Leitsatz
Leitsatz:
Im Falle des Fehlens vertraglicher Vereinbarungen sind Leistungserbringer nicht berechtigt, Vergütungen nach §§ 315ff BGB oder nach § 612 Abs. 2 BGB festzusetzen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 2 KN 78/05 KR vom SG Düsseldorf, S 24 KN 17/01 KR vom
Gründe
I
Die Klägerin streitet seit Jahren um eine höhere Vergütung für von ihr erbrachte krankengymnastische/physiotherapeutische Leistungen. Ihr Begehren, ihr weitere 4.402,98 Euro für physiotherapeutische Leistungen (in dem Zeitraum vom bis zugunsten der bei der Beklagten Versicherten H) zu zahlen, ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ua ausgeführt: Da weder die Klägerin selbst noch ihr Berufsverband mit der Beklagten eine Rahmenvereinbarung gemäß § 125 SGB V geschlossen habe und danach die Höhe der Vergütung nicht bestimmt sei, sei gemäß § 612 Abs 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die von der Klägerin gewährten Leistungen die "Vereinbarung über Höchstpreise für krankengymnastische Leistungen in Nordrhein für die Zeit ab " (Vereinbarung vom ) zugrunde gelegt habe. Der Klägerin seien Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Höhe von 225 Euro aufzuerlegen, weil sie das Gericht missbräuchlich in Anspruch genommen habe (Urteil vom ).
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf eine Abweichung des LSG-Urteils von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und auf Verfahrensfehler.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG).
1. Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann, wenn eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
Die Klägerin formuliert zwar folgende Fragen:
"Hat der öffentlich-rechtlich zugelassene Heilmittelerbringer, der immer klar zum Ausdruck brachte, dass er den derzeitigen Vergütungsverträgen nach § 125 Abs. 2 SGB V wegen 'sittenwidriger und diskriminierender Vertragsinhalte' niemals beigetreten ist und sie auch nicht anerkennt, im Fall diskriminierender, unbegründeter und sittenwidriger Weigerung der GKV mit dem Leistungserbringer oder dessen Berufsverband einen eigenständigen Vergütungsvertrag im Sinne des § 125 Abs. 2 SGB V zu verhandeln und abzuschließen, aufgrund seines öffentlich-rechtlichen Behandlungsauftrags (lt. HMR bzw. Rahmenempfehlungen) bzw. gemäß seiner aufgrund der öffentlich-rechtlichen Zulassung entstandenen Behandlungspflichten, die Pflicht sich den Preisofferten und Preisdiktaten der Beklagten zu unterwerfen?"
"Hat der von einem Vergütungsvertrag im Sinne des § 125 Abs. 2 SGB V ausgeschlossene und unbeteiligte Dritte das Recht seine Preise für krankengymnastische Leistungen (hier: die lt. HMR geforderte Therapieleistung: Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage) gemäß BGB - Dienstvertragsrecht im Rahmen der Billigkeit und Üblichkeit selbst festzusetzen?"
Jedoch wird - abgesehen davon, dass mit der ersten Frage schon eine abstrakte Rechtsfrage nicht hinreichend bestimmt formuliert wird - bezogen auf beide Rechtsfragen nicht hinreichend dargelegt, weshalb sie klärungsbedürftig sind. Diese Fragen betreffen die wiederholt von der Klägerin aufgeworfene und gerichtlich bereits mehrfach behandelte Problematik des Umfangs ihrer Abrechnungsbefugnis gegenüber der Beklagten und anderen Krankenkassen (vgl etwa BSG, Beschlüsse vom - B 3 KR 14/05 R; vom - B 3 KR 31/03 B; vom - B 3 KR 32/03 B). Das BSG hat bereits wiederholt entschieden, dass Leistungserbringer im Falle des Fehlens vertraglicher Vereinbarungen nicht berechtigt sind, Vergütungen etwa nach §§ 315 f BGB oder nach § 612 Abs 2 BGB festzusetzen (vgl BSGE 66, 159, 162 = SozR 3-2200 § 376d Nr 1; SozR 3-2500 § 132a Nr 1; Beschlüsse vom , aaO, vom - B 3 KR 31/03 B). Diese Grundsätze sind auch der Ausgangspunkt für die rechtlichen Erwägungen des LSG gewesen. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Klägerin im Einzelnen nicht auseinander; sie legt auch nicht dar, dass diese Rechtsprechung in den Entscheidungen der Instanzgerichte oder in der Literatur auf nachhaltige Kritik gestoßen und deshalb erneut klärungsbedürftig geworden ist. Soweit die Klägerin Urteile des BSG zitiert, werden diese nicht richtig wiedergegeben und aus dem Zusammenhang gerissen.
Soweit die Klägerin sinngemäß als weitere Frage von grundsätzlicher Bedeutung anführt, die Entscheidung des LSG verletze sie in ihren Grundrechten aus Art 12 Abs 1 GG (Berufsausübungsfreiheit), Art 9 GG (Koalitionsfreiheit), aus Art 3 Abs 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) und Art 103 Abs 1 (rechtliches Gehör), wird weder eine abstrakte Rechtsfrage formuliert noch ist erkennbar, weshalb sich daraus ein Anspruch auf höhere Vergütung gegenüber anderen Leistungserbringern ableiten lassen soll (so schon Beschlüsse des aaO und vom , aaO).
2. Auch eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist nicht hinreichend dargelegt worden. Hierzu müssen nämlich entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenübergestellt und Ausführungen dazu gemacht werden, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 15 ff). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Es werden schon keine im Urteil des Berufungsgerichts enthaltenen abstrakten Rechtssätze herausgearbeitet, die nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechen könnten. Wenn die Klägerin etwa darauf hinweist, dass ihr entgegen dem ) keine Zinsen zugesprochen worden seien, so kann dieser Umstand schon deshalb keine Rechtsprechungsdivergenz begründen, weil das LSG-Urteil zu einem Zinsanspruch gar keine Ausführungen enthält. Gleiches gilt für den Einwand, die gerügte Entscheidung lasse das - BSGE 84, 213 = SozR 3-2500 § 126 Nr 3), nach dem die Zulassung uneingeschränkt und unbedingt zu erteilen sei, ins Leere gehen, weil eine sachgerechte Bezahlung verweigert werde. Auch insoweit ist unklar, welcher konkrete Rechtssatz in dem LSG-Urteil davon abweichen soll.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - schließlich darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN).
Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Soweit die Klägerin - wie bereits in vorhergehenden Verfahren - die Trennung eines Feststellungsverfahrens in 35 Einzelverfahren unter Missachtung des § 113 SGG beanstandet, bleibt weiterhin unklar, inwieweit diese Trennung der Verfahren die Entscheidung des LSG fehlerhaft beeinflusst haben soll (vgl schon BSG, Beschlüsse vom , aaO, vom , aaO). Soweit die Klägerin rügt, in bewusst rechtswidriger Auslegung seien Verträge anderer Berufsgruppen zur Beurteilung der "üblichen Vergütung" herbeigezogen worden, benennt die Beschwerde weder eine Verfahrensvorschrift noch allgemeine Verfahrensgrundsätze, gegen die das LSG verstoßen haben könnte.
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4. Mit ihrer umfangreichen - 37 Seiten umfassenden - Beschwerdebegründung, die überwiegend den Inhalt des SG- und des LSG-Urteils kritisiert, verkennt die Klägerin die Bedeutung der Nichtzulassungsbeschwerde. Diese Beschwerde dient nicht dazu, den eigenen rechtlichen Standpunkt zu verdeutlichen und die vorinstanzlichen Entscheidungen einer inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen, sondern ausschließlich der Darlegung, ob Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG gegeben sind.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat analog § 160 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ab.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAD-38279