übernahme unangemessener Unterkunftskosten und lässt Ausnahmen hiervon zu, andererseits schützt es den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in seinem elementaren Grundbedürfnis nach Sicherung des Wohnraums. Soweit also das BVerwG durch die "Nichtanwendung" der Schutzvorschrift des § 3 Abs 1 Satz 2 RegelsatzVO im Falle der bewussten Anmietung einer sozialhilferechtlich unangemessenen Wohnung vor dem Beginn des Leistungsbezugs eine "Unbilligkeitserwägung" zum Ausdruck bringt, trägt § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II dem bereits dadurch Rechnung, dass er die Übernahme von unangemessenen Kosten in der Regel für längstens sechs Monate begrenzt. Wird mithin bösgläubig, also zurechenbar sowohl in Kenntnis des zu erwartenden SGB II-Leistungsbezugs als auch unangemessener tatsächlicher Kosten der Unterkunft beispielsweise ein Mietvertrag über eine "Luxuswohnung" abgeschlossen, brauchen die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht oder jedenfalls nicht für sechs Monate vom Grundsicherungsträger übernommen zu werden (vgl hierzu B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Da es im vorliegenden Fall an Feststellungen des LSG zu den Umständen des Abschlusses des Mietvertrags des Klägers mangelt, vermochte der Senat nicht zu beurteilen, ob hier ggf abweichend von der Regel auch ohne Kostensenkungsaufforderung - also ohne Aufklärung durch den Grundsicherungsträger - die Aufwendungen für Unterkunft von vornherein nur in abgesenktem Umfang zu übernehmen waren.
In dieses Konzept reiht sich auch die Vorschrift des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II ein. Danach soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft nach Auffassung des Grundsicherungsträgers unangemessen, so wird er die Zustimmung verweigern und dem Hilfebedürftigen zumindest einen Hinweis auf die Gründe für die Verweigerung geben. Dieses Verfahren kann die oben umschriebene Kostensenkungsaufforderung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II unter Umständen ersetzen. Dahinstehen kann, was daraus im Hinblick auf die Übernahme des die angemessenen Kosten für die Unterkunft überschreitenden Betrags folgt, wenn ein Hilfebedürftiger die Einholung einer derartigen Zusicherung versäumt. Den Kläger des vorliegenden Falls traf keine Obliegenheit iS des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II vor dem Abschluss des Mietvertrags für die Wohnung, für die er im zu entscheidenden Rechtsstreit die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten begehrt. Dieses folgt bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II, systematischen Gesichtspunkten, aber auch aus dem Sinn und Zweck dieser Norm.
Nach dem Wortlaut von § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung einholen. Die Obliegenheit ist also auf denjenigen beschränkt, der die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II erfüllt. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen führt jedoch noch nicht zu einem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Erforderlich ist vielmehr eine Antragstellung. Nach § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht. Nur durch den Antrag begibt sich ein Hilfebedürftiger in das System des SGB II und auch nur nach der Antragstellung bzw mit Leistungsbeginn unterliegt er dessen Regeln. Da einen Hilfebedürftigen, der außerhalb des Systems des SGB II steht, auch nicht die Obliegenheiten dieses Leistungssystems treffen, folgt hieraus, dass nur dem sich im Leistungsbezug befindlichen Hilfebedürftigen vor einem Umzug die Einholung einer Zusicherung des Grundsicherungsträgers obliegt (so auch Berlit, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 78). Deswegen ist es auch unbestritten, dass derjenige, der zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw zu Leistungsbeginn bereits eine Wohnung gemietet hatte, auch hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung dem System des SGB II unterworfen wird, ohne dass er sogleich mit der Übernahme der nur angemessenen Mietkosten rechnen müsste (vgl Berlit, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 63). Für ihn gilt vielmehr die zuvor beschriebene Regel des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II. So liegt der Fall auch hier, denn der Mietvertrag des Klägers datiert vom und Leistungsbeginn war der . Sollte der Kläger mithin nicht "bösgläubig" im Sinne der vorhergehenden Ausführungen gewesen sein, wäre es ihm in Ermangelung einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten subjektiv unmöglich gewesen, seine Aufwendungen für Unterkunft bereits zu Beginn des Leistungsbezugs zu senken und der Beklagte hätte die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zumindest für den hier streitigen Zeitraum des Leistungsbezugs bis zum nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu tragen. Eine Information über die von dem Beklagten für angemessen befundene Miethöhe ist nach Aktenlage wohl erst durch die Begründung des Widerspruchsbescheides vom erfolgt.
Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob der Kläger vor dem Leistungsbeginn eine ihm zurechenbare Kenntnis von der potentiellen Unangemessenheit der Aufwendungen für die von ihm angemietete Wohnung hatte bzw ob die Miete tatsächlich unangemessen war. Hinweise auf eine "Bösgläubigkeit" können sich aus der Höhe der Aufwendungen bzw aus einem vorherigen Leistungsbezug ergeben. Hinsichtlich der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für W. wird auf die Entscheidung des Senats vom - B 4 AS 18/09 R - verwiesen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAD-39197