BFH Beschluss v. - X B 172/08

Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers; Aufforderung den Zahlungsempfänger zu benennen rechtmäßig

Gesetze: AO § 160, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 96 Abs. 1

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 2 K 1353/06

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig.

2 Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

3 1. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist Gegenstand des Verfahrens ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer des Streitjahres 2000. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat einem Einspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Umsatzsteuerbescheid 2000 abgeholfen und anschließend gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres eine Umsatzsteuerverbindlichkeit in Höhe von 10.357 DM gewinnerhöhend aufgelöst (Steuerauswirkung 1.177,51 €). Der Kläger hält dieser Gewinnerhöhung gemäß § 177 Abs. 1 AO verschiedene Feststellungen einer Außenprüfung entgegen, der das FA zu seinen Lasten gefolgt war und die er mangels Beschwer (der vorherige Einkommensteuerbescheid führte trotz der Änderungen zu einer Nullfestsetzung) zuvor nicht angreifen konnte.

4 2. Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe zu Unrecht die Anschaffungskosten des zu seinem Umlaufvermögen gehörenden Fahrzeugs Fiat . in Höhe von 16.000 DM nicht als Betriebsausgabe anerkannt, legt er weder einen Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO noch das Vorliegen einer Divergenzentscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO hinreichend dar.

5 a) Es ist aus den Ausführungen in der Beschwerdebegründung unter dem nicht erkennbar, welches prozessuale Verhalten des FG verfahrensfehlerhaft gewesen sein soll. Sollte der Kläger den Umstand als Verfahrensfehler ansehen, dass das FG die Anschaffungskosten des später vom Kläger veräußerten Fahrzeugs gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Halbsatz FGO nicht selbst geschätzt hat (vgl. zur Schätzungsbefugnis des FG im Rahmen des § 160 AO bei unterlassener Empfängerbenennung z.B. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 160 Rz 23), läge hierin die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers des FG. Die Rüge eines solchen Fehlers rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 27 und 45). Zwar ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. auch dann zuzulassen, wenn das erstinstanzliche Urteil unter einem so schweren Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 68). Dass dem FG ein derart schwerwiegender Rechtsfehler unterlaufen sein soll, lässt sich der Beschwerdebegründung aber nicht entnehmen, die lediglich auf die Schätzungsbefugnis des FG hinweist und rügt, dass das FG diese nicht ausgeübt habe.

6 Im Übrigen ist die Aufforderung, den Zahlungsempfänger zu benennen und bei unterlassener Empfängerbenennung den Betriebsausgabenabzug zu versagen, auch dann rechtmäßig, wenn die geltend gemachten Betriebsausgaben dem Steuerpflichtigen mit Sicherheit entstanden sind (, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995; vom VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).

7 b) Auch das Vorliegen des Zulassungsgrunds der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wird vom Kläger nicht ordnungsgemäß i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO begründet.

8 aa) Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrunds sind insbesondere erfüllt, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 110/09, nicht veröffentlicht; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48 und 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

9 bb) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Er macht geltend, im (BFH/NV 1996, 801) habe der BFH den tragenden Rechtssatz formuliert, die Anwendung des § 160 AO könne in Ausnahmefällen ermessensfehlerhaft sein, wenn es dem Steuerpflichtigen nicht gelinge, den wahren Namen des Empfängers anzugeben, weil er selbst Opfer einer für ihn nicht durchschaubaren Täuschung sei und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seines Geschäftspartners hätten aufdrängen müssen. Es fehlen jedoch Ausführungen, warum das FG bei der Entscheidungsfindung im angefochtenen Urteil von diesem Rechtssatz abgewichen sein soll. Der Kläger arbeitet in seiner Beschwerdebegründung —wie das FA zutreffend in der Beschwerdeerwiderung entgegnet— keinen Rechtssatz heraus, den das FG im Streitfall aufgestellt haben und mit dem es von einem Rechtssatz der BFH-Entscheidung in BFH/NV 1996, 801 abgewichen sein soll. Sein Vorbringen enthält im Stile einer Revisionsbegründung den Vorwurf, dass dem FG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 160 AO ein Rechtsfehler unterlaufen sei, weil es die Grundsätze des BFH-Urteils in BFH/NV 1996, 801 nicht auf den Streitfall angewendet habe. Unbestritten liegt jedoch keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55).

10 cc) Der Kläger hat sich zudem darauf berufen, das FG sei von dem Rechtssatz abgewichen, „vorsätzlich falsche Angaben eines Dritten könnten nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen herangezogen werden”. Diesen Rechtssatz leitet der Kläger aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom (Rs. C-146/05, BFH/NV 2008, Beilage 1, 34) und vom (Rs. C-271/06, Deutsches Steuerrecht 2008, 450) ab. Das Vorbringen ist ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen einer Divergenzentscheidung darzulegen. Wie der Kläger selbst erläutert, sind die vorgenannten Entscheidungen im Rahmen des Umsatzsteuerrechts zur Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom (in der für die dortigen Streitjahre anzuwendenden Fassung) und nicht zur Anwendung des § 160 AO ergangen. Die Rechtsmeinung des Klägers, der vorzitierte Rechtssatz sei auf den Streitfall übertragbar und vom FG zu beachten gewesen, beinhaltet schon dem Grunde nach keine Divergenzrüge, weil hierfür divergierende Entscheidungen zu derselben Rechtsfrage erforderlich sind (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 69, 72).

11 3. Die weitere Rüge, dem FG sei bei der Frage, ob das FA ungeklärte Einlagen zu Recht als nicht erklärte Betriebseinnahmen behandelt habe, ein Verfahrensfehler unterlaufen, genügt den Anforderungen an die Begründungspflicht nicht. Der Kläger ist der Auffassung, die Würdigung der Zeugenaussage seiner Mutter „entspreche nicht den Gesetzen der Logik”. Hierin liegt die Behauptung, die Beweiswürdigung des FG verstoße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Der Kläger behauptet damit wiederum nur einen Rechtsfehler des FG (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82 f. und § 116 Rz 45). Die Rüge eines qualifizierten Rechtsfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist in seinem Vortrag nicht zu sehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 596 Nr. 4
OAAAD-38251