BFH Beschluss v. - III B 108/08

Kindergeldberechtigter als Leistungsempfänger, wenn Familienkasse das Kindergeld an das Kind auszahlt; Kindergeldberechtigter kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch bei Verletzung der Mitwirkungspflicht des Kindergeldberechtigten nicht auf Treu und Glauben berufen

Gesetze: AO § 37 Abs. 2, BGB § 242, EStG § 68 Abs. 1, EStG § 74 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog für seinen 1987 geborenen Sohn (S) Kindergeld. Auf die schriftliche Bitte des Klägers vom überwies die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) das Kindergeld in der Folgezeit auf das Konto von S.

2 Als die Familienkasse von der Arbeitsvermittlung erfuhr, dass S ab Januar 2007 nicht mehr als arbeitsuchend gemeldet war, hob sie mit Bescheid vom die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2007 auf und forderte den Kläger zur Rückzahlung des für Januar 2007 bis Juli 2007 überzahlten Kindergeldes auf. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

3 Das Finanzgericht wies die Klage ab mit der Begründung, im Streitzeitraum habe kein Anspruch auf Kindergeld bestanden. Der Kläger müsse das überzahlte Kindergeld zurückzahlen. Denn das Kindergeld sei zwar auf Grund einer Zahlungsanweisung dem Kind überwiesen worden, es sei aber nicht abgezweigt worden.

4 Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts. Er macht geltend, er sei nicht Leistungsempfänger, da er den Kindergeldanspruch an das Kind abgetreten und die Familienkasse darüber informiert habe. Die Rückforderung verstoße gegen Treu und Glauben, weil die Familienkasse eine ihr obliegende Informations- und Aufklärungspflicht verletzt habe. Sie habe es unterlassen, anlässlich seines Schreibens vom Nachforschungen anzustellen und ihn auf die Möglichkeit eines Abzweigungsantrags hinzuweisen.

5 II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

6 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

7 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung ein allgemeines Interesse besteht. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und im Revisionsverfahren klärungsbedürftige und klärbare Frage handeln (BFH-Beschlüsse vom XI B 80/00, BFH/NV 2003, 898, und vom III B 11/05, BFH/NV 2006, 61). Klärungsbedarf besteht regelmäßig nicht mehr, wenn der BFH die Rechtsfrage bereits entschieden hat (, BFH/NV 2003, 479).

8 Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, wer Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist, wenn das zu Unrecht gezahlte Kindergeld an das Kind ausgezahlt wurde, ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Demnach ist das Kind nicht Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn es das Kindergeld auf Grund einer Zahlungsanweisung des Kindergeldberechtigten von der Familienkasse erhält (Senatsbeschluss vom III B 169/05, BFH/NV 2007, 858, m.w.N.). Bei einer Abzweigung gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an das Kind ist das Kind selbst Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO (, BFHE 196, 278, BStBl II 2002, 47), ebenso im Fall einer wirksamen Abtretung des Kindergeldanspruchs an das Kind als Abtretungsempfänger (BFH-Urteil in BFHE 196, 278, BStBl II 2002, 47, m.w.N.).

9 2. Die Rechtssache erfordert auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO).

10 Einer Rechtsfortbildung bedarf es nur, wenn über ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist oder gegen die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Gründe vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (Senatsbeschluss vom III B 1/06, BFH/NV 2007, 1120).

11 Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz von Treu und Glauben i.S. von § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Rückforderung von Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO hindert, ist aber bereits vom BFH entschieden. Danach sind besondere Umstände erforderlich, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen (, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123). Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die ein Überdenken dieser Rechtsprechung begründen könnten. Da der Kläger sich selbst nicht rechtstreu verhielt, kann er sich nach allgemeinen Grundsätzen nicht auf Treu und Glauben berufen (, BFH/NV 2004, 14). Der Kläger verletzte seine Mitwirkungspflichten gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG, indem er die Familienkasse nicht unverzüglich darüber informierte, dass sein Sohn nicht mehr arbeitsuchend gemeldet war.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 641 Nr. 4
LAAAD-38560